Leitsatz (amtlich)

1. Eine Überschreitung des Gutachtensauftrags begründet für sich genommen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen.

Notwendig ist darüber hinaus die Feststellung, dass sich dem Verhalten des Sachverständigen Belastungstendenzen entnehmen lassen, die aus der Sicht ei-ner Partei bei vernünftiger Betrachtung den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken vermögen (Anschluss an BGH NJW-RR 2013, 851 f.).

2. Nicht ausreichend ist der Vorwurf, der Sachverständige habe durch die Über-schreitung Aufgaben des Gerichts wahrgenommen oder dem Gericht durch seine Feststellungen den Weg zu einer dem Antragsteller ungünstigen Entscheidung aufgezeigt.

3. Hat der medizinische Sachverständige im Arzthaftungsprozess zu überprüfen, ob eine Operation fehlerhaft durchgeführt worden ist, so umfasst die Begutach-tungsmaterie regelmäßig auch die Einbeziehung und Bewertung der präoperativen Diagnostik.

Beurteilt der Gutachter in einem solchen Fall zusätzlich auch die Maßnahmen der postoperativen Versorgung, so ergibt sich daraus jedenfalls dann kein Ableh-nungsgrund, wenn der Vorwurf einer fehlerhaften Nachversorgung bereits vom Patienten erhoben worden war.

 

Normenkette

ZPO §§ 43, 406 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 14.12.2016; Aktenzeichen 22 OH 32/15 Hei)

 

Nachgehend

OLG Bamberg (Beschluss vom 07.03.2017; Aktenzeichen 4 W 16/17)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Schweinfurt vom 14.12.2016, Az. 22 OH 32/15 Hei, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.333,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin des selbständigen Beweisverfahrens befand sich im Jahr 2008 beim Antragsgegner, einem niedergelassenen Frauenarzt, in ärztlicher Behandlung.

Das LG Schweinfurt ordnete mit Beschluss vom 11.04.2016 die Einholung eines Sachverständigengutachtens an, unter anderem zu der Behauptung der Antragstellerin, die bei ihr am 30.04.2008, 07.05.2008 sowie am 11.06.2008 vorgenommenen operativen Eingriffe seien vom Antragsteller fehlerhaft, d.h. nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden.

Mit Verfügung vom 02.06.2016 wurde PD Dr. me d.A. zum Sachverständigen bestimmt, der sein schriftliches Gutachten am 03.08.2016 erstattete.

Mit Schriftsatz vom 24.10.2016 hat der Antragsgegner den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das LG hat mit Beschluss vom 14.12.2016 das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde vom 10.01.2017 hat es gemäß Beschluss vom 20.02.2017 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Eine Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Erforderlich ist jedoch das Vorliegen objektiver Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH NJW-RR 2003, 1220, 1221).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dabei kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung sowie im Nichtabhilfebeschluss verwiesen werden. Der Senat schließt sich den dort angeführten Gründen, warum ein Ablehnungsgrund nicht gegeben ist, in vollem Umfang an. Lediglich ergänzend ist zum Beschwerdevorbringen des Antragsgegners folgendes auszuführen:

1. Überschreitung des Gutachtensauftrags

Der Antragsgegner rügt, die Ausführungen des Sachverständigen zur präoperativen Diagnostik und zur postoperativen Nachsorge seien nicht vom Gutachtensauftrag umfasst. Durch seine Ausführungen habe der Sachverständige der Antragstellerin den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits gewiesen.

a) Überschreitet ein Sachverständiger die Grenzen des Gutachtensauftrages, begründet dies für sich genommen noch nicht die Besorgnis seiner Befangenheit. Vielmehr sind, wie der BGH in einem Beschluss vom 11.04.2013 klargestellt hat, die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu betrachten (BGH, VII ZB 32/12, Rn. 13). Er hat dabei in seiner Prüfung darauf abgestellt, ob sich dem Verhalten des Sachverständigen Belastungstendenzen entnehmen lassen, die aus Sicht einer Partei bei vernünftiger Betrachtung den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken vermögen (BGH, a.a.O., Rn. 16). Hierin liegt nach Auffassung des Senats ein notwendiges Entscheidungskriterium. Eine schematische Betrachtungsweise, wie sie auch in den vom Antragsgegner zitierten Entscheidungen des OLG Koblenz (Beschluss vom 24.01.2013, 4 W...

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