Leitsatz (amtlich)

1. Erhebt der Besteller gegen den planenden Architekten eine Vorschussklage zur Mängelbeseitigung, so kommt ihm die Unterbrechungswirkung nach §§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 3 BGB a.F. (entsprechend der Hemmung nach § 213 BGB n.F.) auch dann zu Gute, wenn von vornherein nur die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB a.F. gegeben waren. Denn bereits anfänglich hätte die Klage als Schadensersatzklage ausgelegt werden können.

2. Der Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB a.F. wird durch die Klageerhebung in voller Höhe gehemmt, wenn die zunächst geringere Bezifferung der Mängelbeseitigungskosten erkennbar geschätzt ist und sich erst im Prozessverlauf höhere Kosten herausstellen.

3. Eine formularmäßige Haftungsbeschränkung ist gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam, wenn der Höchstbetrag die vertragstypischen, vorhersehbaren Schäden nicht abdeckt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Planungsfehler erkennbar Sanierungskosten nach sich ziehen, die noch über den Herstellungskosten für den von dem Mangel betroffenen Bauabschnitt liegen (hier: aufwendige Reinigung eines Güllekellers).

4. Wird bei einer Haftungsbeschränkung die Deckungssumme an die Versicherbarkeit der Schäden gekoppelt, ist diese Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nichtig gem. § 9 Abs. 1 AGBGB.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 14.04.2011; Aktenzeichen 1 O 250/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des LG Lüneburg vom 14.4.2011 abgeändert und insgesamt unter

Zurückweisung der Berufung im Übrigen neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 168.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.8.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als

Gesamthändern alle weiteren Schäden zu ersetzen, die durch die infolge mangelhafter Planung des Güllekellers erforderlich gewordenen Bau- und Planungsarbeiten oder durch Auswirkungen dieser Arbeiten auf den Betrieb der Kläger durch erhöhten Arbeitsaufwand künftig entstehen werden.

Die Klage wird wegen des verbleibenden Ersatzanspruchs für bereits entstandene Schäden, die die Kläger infolge der mangelhaften Planung des Güllekellers erlitten und die sie i.H.v. 112.388,52 EUR beziffert haben, dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Von den Kosten zweiter Instanz haben die Kläger als Gesamtschuldner 10 %, der Beklagte 90 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abgewendet werden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger, die als GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, begehren von dem beklagten Architekten Vorschusskosten sowie Schadensersatz wegen mangelhafter Planungsleistungen bei Errichtung eines Milch- und Jungviehstalls.

Die Parteien schlossen am 15.5.1992 einen Architektenvertrag (Bl. 50 ff. Bd. I) über den Neubau eines Boxenlaufstalls über 103 Kühe. Zu dem Stall gehört ein Güllekeller, in dem die Exkremente der Kühe in Kanälen aufgefangen und mittels eines Rührwerks homogenisiert werden. Aus statischen Gründen wurden zwischen zwei Kanalsystemen Durchlässe eingebaut, damit die Gülle in beiden Systemen die gleichen Pegelstände aufweist.

Der Beklagte erteilte den Klägern mit Abschluss der Arbeiten unter dem 15.3.1995 seine Schlussrechnung. Zwischen den Parteien steht in Streit, ob die Kläger schon im September 1994 ihr Vieh in den Stall einbrachten und den Melkbetrieb aufnahmen (so der Beklagte) oder ob sie erst am 24.12.1994 einen provisorischen Melkstand eingerichtet haben.

Am 3.12.1999 beantragten die Kläger beim AG Lüneburg (11 H 14/99) die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Sie machten geltend, dass wegen der Durchlässe in den getrennten Kanalsystemen die flüssige Gülle von einem Kanal in den anderen ausströme und dadurch im ersten Kanal die festen Bestandteile vertorfen würden. Die abpumpbare Gülle weise einen deutlich geringeren Nährgehalt auf. Der vom AG Lüneburg bestellte Sachverständige H. ist im Gutachten vom 11.12.2102 zu dem Ergebnis gelangt, die Kanäle des Güllekellers seien falsch dimensioniert mit der Folge, dass die Fließrichtung abnehme und es zu torfartigen Ablagerungen komme.

Auf der Grundlage des Lösungsvorschlags des Sachverständigen Dr. H. und hierzu eingeholter Kostenvoranschläge haben die Kläger Schadensersatz und Kostenvorschuss begehrt. Mit der Klageschrift haben sie die Bruttoherstellungskosten zur Beseitigung des Mangels auf

171.436,78 EUR

beziffert, darunter

-

Kosten für die Vorbereitung des Kellers (Reinigung pp.)

109.750,61 EUR

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Umbaumaßnahmen

24.086,17 EUR

-

Erstellung eines Ersatzlagerraums wegen Verkleinerung des Kellers

34.000 EUR

-

Tierbetreuung während des...

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