Entscheidungsstichwort (Thema)

elterliche Sorge

 

Leitsatz (redaktionell)

Entzug der elterlichen Sorge und Übertragung des Rechts der elterlichen Sorge auf das Kreisjugendamt als Pfleger nach rechtskräftiger Verurteilung des Kindesvaters wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern

 

Normenkette

BGB § 1666 Abs. 1; FGG § 33 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bad Neustadt a.d. Saale (Beschluss vom 15.03.2004; Aktenzeichen 1 F 183/03)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.09.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2872/04)

BVerfG (Beschluss vom 22.07.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2872/04)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden des Landratsamtes … und der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Neustadt a.d. Saale vom 15. März 2004 abgeändert.

II. Den Beteiligten M. und A. wird das Recht der elterlichen Sorge für das Kind K., geboren am …1997, entzogen. Das Recht der elterlichen Sorge für das Kind K. wird auf das Landratsamt … Kreisjugendamt, als Pfleger übertragen.

III. Die Beteiligten M. und A. haben das Kind K. an das Landratsamt …, Kreisjugendamt, heraus zugeben.

Zur Durchsetzung des Herausgabeanspruchs darf das Landratsamt … Kreisjugendamt, die Hilfe eines Vollstreckungsbeamten gemäß § 33 Abs. 2 FGG in Anspruch nehmen.

IV. Eine Verfahrensgebühr wird nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen erfolgt nicht.

V. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000,– Euro.

 

Gründe

Das Amtsgericht Bad Neustadt a.d. Saale hat am 15.03.2004 unter Aufhebung der vorläufigen Anordnungen vom 15.05.2003 und 03.07.2003 die elterliche Sorge für das Kind K. geboren am …1997, den Eltern M. und A. unter Anordnung verschiedener Auflagen belassen. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Gründe, wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Bad Neustadt a.d. Saale vom 15.03.2004 verwiesen.

Das Landratsamt …, Kreisjugendamt, und die Verfahrenspflegerin haben gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Neustadt a.d. Saale vom 15.03.2004 Beschwerde eingelegt. Sie erstreben mit ihrem Rechtsmittel Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB zur Abwendung einer Gefahr für das Kindeswohl des Kindes K..

Die Beschwerden führen zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Umfang.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohles des Kindes K. nicht gegeben ist.

Der Vater des Kindes K. ist mit Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 04.11.2004 (Az.: 1 KLs 10 Js 6057/03 jug) u.a. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier sachlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Auch wenn sich die abgeurteilten Straftaten nicht gegen das Kind K. sondern das bei den Verfahrensbeteiligten M. und A. lebende Kind S., geboren am …1992, richteten, kann eine Gefährdung des Wohles des Kindes K. nicht ausgeschlossen werden. Der Sachverständige … hat in seinem Zusatzgutachten vom 03.12.2003 ausdrücklich klargestellt, dass nach Kenntniserlangung von den Ermittlungsergebnissen die Bewertung im Gutachten vom 26.11.2003 nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Er hat darauf hingewiesen, dass die emotionalen Bindungen von K. an seine Eltern unter den gegebenen Umständen nicht weiter beachtet werden können, da die jetzt feststellbare konkrete Gefährdung des Kindes schwerer wiegt als der sich abschwächende Wunsch von K., bei seinen Eltern zu leben. Das jetzt fassbare Risiko von missbräuchlichen Handlungen dürfe nicht dem Kind auferlegt werden, das sich kaum differenziert mitteilen kann. Gerade diese Schwäche erfordere einen besonderen Schutz, der mit Kontrollbesuchen des Jugendamtes unter diesen Umständen nicht geleistet werden kann. Der Senat sieht im Hinblick auf die mit Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 04.11.2004 abgeurteilte Straftat unter Berücksichtigung der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen … den Entzug der elterlichen Sorge und die Übertragung der elterlichen Sorge auf das Landratsamt … als einzige denkbare Möglichkeit, den Schutz des Kindes K. zu gewährleisten. Zur Sicherung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohles des Kindes sind daher die im Entscheidungssatz aufgezeigten Maßnahmen unausweichlich.

Der Senat sieht von einer erneuten Anhörung der Verfahrensbeteiligten ab, da angesichts der eindeutigen Beweislage ein weiterer Aufklärungszuwachs nicht zu erwarten ist.

Die Entscheidung über die Kosten, Auslagen und den Gegenstandswert beruht auf §§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, 94 Abs. 3, 30 KostO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1560957

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