Leitsatz (amtlich)

1. Die Aussetzung der Hauptverhandlung, die in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfällung steht, kann trotz § 305 S. 1 StPO mit der Beschwerde angegriffen werden. Setzt das Gericht die Hauptverhandlung aus Gründen aus, die in der Person des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft liegen, hat die Staatsanwaltschaft auch ein Rechtsschutzbedürfnis.

2. Referendare können grundsätzlich als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beim Jugendrichter eingesetzt werden.

 

Verfahrensgang

AG Oberhausen (Entscheidung vom 08.06.2010; Aktenzeichen 60 Ds 93/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss aufgehoben.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 08.06.2010, mit dem die Hauptverhandlung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht hat seinen Beschluss damit begründet, dass die §§ 36, 37 JGG nicht eingehalten worden seien, da die Staatsanwaltschaft durch eine Rechtsreferendarin vertreten wurde.

III.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, § 304 StPO.

Zwar handelt es sich bei der Entscheidung, die Hauptverhandlung auszusetzen, grundsätzlich um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung im Sinn des § 305. Satz 1 StPO; indes steht vorliegend die Aussetzung der Hauptverhandlung in keinem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung, sondern bezieht sich allein auf *die verfahrenstechnische Frage, wie die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung zu besetzen ist. Ein inhaltlicher Bezug zu dem konkreten. Strafverfahren besteht demnach nicht. Der Beschluss, die Hauptverhandlung auszusetzen, verzögert und hemmt damit das Verfahren, .ohne dass die Urteilsfällung hierdurch inhaltlich berührt würde; in diesem Fall ist die Beschwerde ausnahmsweise zulässig (vergleiche: Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 228 Rn. 16 m.w.N.).

Auch fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist vorliegend das amtsgerichtliche Verfahren in jedem Falle neu zu terminieren und die Hauptverhandlung neu zu beginnen - unabhängig davon, ob der Aussetzungsbeschluss aufrecht erhalten wird oder nicht. Obwohl damit die Aussetzung der Hauptverhandlung am (ursprünglichen) Terminstag nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, ist die Beschwerde vorliegend ausnahmsweiser zulässig; denn .die Staatsanwaltschaft hat - unabhängig von etwaigen Parallelentscheidungen - schon deshalb ein erhebliches . Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Aussetzungsbeschlusses, da sie bei der erneuten Durchführung der Hauptverhandlung wiederum mit einer Aussetzung des Verfahrens rechnen muss, wenn sie in der neuen Hauptverhandlung - aus ihrer Sicht zulässigerweise - durch einen Rechtsreferendar vertreten sein sollte.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das Amtsgericht hatte vorliegend keinen ausreichenden Grund dafür, die Hauptverhandlung auszusetzen, § 228 StPO. Zwar ist es zutreffend, dass die Fürsorgepflicht des Gerichts, die auch die Einhaltung der einschlägigen Verfahrensvorschriften umfasst, einen eigenen Aussetzungsgrund darstellen kann. Ein insoweit relevanter Verfahrensverstoß ist indes nicht gegeben.

a)

Gemäß § 142 Abs. 3 GVG kann Referendaren die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwaltes (und im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht) übertragen werden. Mit den angesprochenen Aufgaben des Amtsanwaltes, die der Referendar eigenständig - nach vorangegangenen Besprechungen und Instruktionen durch den ausbildenden Staatsanwalt, aber ohne dessen Aufsicht - ausführen darf, sind die unter § 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GVG genannten Funktionen gemeint, die dem Amtsanwalt übertragen werden können (vergleiche: Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 141 GVG Rn. 12).

Nach dieser Vorschrift kann dem Referendar u.a. grundsätzlich die Vertretung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung bei den Amtsgerichten übertragen werden.

b)

Eine Einschränkung des § 142 Abs. 3 GVG ergibt sich auch nicht aus den §§ 36" 37 JGG. Zwar gehen die Vorschriften der Jugendgerichtsverfassung in §§ 33 ff. JGG ausweislich § 2 JGG. den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes grundsätzlich vor. Dies gilt aber nur. insoweit, als die Jugendverfassung abweichende Bestimmungen zu den allgemeinen Vorschriften des GVG enthält. So verhält es sich mit den §§ 36; 37 JGG nicht.

Nach §§ 36, 37 JGG sind für diejenigen Verfahren, die zur Zuständigkeit :der: Jugendgerichte gehören, Jugendstaatsanwälte zu bestellen, die ihrerseits erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein sollen. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Ordnungsvorschriften, die eine einheitliche Bearbeitung aller Jugendsachen bei der Staatsanwaltschaft und die jugendgemäße Behandlung dieser Verfahren sicher stellen sollen (vergleiche: BGH in MDR 1958, 356; OLG Hamm in JMBI NRW 1962, 112; OLG Hamm in JMBI NRW 1994, 23 m.w.N.).

aa)

§ 36 JGG zielt ihrem Wortlaut nach auf die interne Organisation der Staatsanwaltschaft und schreibt insoweit...

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