Verfahrensgang

AG Hamburg-Harburg (Aktenzeichen 631 F 251/17)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Familiengerichts Hamburg-Harburg vom 29. Januar 2018, Gesch.-Nr. 631 F 251/17, geändert:

Die elterliche Sorge für die Kinder J..., geb. 14. November 2003, J..., geb. 17. Oktober 2004, und R..., geb. 30. Mai 2009, wird in Abänderung der mit Beschluss des Familiengerichts Hamburg-Harburg vom 24. Juni 2015, Gesch.-Nr.: 631 F 431/14, teilweise geändert durch Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 8. August 2017, Gesch.-Nr. 12 UF 162/15, getroffenen Anordnung auch im Übrigen auf die Mutter übertragen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

III. Den Eltern wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt. Der Mutter wird Rechtsanwältin P..., dem Vater wird Rechtsanwalt B... beigeordnet.

IV. Beschwerdewert: 3.000,- EUR

 

Gründe

I. Mit Beschluss des Beschwerdegerichts vom 8. August 2017, Gesch.-Nr. 12 UF 162/15, war eine Entscheidung des Familiengerichts vom 24. Juni 2015, mit der den Eltern das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht sowie das Recht zur Regelung der ärztlichen Versorgung für ihre Kinder J..., J... und R... entzogen und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen worden war, teilweise dahingehend abgeändert worden, dass die Entziehung der genannten Teilbereiche in Bezug auf die Mutter aufgehoben wurde. In Bezug auf den Vater verblieb es bei der vom Familiengericht getroffenen Anordnung. Dies hatte zur Folge, dass die Mutter seitdem das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht sowie das Recht zur Regelung der ärztlichen Versorgung für die Kinder allein ausübt.

Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens beantragt die Mutter nunmehr die Übertragung der elterlichen Sorge für die Kinder insgesamt. Der Vater möchte die insoweit bestehende gemeinsame elterliche Sorge beibehalten und hat der Mutter im Anhörungstermin eine umfassende Vollmacht für sämtliche Bereiche der elterlichen Sorge erteilt.

Daraufhin hat das Familiengericht den Antrag der Mutter mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zwar habe der Vater keinen Kontakt zu den Kindern und nehme an ihrem Leben nicht teil, jedoch könne die Mutter aufgrund der Vollmacht alle Entscheidungen für die Kinder allein treffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Vater die Vollmacht in rechtsmissbräuchlicher Weise widerrufen werde, bestünden nicht. Auf den Beschluss wird zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen.

Gegen den am 5. Februar 2018 zugestellten Beschluss wendet sich die Mutter mit der am 2. März 2018 eingegangenen Beschwerde, mit der sie an ihrem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt festhält. Das Jugendamt unterstützt die Beschwerde der Mutter. Die Mutter habe es in einem therapeutisch begleiteten Prozess gelernt, sich aus der von exzessiver körperlicher Gewalt geprägten Beziehung zu lösen und gleichzeitig für ihre Kinder eine verlässliche Erziehungsperson zu bleiben. Es könne ihr nicht erneut zugemutet werden, sich weiter mit dem Kindesvater auseinandersetzen zu müssen.

Der Vater verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er räumt ein, das keine Kommunikation der Eltern stattfinde und aus Kindeswohlgründen auch nicht wünschenswert sei. Die Mutter sei mit der ihr erteilten Vollmacht jedoch voll handlungsfähig und habe auch im Anhörungstermin trotz entsprechender Gelegenheit nicht darauf hingewiesen, dass sie die Vollmacht nicht akzeptiere.

Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 17. April 2018 Gelegenheit gegeben worden, zur beabsichtigen Entscheidung und die Gründe hierfür Stellung zu nehmen. Auf die Stellungnahme des Vaters vom 23. April 2018 wird verwiesen.

II. Die Beschwerde der Mutter ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. In der Sache ist sie begründet und führt zur antragsgemäßen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und - in Abänderung der bisherigen Sorgerechtsregelung - zur Übertragung der elterlichen Sorge für die Kinder auf die Mutter gem. §§ 1696 Abs. 1, 1671 Abs. 1 BGB.

Die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 S. 2 BGB liegen vor. Die Eltern leben nicht nur vorübergehend getrennt, die elterliche Sorge steht ihnen mit Ausnahme der auf die Mutter bereits übertragenen Teilbereiche gemeinsam zu. Zu klären ist lediglich die Frage, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter insgesamt unter dem Aspekt des Kindeswohls angezeigt ist, ober ob die Mutter auf die vom Vater erteilte Vollmacht verwiesen werden kann.

Nach dem den Beteiligten bereits erteilten Hinweis setzt die sog. Vollmachtslösung zur Vermeidung einer Sorgerechtsübertragung nach der Rechtsprechung des Senats als Mindestanforderung voraus, dass jedenfalls über die Erteilung der Vollmacht als solche und die damit verbundenen Informations- und Rechenschaftspflichten Einvernehmen zwischen den Eltern besteht. Denn nur dann kann die Erteilung der Vo...

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