Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung: Anforderungen an eine qualifizierte Container-Signatur ab 1.1.2018

 

Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 4 Abs. 2 ERVV dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden. Die Übermittlung mit einer Container-Signatur genügt mithin nicht mehr den Anforderungen aus §§ 130a Abs. 3 Alt. 1 ZPO n.F., 4 Abs. 2 ERVV (BSG NJW 2018, 2222; BAG NJW 2018, 2978). Das entspricht im Übrigen auch dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers, wonach es gemäß § 4 Abs. 2 ERVV künftig ausgeschlossen sei, mehrere elektronische Dokumente mit einer einzigen qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Diese Einschränkung sei geboten, weil anderenfalls eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren regelmäßig nicht mehr möglich wäre (BR-Drs. 645/17; Seite 15 zu § 4).

 

Normenkette

ZPO § 130 a

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 03.05.2018; Aktenzeichen 4 O 47/17)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 15.05.2019; Aktenzeichen XII ZB 573/18)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das am 3. Mai 2018 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Marburg wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Mai 2018 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Marburg wird auf seine Kosten verworfen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Betriebskosten aus einem Gewerberaummietvertrag in Anspruch, nachdem sie durch Erwerb des Eigentums an der Immobilie in den Mietvertrag eingetreten war. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 48.449,59 EUR nebst gestaffelter Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB verurteilt. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. Mai 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Berufungsschrift ist von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter Verwendung des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs übersandt worden und am 18. Juni 2018 um 11:36 Uhr auf Server des Empfangsgerätes des Oberlandesgerichts eingegangen. Der Transfervermerk weist Anhänge aus (und zwar den Berufungsschriftsatz und ein "Scan" der angefochtenen Entscheidung) versehen mit einer einheitlichen Signatur des Prozessbevollmächtigten der Beklagten.

Nach Eingang der Berufungsbegründung am 22. August 2018 und Bearbeitung durch den Senatsvorsitzenden ist die Beklagte mit Verfügung vom 5. September 2018 darauf hingewiesen, dass die Übermittlung der Berufungsbegründung über das EGVP nicht den Voraussetzungen des § 130a ZPO in der seit dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung entsprechen dürfte und das auch für den am 18. Juni 2018 eingegangenen Berufungsschriftsatz gelte.

Mit Schriftsatz vom 13. September 2018 hat die Beklagte vorsorglich "Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist" beantragt. Sie macht geltend, bis zur Einführung des besonderen Anwaltspostfachs am 3. September 2018 dürfe die Nutzung des seit Jahren zulässigen Weges zulässig und die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zu verwerfen sein. Sie sei jedenfalls unverschuldet gehindert gewesen, rechtzeitig "die Schriftsätze einzulegen". Es habe nicht vermutet werden können, dass eine seit Jahren geübte und erfolgreiche Praxis plötzlich nicht mehr habe angewandt werden dürfen. Hierzu sei eine Information des Senats über eine geänderte Rechtsauffassung erforderlich. Seit 2016 habe ihr Prozessbevollmächtigter Schriftsätze durch Container-Signatur übermittelt. Im Laufe des Jahres 2007 habe er die Container-Signatur dahingehend modifiziert, dass kein Container im engeren Sinn bereitgestellt worden sei, in welchen Schriftsätze für verschiedene Verfahren eingelegt worden seien. Jeder Container habe nur einen Schriftsatz für ein Verfahren enthalten, weshalb die elektronische Signatur mit dem Schriftsatz zusammenfalle. Der Gesetzgeber habe nichts gegen die Containersignatur, wenn der Container nur einen Schriftsatz enthalte, was vorliegend der Fall sei. Aufgrund der Rechtslage habe sich ihr Prozessbevollmächtigter "im sicheren Bereich wähnen dürfen". Auch ein Hinweis der Rechtsanwaltskammer Stadt1 vom November 2017 habe darauf aufmerksam gemacht, dass Probleme nur entstünden, wenn mehrere Schriftsätze zu verschiedenen Verfahren in einem Container mit einer Signatur übersendet würden. Davon abgesehen verlange das Bundesozialgericht angesichts der derzeitigen äußeren Rahmenbedingungen eine unverzügliche gerichtliche Reaktion auf eine vermeintliche fehlerhafte Signatur. Die Berufungsbegründung sei am 17. August 2018 bei Gericht eingegangen, weshalb das Gericht schon an diesem Tag auf die nicht formgerechte Übersendung hätte hinweisen können. Außerdem sei die Berufungsbegründung am 17. August 2018 auch auf dem Postweg versandt worden, was durch eidesstattliche Versicherung...

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