Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung. Abstammungsrecht: Anspruch auf gerichtliche Ersetzung der Einwilligung in die genetische Abstammungsuntersuchung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch aus § 1598a BGB auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung und zur Duldung der für die Untersuchung erforderlichen Probeentnahmen ist bewußt niederschwellig ausgestaltet. Er gilt unbefristet und ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden. Materiell-rechtlich findet auf ihn lediglich die allgemeine Schranke mißbräuchlicher Rechtsausübung Anwendung.

2. Ein Klärungsbedarf entfällt nicht schon dadurch, dass der Antragsteller (Scheinvater und ehemaliger Ehemann der Kindesmutter) bisher auf eine Vaterschaftsanfechtung verzichtet hat.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1598a, 1600b

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Beschluss vom 30.06.2009)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsge-richts - Familiengericht - Düsseldorf vom 30.6.2009 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Einwilligung der Antragsgegnerinnen in eine genetische Abstammungsuntersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung der Antragsgegnerin zu 2. wird ersetzt.

2. Die Duldung einer nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführten Entnahme einer für die genetische Abstammungsuntersuchung gem. Ziff. 1. geeigneten genetischen Probe durch die Antragsgegnerinnen wird angeordnet.

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zur Duldung der Probenentnahme gem. Ziff. 2. wird jeder Antragsgegnerin die Ver-hängung von Zwangsgeld i.H.v. jeweils bis zu 1.000 EUR angedroht.

II. Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller zu 1/2 und die Antragsgegne-rinnen jeweils zu 1/4. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

III. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR fest-gesetzt.

Die zulässige befristete Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt zur Ersetzung der Einwilligung der Antragsgegnerinnen in eine genetische Abstammungsuntersuchung und zur Anordnung der Duldung der hierzu erforderlichen Probenentnahmen durch die Antragsgegnerinnen (§ 1598a Abs. 2 BGB).

 

Gründe

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung und zur Duldung der für die Untersuchung erforderlichen Probenentnahmen sind erfüllt. Der Anspruch aus § 1598a BGB ist nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 16/6561, 12) bewusst niederschwellig ausgestaltet. Er gilt unbefristet und ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden. Auf ihn findet materiell-rechtlich lediglich die allgemeine Schranke missbräuchlicher Rechtsausübung Anwendung (BT-Drucks. 16/651, a.a.O.).

Ob dem Wortlaut des § 1598a Abs. 1 S. 1 BGB ("zur Klärung") entnommen werden kann, dass ein Einwilligungsanspruch nur gegeben ist, wenn zwischen den Beteiligten in irgendeiner Weise Unklarheit über die Abstammung des Kindes besteht, kann hier offen bleiben. Jedenfalls entfällt ein Klärungsbedarf nicht schon dadurch, dass zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und dem Antragsteller ausweislich des in Kopie vorliegenden Verbundurteils des AG Düsseldorf vom 10.11.2000 (265 F 552/99) im Scheidungsverbundverfahren unstreitig gewesen ist, dass die Antragsgegnerin zu 2. nicht von ihm abstammt. Denn Gewissheit über die Abstammung kann letztlich nur eine genetische Abstammungsuntersuchung bringen, wenn - wie hier - eine leibliche Vaterschaft des rechtlichen Vaters nicht sonstwie ausgeschlossen werden kann. Dass der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1. erst nach dem Ende der für die Geburt der Antragsgegnerin zu 2. maßgeblichen gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt haben und die Antragsgegnerin zu 1. zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war, ist nicht feststellbar. Insoweit stehen sich die Angaben des Antragstellers und der Antragsgegnerin zu 1. beweislos gegenüber. Die unterbliebene Vaterschaftsanfechtung sowie die Angaben des Antragstellers im Scheidungsverbundverfahren sind durch die damalige Interessenlage des Antragstellers erklärlich. Diese Umstände führen nicht dazu, von einer anderweitig erfolgten Klärung der Abstammung, die eine genetische Abstammungsuntersuchung erübrigen würde, auszugehen.

Eine missbräuchliche Rechtsausübung durch den Antragsteller ist aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht gegeben. Die Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Interessen wird höchst selten gegen Treu und Glauben verstoßen (Wellenhofer, Das neue Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren, NJW 2008, 1185, 1187). Im vorliegenden Fall ist die Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung zudem schon deshalb nicht schikanös, weil ein Vaterschaftsgutachten angesichts der fortbestehenden rechtlichen Vaterschaft Klarheit im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und A-M schaffen ...

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