Leitsatz (amtlich)

Zur rechtlichen Qualifikation des § 767 ZPO.

 

Normenkette

BGB §§ 793, 797

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-21 O 393/02)

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Urkundsverfahren Auszahlung der Nennbeträge und der Zinsen aus fälligen beziehungsweise gekündigten Inhaber-Teilschuldverschreibungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des LG Frankfurt/M. vom 21.3.2003 (Blatt 159 der Akten) verwiesen.

Das LG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger insgesamt 184.065,06 EUR nebst vertraglicher Zinsen aus namentlich bezeichneten effektiven Stücken der Inhaber - Teilschuldverschreibungen der Anleihen mit den Wertpapierkennnummern (WKN)...,... und ... zu zahlen. Die Klage sei zulässig. Die Beklagte habe in den Anleihebedingungen auf ihre Immunität verzichtet. Die Forderungen seien nicht von den Bestimmungen des sog. "IWF - Übereinkommens" erfasst und daher klagbar. Der Kläger habe durch Vorlage der effektiven Stücke nachgewiesen, Inhaber der Teilschuldverschreibungen zu sein. Er habe die Schuldverschreibungen - sofern sie noch nicht fällig gewesen seien - wirksam gekündigt. Die von der Beklagten nach § 797 BGB erhobene Einrede führe nicht zu einer Zug um Zug Verurteilung, weil die Aushändigungspflicht des Wertpapierinhabers lediglich eine besondere Art der Ausgestaltung des Rechts auf Quittung sei.

Die Beklagte könne dem Kläger nicht entgegenhalten, dass sie sich in einem völkerrechtlich beachtlichen Staatsnotstand befinde. Diese Einwendung sei ihr jedenfalls im Erkenntnisverfahren verwehrt. Die Voraussetzungen des Staatsnotstands seien von ihr nicht dargelegt. Das LG hat der Beklagten vorbehalten, ihre Rechte im Nachverfahren auszuführen.

Mit ihrer Berufung wirft die Beklagte dem LG vor, das es die Voraussetzungen des Staatsnotstands falsch bewertet und übersehen habe, dass ihre Einrede schon im Erkenntnisverfahren zu beachten sei. Das LG habe sich über die Notstandsgesetzgebung Argentiniens hinweg gesetzt.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise für den Fall einer Zug um Zug - Verurteilung festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in den Klageanträgen genannten Wertpapiere im Annahmeverzug befindet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte habe sich von Anfang an nicht in einem unverschuldeten Staatsnotstand befunden.

Der Senat hat durch Beschluss vom 10.7.2003 die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil ohne Sicherheitsleistung eingestellt und die Rechtssache dem BVerfG vorgelegt, um dort klären zu lassen, ob der von der Beklagten ausgerufene Staatsnotstand sie berechtigen kann, fällige Zahlungsverpflichtungen auch ggü. Privatgläubigern zu verweigern (Blatt 290 bis 292 d.A.). Durch Beschluss vom 27.1.2005 hat der Senat den vorangegangenen Beschluss dahingehend abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 240.000 EUR eingestellt bleibt (Blatt 773 bis 777 d.A.). Durch Beschluss vom 29.5.2006 hat der Senat den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 10.7.2003 aufgehoben und das BVerfG gebeten, die Verfahrensakten zurückzusenden (Blatt 897 bis 898 der Akten). Das BVerfG hat darauf festgestellt, dass sich das Verfahren erledigt hat (Bl. 1233 f. d.A.).

II. Das Rechtsmittel der Beklagten ist in der Hauptsache nicht begründet. Mit Recht hat das LG die Beklagte verurteilt, an den Kläger die Nominalbeträge aus den streitgegenständlichen Inhaber - Schuldverschreibungen sowie die vertraglich zugesagten Zinsen zu zahlen. Das Urteil muss nur insoweit abgeändert werden, als die Beklagte lediglich Zug um Zug gegen Aushändigung der Urkunden leisten muss. Aufgrund eines wörtlichen Angebotes des Klägers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.1.2003 ist die Beklagte mit der Annahme der Urkunden in Verzug geraten. Dazu im Einzelnen:

1. Die Klage ist zulässig. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 13.6.2006 (Az.: 8 U 107/03, NJW 2006, 2931) im Einzelnen begründet, warum die Bestimmungen des sog. IWF-Übereinkommens der Klage nicht entgegenstehen. Darauf wird verwiesen.

2. Der Kläger hat vor dem LG nachgewiesen, dass er Inhaber der streitbefangenen effektiven Stücke der Inhaberteilschuldverschreibungen und der o.g. Zinsscheine ist. Die Berufungsbegründung zeigt keine Anhaltspunkte auf, die Zweifel an den Tatsachenfeststellungen des LG erwecken könnten. Die Zahlungsansprüche des Klägers ergeben sich aus § 793 BGB i.V.m. den jeweiligen Anleihebedingungen.

Die Beklagte kann ihre Zahlungsverweigerung nicht mit dem vermeintlich fortbestehenden Staatsnotstand begründen. Das BVerfG hat zwischenzeitlich entschieden, dass ein Staat die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche ggü. Privatpersonen nicht unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand verw...

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