Leitsatz (amtlich)

Bei der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen hindert die Vollstreckung einer die Zweijahresgrenze übersteigenden Freiheitsstrafe nicht die Anwendung des Erstverbüßerprivilegs gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB hinsichtlich der weiteren im Anschluss vollstreckten, zwei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafen.

 

Normenkette

StGB § 57 Abs. 2 Nr. 1; StPO § 454b Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-2

 

Tenor

  1. Die angefochtenen Entscheidungen werden aufgehoben.
  2. Die Vollstreckung der Strafreste aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 22. Januar 2007 (59 Ls 398/06), aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Januar 2008 (33 Ns 118/07), aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 28. April 2010 (3 Ds 697/08), aus dem Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 4. Juni 2012 (30 Ds 286/08) und aus dem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2013 (29 Ns 67/13) wird zur Bewährung ausgesetzt.
    1. Die Bewährungszeit beträgt vier Jahre.
    2. Der Verurteilte wird angewiesen, festen Wohnsitz zu nehmenund jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 46533 Kleve, zu den Aktenzeichen 166 StVK 86/17, 166 StVK 91/17, 166 StVK 100/17, 166 StVK 108/17 und 166 StVK 131/17 schriftlich mitzuteilen.
    3. Der Verurteilte wird für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines von der Strafvollstreckungskammer namentlich noch zu benennenden Bewährungshelfers unterstellt, den er nach dessen näherer Weisung mindestens einmal monatlich aufzusuchen hat.
    4. Der Verurteilte darf seine Arbeitsstelle nicht ohne Rücksprache mit dem Bewährungshelfer aufgeben oder wechseln und hat der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Kleve jede Aufgabe und jeden Wechsel seiner Arbeitsstelle unverzüglich zu den Aktenzeichen 166 StVK 86/17, 166 StVK 91/17, 166 StVK 100/17, 166 StVK 108/17 und 166 StVK 131/17 schriftlich mitzuteilen.
    5. Der Vorsitzende überträgt die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Aussetzung der Strafreste zur Bewährung, dieDauer der Bewährungszeit, die Weisungen sowie über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung der Justizvollzugsanstalt Moers-Kapellen.
  3. Die Kosten der Beschwerdeverfahren und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
 

Gründe

I.

Der Verurteilte befindet sich seit dem 14. Oktober 2011 zur Verbüßung mehrerer (Gesamt-)Freiheitsstrafen erstmals im Strafvollzug.

Mit Urteil des Amtsgerichts Essen vom 22. Januar 2007 (59 Ls 398/06) ist er rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Nach demWiderruf der Strafaussetzung hat der Verurteilte die Hälfte dieser Strafen bis zum 7. Juni 2014 bzw. bis zum 7. Juni 2015 verbüßt. Die Zwei-Drittel-Termine sind auf den 9. Dezember 2017 und den 10. April 2018 notiert.

Mit Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Januar 2008 (33 Ns 118/07) ist gegen den Verurteilten eine Freiheitstrafe von einem Jahr, zunächst mit Strafaussetzung zur Bewährung, verhängt worden. Nach erfolgtem Bewährungswiderruf hat der Verurteilte die Hälfte dieser Strafe bis zum 23. Oktober 2013 verbüßt. Der Zwei-Drittel-Termin ist auf den 23. September 2017 notiert.

Von einer mit Urteil des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 28. April 2010 (3 Ds 697/08) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten hat der Verurteilte bis zum 23. Dezember 2012 zwei Drittel verbüßt.

Von einer weiteren mit Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 4. Juni 2012 (30 Ds 286/08) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten hat der Verurteilte bis zum 24. August 2012 die Hälfte verbüßt. Der Zwei-Drittel-Termin ist auf den 25. Juli 2017 notiert.

Schließlich ist mit Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2013 (29 Ns 67/13) eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten gegen den Verurteilten verhängt worden. Die Vollstreckung dieser Strafe ist zum Zwei-Drittel-Termin am 6. April 2017 unterbrochen worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer dieAussetzung der Vollstreckung der Strafreste zur Bewährung mangels Vorliegens besonderer Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB abgelehnt, bei weiterhin guter Führung jedoch eine vorzeitige Entlassung zum gemeinsamem Zwei-Drittel-Termin in Aussicht gestellt.

Mit den sofortigen Beschwerden richtet sich der Verurteilte gegen die Ablehnung der sofortigen Strafaussetzung.

II.

Die zulässigen sofortigen Beschwerden sind begründet.

Die Aussetzung der Vollstreckung der Strafreste kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit gem. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB verantwortet werden.

1.

Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer setzt die vorzeitige Entlassung im hier zu entscheidenden Fall nicht das Vorliegen besondererUmstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB voraus.

Zwar ist zutreffend, dass der Z...

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