Entscheidungsstichwort (Thema)

Mobilfunkvertrag, unzulässige Rechtsausübung

 

Leitsatz (amtlich)

Den Ansprüchen des Mobilfunkanbieters aus einem Mobilfunkvertag kann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen, wenn er bei Vertragsschluss Beratungspflichten im Hinblick auf die Wahl des Tarifs verletzt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 398, 280, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Ahaus (Aktenzeichen 16 C 2/10)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus abgetretenem Recht der Mobilfunkanbieterin F geltend. Nachdem der Beklagte über mehrere Jahre verschiedene Verträge bei dieser Mobilfunkanbieterin abgeschlossen hatte, wechselte er zum 02.12.2008 in den Tarif "Time & More All In 500" mit einer monatlichen Grundgebühr in Höhe von 42,50 €. Im Zusammenhang mit diesem Vertragswechsel vermietete die Mobilfunkanbieterin dem Beklagten zum Preis von monatlich 19,00 € das Handy "SGH i 900", ein Smartphone mit verschiedenen Funktionen und Internet-Zugang. Zusammen mit dem Handy wurde dem Beklagten das Navigationsprogramm "Route 66" zur Verfügung gestellt, das für aktualisiertes Kartenmaterial u.ä. Zugriff auf das Internet nimmt. Hinsichtlich der Internet- und WAP-Nutzung wurden dem Beklagten von einem Mitarbeiter der Firma F verschiedene Alternativen aufgezeigt. Er konnte zwischen einer konkreten Abrechnung nach dem in Anspruch genommenen Datenvolumen zum Preis von 0,006 € / Kilobyte für Internet-Verbindungen und 0,02 € / Kilobyte für WAP-Verbindungen, einem Datenpaket von monatlich 150 MB zum Preis von 10,00 € und einem unbegrenzten Datenvolumen zum Preis von monatlich 25,00 € wählen. Da der Beklagte noch keine Erfahrung mit internetfähigen Smartphones hatte, wählte er auf Anraten des Mitarbeiters der Firma F zunächst die volumenabhängige Abrechnung, um nach Erhalt der ersten Rechnungen zu entscheiden, ob sich eines der Paketangebote für ihn lohnt. Der Beklagte installierte zu Hause die mitgelieferte Software auf seinem Handy und nutzte das Gerät in den folgenden Tagen, wobei er nach eigenem Bekunden ca. drei- bis viermal im Internet surfte und sich dort verschiedene Seiten ansah. Am 12.12.2008 wurde ihm die SIM-Karte wegen der bis dahin entstandenen Telefonkosten in Höhe von mehr als 1.000 € gesperrt.

Diese Kosten entstanden ausweislich der Rechnung und des Einzelverbindungsnachweises der Mobilfunkanbieterin in erster Linie durch Internet- bzw. WAP-Verbindungen des Handys, insbesondere durch drei WAP-Verbindungen am 09.12.2008 um 21:48:01 Uhr über 11,96 MB zum Preis von 245,00 €, an demselben Tag um 23:06:40 Uhr über 7,078 MB zum Preis von 144,96 € und am Folgetag, 10.12.2008, um 21.22:37 Uhr über 31,15 MB zum Preis von 637,94 €. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 13.01.2009 (Bl. 26 d.A.) nebst Einzelverbindungsnachweis (Bl. 43 d.A.) Bezug genommen.

Da die Firma F die Sperre nicht aufhob, konnte der Beklagte das Handy in der Folgezeit nicht nutzen. Die Mobilfunkanbieterin stellte dem Beklagten für die folgenden Monate den jeweiligen Grundbetrag nebst Miete für das Gerät in Rechnung. Da der Beklagte die Rechnungen nicht bezahlte, kündigte die Mobilfunkanbieterin den Vertrag mit Wirkung zum 26.05.2009 und verlangte Schadensersatz aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Daten seien unstreitig von dem Mobiltelefon des Beklagten aufgerufen worden. Da keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen technischen Defekt o.ä. bestünden, streite für die Richtigkeit der Abrechnungen der Anscheinsbeweis. Dass der Beklagte die Datenverbindungen nicht wissentlich oder willentlich hergestellt haben wolle, sei unerheblich. Auch wenn sein Handy automatische Verbindungen ins Internet hergestellt habe, falle es in seinen Risikobereich, sich mit der Bedienungsanleitung auseinanderzusetzen und diese Funktion zu deaktivieren. Ggf. könnten dem Beklagten im Hinblick hierauf Ansprüche gegen den Hersteller des Handys zustehen. Auch könne der Beklagte der Klägerin gemäß § 242 BGB keine Schadensersatzansprüche entgegenhalten. Zwar werde z.T. eine Verpflichtung des Telekommunikationsunternehmens angenommen, den Nutzer auf Auffälligkeiten hinzuweisen. Dieser Verpflichtung sei der Mobilfunkanbieter jedoch nachgekommen, indem er nach 3 Tagen den Anschluss gesperrt habe. Insoweit bestehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen Verschulden bei Vertragsschluss. Dem Mobilfunkanbieter obliege keine Pflicht, den Nutzer auf jede Art der automatischen Einwahl o.ä. hinzuweisen. Dies würde die im Rahmen der Privatautonomie geltende Selbstverantwortlichkeit des Kunden zu stark zulasten des Mobilfunkanbieters verschieben. Der Schadensersatzanspruch auf Zahlung von...

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