Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensgebühr bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensgebühr (VV 3100) entsteht bereits dann, wenn der Anwalt irgendeine Geschäftstätigkeit für das Verfahren ausübt. Insoweit finden die nämlichen Grundsätze Anwendung, wie sie bereits für die Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO gelten.

2. Für das erste Stadium der Verfahrensgebühr (VV 3101) ist es nicht erforderlich, das die Geschäftstätigkeit des Anwalts dem Gericht ggü. erfolgt.

 

Normenkette

RVG-VV § 2 Abs. 2; RVG §§ 3100-3101

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 24.11.2004; Aktenzeichen 12 O 64/04)

 

Tenor

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung haben die Antragsteller an den Antragsgegner 880,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.11.2004 zu erstatten.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller nach einem Gegenstandswert von 636,61 EUR.

 

Gründe

Die Beschwerde hat vollen Erfolg. Die Rechtspflegerin hätte die Kosten gegen die Antragsteller so festsetzen müssen, wie der Antragsgegner sie mit seiner Beschwerdebegründung geltend macht.

Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin in ihrer Nichtabhilfeverfügung vom 21.12.2004 ist es für die Entstehung einer Verfahrensgebühr nicht erforderlich, dass der Anwalt gerichtlich tätig geworden ist. Durch das RVG sollten die allgemeinen Grundsätze des anwaltlichen Gebührenrechts, wie sie anhand der BRAGO entwickelt worden sind, nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr gelten sie uneingeschränkt fort, soweit keine Sonderregelungen eingreifen.

Die Verfahrensgebühr ist an die Stelle der Prozessgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO getreten, die dem Rechtsanwalt "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" zustand. Diese Gebühr fiel an, sobald der Anwalt auch nur eine der mit ihr abzugeltenden Tätigkeit ausgeübt hatte.

Allerdings entstand sie nicht sogleich in voller Höhe, sondern zunächst erst zur Hälfte, solange der Anwalt noch nicht eine der in § 32 Abs. 1 BRAGO abschließend aufgezählten Handlungen vorgenommen hatte (OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.2002 - 23 W 215/02, OLGReport Hamm 2003, 38 = AGS 2004, 13). § 32 Abs. 1 BRAGO ist durch VV 3101 Nr. 1 vom RVG übernommen und lediglich insoweit verändert worden, als das Anwachsen zur vollen Gebühr nunmehr auch schon dann eingreift, wenn der Anwalt lediglich einen Schriftsatz mit Sachvortrag eingereicht hat. Im Grundsatz bleibt es aber dabei, dass die Regelgebühr bereits anfällt, noch bevor der Anwalt dem Gericht ggü. in Erscheinung tritt.

Vorliegend ist die Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8 des Gebührensatzes am 26.7.2004 dadurch angefallen, dass die Anwälte des Antragsgegners in Ausführung des erteilten Auftrages die Antragsschrift entgegen genommen haben, um die Rechtsverteidigung vorzubereiten. Diese Gebühr ist auch erstattungsfähig, weil der Antragsgegner durch das von den Antragstellern eingeleitete Verfügungsverfahren veranlasst worden ist, seine Anwälte einzuschalten. Dass diese Veranlassung im Zeitpunkt der Auftragserteilung für den Antragsgegner nicht mehr bestanden habe, weil die Antragsrücknahme ihm schon bekannt gewesen sei, haben die Antragsteller nicht dargetan.

Die Gebühr nach VV 3101 tritt zu den i.H.v. 223,76 EUR unangegriffen festgesetzten Gebühren hinzu, so dass sich der Anspruch um brutto 636,61 EUR auf den tenorierten Betrag erhöht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Gegenstandswert folgt aus dem Abänderungsbegehren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1369156

JurBüro 2005, 593

AnwBl 2005, 587

AGS 2005, 338

RVGreport 2005, 230

OLGR-Mitte 2005, 385

www.judicialis.de 2005

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