Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen des Abschlusses eines Darlehensvertrages sind für eine Bank jedenfalls diejenigen Umstände "erkennbar", die vor Abschluss eines solchen Vertrages üblicherweise erfragt werden. Gewährt die Bank einen Kredit, ohne sich um die beabsichtigte Verwendung des Darlehens zu kümmern, das zwei Ehegatten als "Darlehensnehmer" abschließen, so ist sie darlegungs- und beweispflichtig für ihren Vortrag, dass beide Ehegatten an der Verwendung der Darlehensvaluta ein eigenes persönliches und/oder wirtschaftliches Interesse haben und über die Verwendung als gleichberechtigte Partner bestimmen.

2. Das gilt auch dann, wenn die Darlehensvaluta zur Renovierung des von Ehegatten gemeinsam bewohnten Hauses verwendet werden soll. Es gibt keine Vermutung dafür, dass ein solches Haus im gemeinschaftlichen Eigentum steht.

3. Eine Bank kann eingehende Zahlungen nicht gem. § 366 Abs. 2 Alt. 2 BGB auf eine Schuld verrechnen, deren Rückzahlung deshalb weniger sicher ist, weil die Erklärung über die Mithaft des Ehegatten wegen krasser finanzieller Überforderung sittenwidrig und damit nichtig ist.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 2 O 234/03)

 

Tenor

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, dass der Beklagten aus einem Darlehensvertrag vom 20.1.1997 keine Ansprüche gegen sie zustehen. Mit ihrer in der Berufungsinstanz erhobenen Widerklage nimmt die Beklagte die Klägerin auf Zahlung der noch offenen Valuta in Anspruch.

Die Beklagte gewährte dem Ehemann der Klägerin in den Jahren 1992, 1993, 1996 und 1997 insgesamt vier Kredite, wobei die Klägerin die entsprechenden Kreditverträge jeweils als "2. Kreditnehmer" unterschrieb:

Die mit Vertrag vom 22.1.1992 gewährten 9.000 DM wandten die Klägerin und ihr Ehemann für ihre allgemeine Lebensführung auf. Mit Vertrag vom 1.12.1993 wurde die Restschuld i.H.v. 6.970,99 DM aufgelöst und in ein neues Darlehen überführt, mit dem weitere 11.000 DM gewährt wurden. Diese 11.000 DM nutzte der Ehemann der Klägerin, um das in seinem Alleineigentum stehende Wohnhaus zu renovieren, in dem die Eheleute gemeinsam lebten.

Unter dem 26.7.1996 wurde der Restbetrag des Darlehens aus dem Jahre 1993 i.H.v. 12.996,01 DM aufgelöst und in ein drittes Darlehen überführt, mit dem die Beklagte einen zusätzlichen Kredit gewährte. Dieser wurde verwandt, um ein weiteres Haus zu renovieren, das ebenfalls im Alleineigentum des Ehemanns der Klägerin stand.

Schließlich löste die Beklagte die noch bestehende Restschuld von 31.002,10 DM erneut auf und überführte sie am 20.1.1997 in ein viertes Darlehen, das nochmals zu einer Krediterhöhung um 18.000 DM führte. Die Verwendung dieses Betrages ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe für die Darlehen lediglich die Mithaft übernommen; echte Darlehensnehmerin sei sie nicht. Die Mithafterklärung sei angesichts ihrer krassen finanziellen Überforderung gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Die Klägerin hat daher Feststellung begehrt, dass der Beklagten gegen sie keine Ansprüche zustünden.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe den Darlehensvertrag vom 20.1.1997 der Sache nach nicht als Darlehensnehmerin unterschrieben, sondern lediglich eine Mithaftungserklärung abgegeben. Diese sei gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Die Mithaft habe die einkommens- und vermögenslose Klägerin krass überfordert. Unter diesen Voraussetzungen obliege es der Beklagten, darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, dass die Mithaftung nicht lediglich aus emotionaler Verbundenheit eingegangen worden sei. Das sei der Beklagten nicht gelungen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie zugleich Widerklage mit dem Ziel erhebt, die Klägerin zur Zahlung der noch offenen Valuta aus dem genannten Darlehensvertrag zu verurteilen.

Die konkrete Verwendung eines Darlehensbetrages liege nicht im Verantwortungsbereich der Bank. Diese könne davon ausgehen, dass Eheleute, die einen entsprechenden Vertrag gemeinsam abschlössen, auch zusammen über die Valuta verfügten. Dies gelte erst recht, wenn Eheleute einen Kredit zur Renovierung des gemeinsam bewohnten Hauses aufnähmen, und zwar unabhängig davon, wer Eigentümer des Hauses sei. In jedem Fall hätten die Renovierungen den Wert der Häuser erhöht, und damit den der Klägerin ggf. zustehenden Anspruch auf Zugewinnausgleich.

Damit sei die Klägerin zum Ausgleich des der Höhe nach unstreitigen offenen Saldos aus dem zwischenzeitlich gekündigten Kredit verpflichtet.

Die Beklagte beantragt daher, die Klägerin zu verurteilen, an sie 7.021,34 Euro nebst Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2004 aus 4.397,75 Euro zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Einwendungen der Beklagten rechtfertigten keine andere Beurteilung.

Die...

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