Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung von Beschlüssen und Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in einer Teilungserklärung vorgesehene Abstimmung nach dem Wertprinzip ist auch dann nicht von vornherein wegen der Gefahr einer Majorisierung nichtig, wenn sie einem einzelnen Wohnungseigen- tümer die Stimmenmehrheit verschafft. Es ist auch dann für jeden Beschluss gesondert zu prüfen, ob dieser Wohnungseigentümer seine Stimmgewalt treuwidrig dazu verwendet hat, seine Interessen gegen die der anderen Wohnungseigentümer durchzusetzen.

2. Sieht die Teilungserklärung eine Abstimmung nach dem sog. Wertprinzip vor, so ist dieses auch auf die Wahl des Verwalters anzuwenden.

3. Die Annahme schlüssiger oder durch Stillschweigen begründeter Vereinbarungen ist nur in Ausnahmefäl- len möglich. In der Regel wird das Schweigen eines Wohnungseigentümers gegenüber dem bloßen tat- sächlichen Verhalten des Verwalters oder anderer Wohnungseigentümer nicht als Zustimmung zu einer dieses Verhalten tragenden Vereinbarung zu würdigen sein. Dies gilt auch dann, wenn es um Angelegenheiten geht, welche die materiellen Belange der Wohnungseigentümer nicht berühren (z. B. Festlegung des Abrechnungszeitraumes in Abweichung von § 28 Abs. 1 u. 3 WEG).

4. Setzt sich ein Wohnungseigentümer gegen eine Jahresabrechnung bzw. einen Wirtschaftsplan zur Wehr, dem in Fortsetzung einer langjährig geübten Verfahrensgepflogenheit nicht das Kalenderjahr zu Grunde liegt, so handelt er treuwidrig, wenn er den Übergang zu dem vom Gesetz oder der Teilungserklärung vor- gesehenen Zeitraum nicht vor der Herstellung der Abrechnung einfordert und mit der Auswahl des Ab- rechnungszeitraumes keine materiellen Nachteile für ihn verbunden sind.

 

Normenkette

WEG §§ 25-26, 28

 

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 05.03.2002; Aktenzeichen 9 T 30/01)

AG Tostedt (Beschluss vom 12.01.2001; Aktenzeichen 5 II 35/00 WEG)

 

Tenor

Auf die weitere sofortige Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Landgerichts Stade vom 5. März 2002 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Amtsgericht Tostedt vom 12. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landgerichts Stade vom 5. März 2002 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerinnen tragen die Gerichtskosten aller Rechtszüge. Außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet. Gegenstandswert für die sofortige weitere Beschwerde: 15.248,93 EUR

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft … und … in ….

Die Antragstellerinnen fechten verschiedene Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 15. Juni 2000 an, u. a. die Anerkennung der Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 und des Wirtschaftsplanes für das Jahr 2000/2001 sowie die Wiederbestellung der Verwalterin und begehren die gerichtliche Feststellung, dass das in der Teilungserklärung niedergelegte Stimmprinzip nichtig ist. Die von dem Notar … in … beurkundete Teilungserklärung vom 31. Juli 1995 (Anlage AST 3 des Antragschriftsatzes vom 14. Juli 2000; Bl. 15 ff. GA) sieht zu § 15 Ziff. 4 folgende Regelung vor:

‚Die Wohnungseigentümerversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. (…) Das Stimmrecht bestimmt sich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile.’ Von den Miteigentumsanteilen der Liegenschaft hält die Antragsgegnerin zu 1, die … (im Folgenden: …), 8.170/10.000. Die verbleibenden 1.830/10.000 entfallen auf die übrigen Wohnungseigentümer, wobei die Antragstellerinnen 312/10.000 halten. Nach § 16 Ziff. 1 der Teilungserklärung stellt ‚der Verwalter (…) jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan auf (…), der von den Wohnungseigentümern zu beschließen ist.’

Die Verwalterin, die …, lud die Eigentümer unter dem 4. September 1995 (Anlage des Antragsgegners Schriftsatz vom 25. Februar 2002; Bl. 208 GA) zu der Eigentümerversammlung vom 18. September 1995 ein; als Tagesordnungspunkt 1 wurde dabei der ‚Wirtschaftsplan 1995’ bezeichnet. In der Niederschrift dieser Eigentümerversammlung (Anlage AG 1 des Antragsgegnerschriftsatzes vom 14. August 2000; Bl. 61 ff. GA) heißt es unter

1.: ‚Der auf der Eigentümerversammlung verteilte Wirtschaftsplan wird hiermit rückwirkend ab Jahresanfang anerkannt. Jeder Wirtschaftsplan bleibt bis zur Genehmigung eines neuen Wirtschaftsplanes gültig. Die Jahresabrechnung soll jeweils zum 28. Februar eines Jahres erfolgen. (…) Abstimmungsergebnis: einstimmig Ja.’

Mit Schreiben vom 31. Mai 2000 lud die Verwalterin für den 15. Juni 2000 zu einer Eigentümerversammlung ein, wobei sie auf das Auslaufen der Verwalterbestellung zum 31. Juli 2000 hinwies und – u. a. – ihre neuerliche Bestellung als Tagesordnungspunkt angab.

Die Verwalterin stellte bei der Versammlung sowohl die Gesamt- /Einzelabrechnung wie auch den Wirtschaftsplan jeweils für einen Zeitraum vor, der sich von Anfang März bis Ende Februar des Folgejahres erstreckte. In der Versamm-...

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