Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.01.1999; Aktenzeichen 2/7 O 406/97)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.09.2002; Aktenzeichen I ZR 89/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.1.1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. – Einzelrichter – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt,

  1. der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche Anlagen und/oder Versicherungsgeschäfte er in der Zeit vom 1.1.1996 bis 31.3.1996 für die … die …(versicherung) sowie den … getätigt hat unter Angabe von Art, Anzahl, Vertragsnummern und Laufzeiten der Geschäfte;
  2. an die Klägerin 2.196,18 DM nebst 10 % Zinsen aus 428,69 DM für die Zeit vom 10.9.1996 bis 17.10.1996 aus 766,92 DM für die Zeit vom 18.10.1996 bis zum 31.1.1997, aus 1.312,54 DM für die Zeit vom 1.2.1997 bis zum 20.1.1998 und aus 2.196 seit 21.1.1998 sowie 20,– DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziff.1 genannten Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird, jedoch nur soweit der Schaden 5.000,– DM übersteigt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin im übrigen sowie die Anschlußberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5. Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 5.000,– DM; der Wert der Beschwer des Beklagten beträgt 5.196,– DM.

 

Tatbestand

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel der Parteien sind zulässig; in der Sache hat jedoch lediglich die Berufung der Klägerin zum Teil Erfolg.

I. Die Anschlußberufung des Beklagten, mit der er unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach sittenwidrigen Verträge Klageabweisung in vollem Umfang begehrt, bleibt ohne Erfolg. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, waren die Verträge nicht insgesamt unwirksam, mit der Folge, daß das Vertragsverhältnis der Parteien erst am 31.3.1996 endete.

Weder die Mitarbeiterverträge vom 21.6./10.8.1993 und 1.3./29.3.1994 noch der Zusatzvertrag für Führungskräfte vom 3.4./7.4.1995 sind nach § 138 BGB nichtig. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann das Strukturvertriebssystem der Klägerin nicht als ein der Rechtsordnung zuwiderlaufendes Vertriebssystem der progressiven Kundenwerbung qualifiziert werden. Insbesondere liegt kein sittenwidriges Schneeballsystem vor. Bei einem solchen erhält der Käufer gegen Entgelt eine Ware, deren Bezahlung ihm bei Werbung einer bestimmten Zahl anderer Kunden, die ihrerseits unter denselben Voraussetzungen in das System eingegliedert werden, ganz oder teilweise erlassen wird. Die dem System zugrundeliegende mathematische Gesetzmäßigkeit, darstellbar als geometrische Reihe, läßt den Abnehmerkreis lawinenartig anschwellen, macht die Kundenwerbung progressiv. Vertriebssysteme, die darauf angelegt sind, daß die meisten Teilnehmer deswegen, weil sie die Bedingungen – wegen der Verengung des Marktes – nicht erfüllen können, ihren Einsatz verlieren, sind nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (BGH NJW 97, 2314 f; OLG München, NJW 86,1880f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 1999, § 1 UWG, Rdnr. 172 a).

Soweit der Beklagte als bloßer Mitarbeiter der Klägerin gegen Provisionszahlung Kapitalanlagen und Versicherungsverträge verschiedener Anbieter zu vermitteln und die gewonnenen Kunden zu betreuen hatte, gibt es keinen Ansatzpunkt für Sittenwidrigkeit. Aber auch soweit der Beklagte als Führungskraft Personen als Mitarbeiter zu werben, auszubilden und zu führen hatte, fehlt es an den Hauptmerkmalen für die Einstufung der vertraglichen Bindung als sittenwidrige progressive Kundenwerbung.

Es mangelt zunächst am „Verlust des Einsatzes”, dem Hauptaspekt des gegen § 138 BGB verstoßenden Schneeballsystems. Daß der Beklagte als Mitarbeiter der Klägerin bzw. als Führungskraft die mit seinem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Kosten selbst zu tragen hat, kann nicht als systembedingter verlorener Einsatz angesehen werden. Zum einen bedarf jede selbständige oder auch nur teilselbständige Tätigkeit gewisser Investitionen auch materieller Art. Inwieweit diese wieder hereingeholt werden können, ist dem unternehmerischen Risikobereich zuzuordnen. Zum anderen waren die vom Beklagten aufzuwendenden Kosten der Mitarbeiterwerbung und -ausbildung nicht grundsätzlich verloren, sondern wurden zu dem Zweck künftiger Gewinnerzielung eingesetzt. Denn systemimmanent sollte der Beklagte an den von seinen Mitarbeitern getätigten Umsätzen seinerseits in Form von Provisionsanteilen partizipieren. Daß die von ihm zunächst aufzuwendenden Kosten in der Anfangsphase, in der die noch auszubildenden Mitarbeiter noch wenig Umsätze brachten, verhältnismäßig hoch waren, ist als normale Anlaufschwierigkeit anzusehen. Daß hier nachhaltige Fortschritte nicht ...

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