Leitsatz (amtlich)

Verbotene Auszahlungen i.S.d. § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG sind auch Zahlungen des Geschäftsführers der Komplementärin an die GmbH & Co. KG nach Eintritt der Zahlungsfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung. Der Geschäftsführer leistet insbesondere nicht auf eine Verbindlichkeit der GmbH ggü. der KG, da eine solche nach § 128 HGB nicht begründet ist; er erbringt auch keine Zahlung, die später der Insolvenzverwalter der GmbH ohnehin leisten müsste.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 5 O 173/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21.11.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger über die durch das landgerichtliche Urteil rechtskräftig zuerkannten 6.250 EUR hinaus weitere 21.912,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit dem 1.6.2006 zu zahlen.

Dem Beklagten wird vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag decken, welche der durch die verbotswidrige Zahlung begünstigte Insolvenzverwalter der A. GmbH & Co. KG im Insolvenzverfahren der S. GmbH erhalten hätte, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Kläger zu 31 %, der Beklagte zu 69 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 36 %, der Beklagte zu 64 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der S. Geschäftsführungs GmbH (Gemeinschuldnerin), die mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestattet ist; der Beklagte ist Gesellschafter der Gemeinschuldnerin mit einer Stammeinlage i.H.v. 25.000 DM, wovon er die Hälfte gezahlt hat. Der Beklagte ist zudem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und Kommanditist mit einer Haftungseinlage von 200.000 DM der A. GmbH & Co. KG, die ihrerseits Komplementärin der Gemeinschuldnerin ist. Als Liquidatorin beantragte die Gemeinschuldnerin am 20.6.2005 die Insolvenz über das Vermögen der KG. Am Folgetag zahlte die KG 6.250 EUR auf ein Konto der Gemeinschuldnerin; durch diesen Betrag sollte die restliche Stammeinlage des Beklagten gezahlt sein. Des Weiteren überwies die Gemeinschuldnerin am 23.6.2005 fast ihr gesamtes verbleibendes Guthaben (34.412,43 EUR von 35.412,43 EUR) an die KG, über deren Vermögen am 1.9.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Das LG Lüneburg hat der auf Zahlung von 40.662,43 EUR gerichteten Klage stattgegeben. Diese Verurteilung greift der Beklagte mit seiner Berufung in einer Höhe von 34.412,43 EUR an.

 

Entscheidungsgründe

I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Urteil des LG verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung macht der Beklagte geltend, i.H.v. 34.412,43 EUR sei die Verurteilung zu Unrecht erfolgt. Der zugesprochene Anspruch i.H.v. 6.250 EUR für die von ihm zu leistende Stammeinlage werde nicht angegriffen.

Es müsse zunächst berücksichtigt werden, dass mittlerweile vom Kläger die Stammeinlageforderung auch ggü. dem Gesellschafter J.S. eingefordert worden sei. Aufgrund des gegen den Gesellschafter J.S. ergangenen rechtskräftigen Urteils habe dieser - soweit unstreitig - den Betrag von 6.250 EUR an den Insolvenzverwalter gezahlt. Auch im Übrigen sei ein Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG jedoch nicht gegeben, da diese Norm lediglich verhindern solle, dass einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt würden. Vorliegend habe die von ihm vorgenommene Zahlung am 23.6.2005 jedoch nicht zu einer Verkürzung von Gläubigerrechten geführt. Denn da eine Insolvenzmasse der KG von nahezu 100.000 EUR vorhanden gewesen sei, hätte - nach Tilgung der Massekosten aus dem vorhandenen Vermögen - der gesamte der KG zugeflossene Betrag zur Befriedigung der Gläubiger der Kommanditgesellschaft herangezogen werden können, sodass kein Gläubiger aufgrund der Zahlung eine Quotenminderung hätte hinnehmen müssen. Die Zahlung habe daher der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG entsprochen. Auf eine unterbliebene, gebotene Separierung der Vermögensmassen könne sich der Kläger nicht berufen, da er in beiden Insolvenzverfahren zum Verwalter ernannt worden sei. Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, er habe nicht vorbehaltlos verurteilt werden dürfen. Soweit eine Verurteilung nach § 64 Abs. 2 GmbHG erfolge, stehe dies unter dem Vorbehalt der Einforderung des diesbezüglichen Gegenanspruchs des Beklagten gegen die Insolvenzmasse, damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse der GmbH komme. ...

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