Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH-Bewilligung für Aufhebung einer Scheinehe

 

Leitsatz (amtlich)

Für einen Eheaufhebungsantrag kann Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit nicht gewährt werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Schließung und die Aufhebung der Ehe von vornherein von einem einheitlichen Willen umfasst war.

 

Normenkette

BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG St. Goar (Beschluss vom 27.06.2003; Aktenzeichen 5 F 215/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG – FamG – St. Goar vom 27.6.2003 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Parteien schlossen am 6.12.2002 die Ehe. Die Antragstellerin beabsichtigt nunmehr die Aufhebung der Ehe und beantragt hierfür mit Antrag vom 5.5.2003 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Ehe sei nur formal geschlossen worden, um dem Antragsgegner den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Man habe niemals zusammengelebt; vielmehr habe der – aus dem Sudan stammende – Antragsgegner vor und nach der Eheschließung bei seiner Lebensgefährtin gewohnt.

Das AG versagte der Antragstellerin die Prozesskostenhilfe mit der Begründung, die Rechtsverfolgung sei mutwillig. Im Übrigen hätte sie das Entgelt, das sie für die Eheschließung erhalten habe, für die Kosten des Verfahrens zurücklegen müssen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, die statthaft und auch ansonsten zulässig ist, in der Sache jedoch keinen Erfolg hat.

Jedenfalls i.E. zu Recht hat das AG der Antragstellerin Prozesskostenhilfe verweigert.

Ob der Antragstellerin, wofür vieles spricht, bereits aus subjektiven Gründen keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, sei dahingestellt. Sie bestreitet, wie das AG zu Recht ausführt, wenig substantiiert, entgegen der Regel ein Entgelt für die Eingehung der Ehe erhalten zu haben. Ein solches Entgelt müsste sie ggf. zur Bestreitung der Prozesskosten einsetzen (vgl. Fischer in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 114 Rz. 32; BVerfG v. 18.7.1984 – 1 BvR 446/84, MDR 1985, 115 = FamRZ 1984, 1205 [1207]).

Der Senat ist aber mit dem AG der Auffassung, hier sei die Rechtsverfolgung mutwillig (vgl. etwa Fischer in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 114 Rz. 32 m.w.N.). Der Einwand der Beschwerde ist zwar grundsätzlich richtig, die rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe impliziere nicht die Missbräuchlichkeit des Aufhebungsbegehrens (vgl. z.B. OLG Stuttgart v. 19.11.2001 – 18 WF 506/01, FamRZ 2002, 890). Ein Aufhebungsantrag nach der durch das Eheschließungsreformgesetz 1998 neu eingefügten Vorschrift des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB dürfte als solcher vom Grundsatz her schon deshalb nicht rechtsmissbräuchlich sein, weil kein staatliches Interesse an der Aufrechterhaltung derartiger Scheinehen besteht (vgl. hierzu Klippel in Staudinger, § 1314 BGB Rz. 72 ff.)

Die Unterscheidung zwischen einerseits der Eheschließung und andererseits dem Aufhebungsantrag greift nach Auffassung des Senats bei Konstellationen wie der vorliegenden jedoch zu kurz, beschreibt die Intention der Parteien nur unzureichend und konstruiert dort eine künstliche Differenzierung, wo gar keine ist. Das gilt grundsätzlich, wird hier aber besonders deutlich, wenn man die zeitliche Abfolge betrachtet: Eheschließung am 6.12.2002, Eheaufhebungsantrag vom 5.5.2003. Es drängt sich auf, und bei der Motivationslage der Beteiligten wäre eine andere Betrachtungsweise lebensfremd, beides als Gesamtvorgang anzusehen, der von vornherein von einem einheitlichen Willen umfasst war. Denn es kann keinem der Beteiligten unterstellt werden, er wolle auf Dauer in einer Scheinehe „verheiratet” bleiben; die (alsbaldige) Auflösung ist vielmehr immer bereits mitgedacht. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, wann der Aufhebungsantrag gestellt wird. Im vorliegenden Fall illustriert die besonders kurze Spanne jedoch diese Einheitlichkeit nur umso deutlicher.

In einem solchen Vorgehen liegt ein gezieltes Ausnutzen staatlicher Institutionen und Ressourcen, nicht nur in dem Sinne, dass missbräuchlich der formale Rahmen der Ehe zu ehefremden Zwecken benutzt wird, sondern dass dies zugleich schon mit der Absicht erfolgt, diesen Zustand alsbald mit Hilfe des (infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe) kostenfreien staatlichen Gerichts wieder beenden zu können.

Dies ist im Sinne der Prozesskostenhilferechts mutwillig und aus diesem Grunde kann der Antragstellerin keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

Hahn Haupert Schilz-Christoffel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1107984

FamRZ 2004, 548

NJW-RR 2004, 157

FamRB 2004, 118

OLGR-KSZ 2004, 63

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