Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendbarkeit des SchVG 2009 auf Inhaberschuldverschreibungen einer ausländischen Emittentin, die vor dem 5.8.2009 ausgegeben wurden

 

Leitsatz (amtlich)

Gläubiger einer vor dem 5.8.2009 im Ausland ausgegebenen Schuldverschreibung, die nach deutschem Recht begeben sind, können nicht durch Mehrheitsentscheidung eine Änderung der Anleihebedingungen herbeiführen, die ihre Schuldverschreibungen dem SchVG 2009 unterstellt ("Opt-in").

 

Normenkette

AEUV Art. 63 Abs. 1; AktG § 246a; GG Art. 9 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; SchVG 2009 § 1 Abs. 1, §§ 4, 5 Abs. 4, §§ 20, 24 Abs. 2

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die ... Antragstellerin, ein Tochterunternehmen eines deutschen börsennotierten ... unternehmens, begab im Jahr 2007 mit einer Mindeststückelung von 50.000 EUR eine (Hybrid-) Anleihe, in deren Bedingungen deutsches Recht vereinbart wurde - mit Ausnahme einer Regelung in § 2a, die niederländischem Recht unterstellt wurde. Dort ist die Rangstellung der Rechte gegenüber anderen Gläubigern der Emittentin geregelt, das Fehlen von Sicherheiten beschrieben und ein beiderseitiges Aufrechnungsverbot behandelt. Die am 27.4.2007 emittierten Inhaberschuldverschreibungen, in einer Globalurkunde verbrieft, hatten ein Volumen von 275 Mio. EUR. Sie weisen keine feste Laufzeit aus und können ab August 2014 von der Antragstellerin gekündigt werden. Das ... unternehmen garantierte für die Rückzahlung der Anleihe.

In einer Gläubigerversammlung vom 20.6.2011, deren ordnungsgemäße Einberufung streitig ist, wurden unter Anwesenheit von Gläubigern, die zusammen mehr als 50 % der Anleihe besaßen (Präsenzquote), mehrere Beschlüsse gefasst, jeweils mit Mehrheiten von mehr als 85 % (Abstimmungsquote). Mit dem Beschluss zu TOP 4 wurde so die Änderung der Anleihebedingungen sowie der von der Konzernmutter abgegebenen Garantie dahin beschlossen, dass hierzu Mehrheitsentscheidungen nach dem SchVG 2009 ermöglicht sein sollten. Außerdem wurde unter TOP 5 und 7 ein Umtausch der Schuldverschreibungen in Erwerbsrechte auf Aktien der Garantin beschlossen und unter TOP 6 ein gemeinsamer Vertreter der Wertpapiergläubiger bestellt. Die an verschiedenen deutschen Börsen gehandelten Anleihen hatten zu diesem Zeitpunkt einen Kurs von deutlich weniger als 10 % ihres Nominalwerts (Wert vom 25.8.2011: 2,4 %), weil die Konzernmutter als Garantin der Anleihe in eine finanzielle Schieflage geraten war. Zur Sanierung der Garantin war u.a. vorgesehen, dass die sonstigen Darlehensgeber auf 40 % ihrer Forderungen verzichten sollten und hierfür aus einer Kapitalerhöhung junge Aktien gegen Zahlung unterschiedlich hoher Beträge erhalten sollten.

Gegen die Beschlüsse haben die Antragsgegner Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigkeitserklärung erhoben, denen das LG Frankfurt/M. unter 3/4 5 O 45/11 inzwischen im Wesentlichen entsprochen hat, weil das SchVG 2009 wegen der gespaltenen Rechtswahl nicht anzuwenden sei.

Die Antragstellerin begehrt die Freigabe der gefassten Beschlüsse, auch soweit dazu Nichtigkeitsgründe eingewandt seien. Sie bestreitet, dass die Antragsgegner jeweils Schuldverschreibungen halten, sieht das SchVG 2009 für anwendbar und die Freigabevoraussetzungen für gegeben. Ein vorrangiges Vollzugsinteresse bestehe, weil die Schuldnerin - wie die Garantin - ohne die Restrukturierung insolvent werde.

Die Antragsgegner bekämpfen die gefassten Beschlüsse uneinheitlich mit verschiedenen Einwänden: § 24 Abs. 2 SchVG 2009 gelte nicht für Auslandsanleihen. Das Gesetz sei als rückwirkend verfassungswidrig, könne aber hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil für die Schuldverschreibungen nicht ausschließlich deutsches Recht gälte. Die Beschlussfassung zu TOP 5 bis 7 setze eine wirksame vorherige Änderung der Anleihebedingungen voraus, die erst mit einer Umschreibung der Sammelurkunde eintrete. Den Anleihegläubigern sei keine ausreichende Information über die Verschuldung und Zahlungsfähigkeit der Antragstellerin und ihrer Garantin erteilt worden.

Das LG hat mit der angefochtenen Entscheidung den Antrag als unstatthaft zurückgewiesen. Das SchVG 2009 sei nicht anzuwenden, weil die Schuldverschreibungen sich nicht ausschließlich nach deutschem Recht richteten. Auf den Beschluss vom 27.10.2011 wird zu den Einzelheiten verwiesen (Bl. 699 ff. d-A.).

Gegen den am 31.10.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 3.11.2011 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das LG nicht abgeholfen hat. Auf die am 2.12.2012 eingereichte Beschwerdebegründung wird verwiesen. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Anwendung des § 24 Abs. 2 SchVG 2009 bestehen, soweit Altanleihen betroffen sind, die nicht schon zuvor dem Mehrheitsprinzip nach dem SchVG 1899 unterfielen. Auf die Stellungnahme der Antragstellerin und die von der Ant...

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