Leitsatz (amtlich)

1. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 01.01.2024 finden mangels auf sie zugeschnittener Übergangsvorschriften § 721 Satz 1 BGB n.F. (Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts), § 728 Abs. 1 BGB n.F. (Ansprüche des ausgeschiedenen Gesellschafters auf Abfindung und Freistellung) und § 728b Abs. 1 BGB n.F. (fünfjährige Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters) auch auf vor dem 31.12.2023 liegende Sachverhalte Anwendung. Ein Rückgriff auf den Grundsatz lex temporis actus ist nämlich jedenfalls dann nicht geboten, wenn sich die materielle Rechtslage durch die geänderten Normen des BGB und des HGB (§§ 128, 160 BGB a.F. analog) nicht inhaltlich verändert.

2. Auch nach der neuen Rechtslage haften bei einer Drittverbindlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Mitgesellschafter einem Gesellschafter gegenüber hierfür grundsätzlich gemäß § 721 S. 1 BGB n.F. gesamtschuldnerisch, wobei sich der Gläubiger-Gesellschafter seinen eigenen Verlustanteil, die Quote gemäß § 709 Abs. 3 BGB n.F., abziehen lassen muss (im Anschluss an die zur bisherigen Rechtslage entwickelte höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 08.10.2013, II ZR 310/12, NZG 2013, S. 1334 ff.). Drittansprüche sind auch nach neuem Recht solche, die ihre Grundlage in einem Rechtsverhältnis haben, das mit dem Gesellschaftsvertrag unmittelbar nichts zu tun hat und das die Gesellschaft in gleicher Weise mit einem Dritten eingehen könnte, etwa Ansprüche aus Kauf-, Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Der Rechtsgrund der Gesellschaftsverbindlichkeit liegt auch dann in dem besonderen Vertrag und nicht im Gesellschaftsverhältnis, wenn der Gesellschaftsvertrag Regelungen enthält, wonach der Gesellschafter im Rahmen seiner Beitragspflicht gehalten ist, Verträge dieser Art mit der Gesellschaft abzuschließen.

 

Normenkette

BGB § 721 S. 1, § 728 Abs. 1; BGB n.F. § 728b Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 45 O 33/22)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.07.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Essen (Az.: 45 O 33/22) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung aus den Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Beklagte verlangt mit ihrer Berufung in Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage der Klägerinnen zu 1) und 2) auf Gesellschafterhaftung der Beklagten für Gesellschaftsdarlehensverbindlichkeiten und der Klägerin zu 3) auf Schadensersatz gegen die Beklagte als geschäftsführende Gesellschafterin.

Die Klägerin zu 3) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 21. November 2017 gegründet (Anlage K 1, Bl. 24 ff. eGA I). Gründungsgesellschafter waren mit einem Anteil von jeweils 25 % die Klägerin zu 1), die Klägerin zu 2), die Beklagte, seinerzeit noch firmierend unter G. Immobilien GmbH mit dem Geschäftsführer N. G., und die Z. GmbH. Gegenstand und Zweck der Klägerin zu 3) war ausweislich § 2 des Gesellschaftsvertrags der Erwerb eines Grundstücks an der P.-straße 00 in U. nebst der auf dem Grundstück befindlichen Objekte sowie die Sanierung und anschließende Veräußerung der Objekte. Auf dem Grundstück befanden sich zum damaligen Zeitpunkt insgesamt drei Objekte; beabsichtigt war daneben der Bau eines weiteren Gebäudes auf dem Grundstück.

Der Gesellschaftsvertrag enthält u.a. die folgenden Regelungen:

"§ 7 Geschäftsführung

(1) G. Immobilien GmbH vertreten durch den Geschäftsführer Herr N. G. ist zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet (geschäftsführender Gesellschafter).

....

(3) Die geschäftsführenden Gesellschafter können im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis alle Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt und die zur Erreichung des Gesellschaftsvertrags erforderlich erscheinen, u.a. Kontoeröffnung bei Banken.

....

(5) Jeder geschäftsführende Gesellschafter hat in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten. Schadensersatzansprüche verjähren in fünf Jahren.

....

§ 8 weitere Beiträge der Gesellschafter

(1) Sämtliche Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft, wie z.B. die Überlassung von Geräten und Personal, sind durch die Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten. Diese Beiträge sind als echter Gesellschafterbeitrag zu qualifizieren. Ein Sonderentgelt wird nicht gewährt. Hiervon unabhängig können zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern Darlehensverträge geschlossen werden, welche eine separate Vergütung (Zins) für die Darlehensüberlassung regeln.

(2) Folgende Gesellschafter gew...

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