Normenkette

AufenthG 2004 § 62 Abs. 1, 3

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen werden der Beschluss des Amtsgerichts Verden vom 07.02.2012 und der Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts Verden vom 07.02.2012 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen des Betroffenen trägt der Landkreis Verden.

Beschwerdewert: 3.000,00 €

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist mit bestandskräftiger Verfügung der Stadt Frankfurt am Main vom 28.11.2007 für dauernd aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden. Die Abschiebung in die Türkei erfolgte am 21.04.2008 aus der Abschiebungshaft heraus.

Vor Ausreise des Betroffenen war es wegen einer Körperverletzung zum Nachteil seiner damaligen Lebensgefährtin sowie wegen Erschleichens von Leistungen ("Schwarzfahren" in der U-Bahn in Frankfurt) jeweils zu Verurteilungen zu Geldstrafen gekommen. Diese wurden auf eine Gesamtgeldstrafe von 125 Tagessätzen zu je 10,00 € zurückgeführt, von denen der Betroffene zwischenzeitlich 100,00 € (= 10 Tagessätze) gezahlt hatte. Wegen der weiteren 115 Tagessätze erließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main als zuständige Vollstreckungsbehörde einen Haftbefehl über 115 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Betroffene hatte nach seiner Abschiebung in der Türkei die in ... lebende Frau ... kennengelernt. Zwischen ihnen entwickelte sich eine Paarbeziehung. Am ... 2011 gebar Frau ... ein Kind namens .... Der Betroffene hat zwischenzeitlich (am 20.02.2012) die Vaterschaft zu diesem Kind anerkannt.

Am 07.02.2012 wurde der Betroffene - nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 05.01.2012 - festgenommen. Die Ausländerbehörde beantragte die Anordnung von Sicherungshaft als Überhaft zu der angeordneten Ersatzfreiheitsstrafe von 115 Tagen für die Dauer von 4 Wochen.

Nach Anhörung am 07.02.2012 beschloss das Amtsgericht zunächst - mit sofortiger Wirksamkeit - in Anwesenheit des Betroffenen die Anordnung von Sicherungshaft bis einschließlich 06.03.2012, da der Betroffene unerlaubt eingereist sei.

Offenbar auf Intervention der Ausländerbehörde erließ das Amtsgericht am selben Tage einen Berichtigungsbeschluss wegen offensichtlicher Unrichtigkeit und änderte den vorangegangenen Beschluss dahingehend ab, dass die Sicherungshaft für die Dauer von 4 Wochen ab Entlassung aus der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wird. Zugleich wurde die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit aufgehoben. Wann dieser Beschluss dem Betroffenen zugegangen ist, lässt sich der Akte nicht entnehmen.

Gegen beide Beschlüsse legte der Betroffene mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 22.02.2012 und vom 12.03.2012 sofortige Beschwerde ein.

Nachdem der Betroffene die restliche Geldstrafe gezahlt hatte und eine für sofort wirksam erklärte Haftentscheidung nicht (mehr) vorlag, wurde der Betroffene am 19.04.2012 auf der Haftanstalt entlassen. Zur Anhörung vor der Kammer erschien er am 26.04.2012 in Anwesenheit von Frau ... und des gemeinsamen Kindes.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt besteht kein Grund, gegen den Betroffenen Abschiebungshaft anzuordnen. Im Hinblick darauf, dass die Anordnung von Abschiebungshaft das letzte Mittel ist, um die Abschiebung des Betroffenen in sein Heimatland sicherzustellen (§ 62 Abs. 1 AufenthG), darf Sicherungshaft dann nicht angeordnet werden, wenn diese zur Durchführung der Abschiebung nicht erforderlich erscheint (siehe auch § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).

Der Betroffene hat aber schon durch sein freiwilliges Erscheinen im Anhörungstermin gezeigt, dass er sich dem Verfahren stellt. Er hat im Anhörungstermin erklärt, dass er zwar grundsätzlich erreichen wolle, nicht abgeschoben zu werden. Ihm sei aber nach anwaltlicher Beratung bekannt, dass seine Einreise unerlaubt erfolgt sei und er deshalb zur Ausreise verpflichtet sei. Seiner Abschiebung würde er sich nicht widersetzen, wenn er dann auch versuchen wolle, ein Visum zur erlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erlangen. Diese Einlassung hält die Kammer insbesondere vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass der Betroffene nachvollziehbar wegen seiner in Deutschland lebenden Freundin und dem ebenfalls in Deutschland lebenden gemeinsamen Kind ein deutliches Interesse an einer positiven Aufenthaltsentscheidung durch die zuständige deutsche Ausländerbehörde hat. Eine solche durch Verursachung von Schwierigkeiten, z. B. durch erneutes Untertauchen zur Vermeidung einer Abschiebung, zu gefährden, würde den eigenen Interessen des Betroffenen massiv widersprechen, so dass dies nicht zu erwarten steht.

Ob die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 07.02.2012 zum damaligen Zeitpunkt so hätten ergehen dürfen, kann daher dahinstehen, da sich der Betroffene zu keiner Zeit aufgrund dieser Entscheidungen in Haft befand. Die Kammer sieht sich - für künftige Fälle - insbesondere auch vor dem Hintergrund der Beschwerdebegründung vom 19.04.2012 allerdings zu folgenden Ausführungen veranlasst:

Nach Ansicht der Kammer ...

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