Leitsatz (amtlich)

Ist trotz des ausdrücklichen Vorbehalts der Bundesrepublik eine Klageschrift allein in portugiesischer Sprache ohne Beifügung einer deutschen Übersetzung seitens des portugiesischen Gerichts durch einfachen Brief per Post in der Bundesrepublik zugestellt worden, erging dann in Portugal Versäumnisurteil in einem Verfahren, auf das der deutsche Staatsangehörige sich nicht eingelassen hat und wurde der Zustellungsmangel trotz ausdrücklicher Rüge im portugiesischen Berufungsverfahren infolge fehlerhafter Rechtsanwendung nicht berücksichtigt, so verstößt die Vollstreckung des portugiesischen Versäumnisurteils in der Bundesrepublik gegen den deutschen ordre public.

 

Normenkette

HZÜ Art. 10

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 1 O 430/02)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.07.2004; Aktenzeichen IX ZB 2/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 1. Zivilkammer des LG Bonn vom 18.10.2002 – 1 O 430/02 – aufgehoben und der Antrag auf Vollstreckbarerklärung vom 16.10. 2002 zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens 1. und 2. Instanz fallen der Gläubigerin zur Last.

Gegenstandswert der Beschwerde: 26.209,20 Euro

 

Gründe

I. Gläubigerin und Schuldnerin standen längere Zeit in Geschäftsverbindungen, die 1998 von der Schuldnerin abgebrochen wurden.

Am 10.7.2000 erging aufgrund eines Zivilverfahrensverfahrens in Lissabon, auf das sich die Schuldnerin nicht eingelassen hat, durch das dortige AG ein Urteil, wonach die Schuldnerin zur Zahlung von 5.254.473 Escudos zuzüglich Zinsen aus verschiedenen Beträgen an die Gläubigerin verurteilt wurde. Gegen dieses ihr ausschließlich in der potugisischen Fassung mit einfacher Post per Einschreiben in Deutschland mitgeteilte Urteil legte die Schuldnerin Berufung ein. Über ihr Rechtsmittel hat das Berufungsgericht von Lissabon am 12.7.2001 entschieden, indem es die Berufung zurückgewiesen hat. Hierbei hat es allein die Frage geprüft, ob das Säumnisverfahren 1. Instanz verfahrensgemäss war. Diese Frage hat es bejaht, da die Schuldnerin seiner Ansicht nach ordnungsgemäß geladen worden sei. Die Gläubigerin will nun aus dem Urteil des AG Lissabon vom 10.7.2000 – 915/1998 – gegen die in Deutschland ansässige Schuldnerin vollstrecken. Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des LG Bonn hat antragsgemäß mit Beschluss vom 18.10.2002 die Vollstreckung zugelassen.

Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Zurückweisung des Gläubigerantrags begehrt. Zur Begründung weist sie im Wesentlichen darauf hin, dass ihr rechtliches Gehör verwehrt worden sei. Die in Portugal eingereichte Zahlungsklage der Gläubigerin sei ihr am 13.2.1999 mit einfacher Post als Einschreiben mit Rückschein zugesandt, und zwar ohne Übersetzung in die deutsche Sprache. Es habe sich um ein Schreiben des „Ministerio da Justica … nebst einem Schriftsatz der „Advogados Vinhas pp” gehandelt, das nicht als Klageschrift und ggfs. Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens erkennbar gewesen sei. Ob und welche Fristen in diesem Schreiben enthalten gewesen seien, sei für die Schuldnerin nicht ersichtlich geworden. Diese Zustellung entspreche nicht den Vorschriften des Haager Zustellungsübereinkommens. Im Berufungsverfahren sei eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils lediglich nach formalen Gesichtspunkten erfolgt, so dass die Schuldnerin zur Sache nie gehört worden sei.

II. Die Beschwerde der Schuldnerin gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des AG Lissabon vom 10.7.2000 ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt worden (Art. 36 Abs. 1, Art. 37 EuGVÜ i.V.m. § 11 AVAG).

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Einer Vollstreckbarerklärung steht Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entgegen.

Zwar liegen die nach Art. 46 und 47 EuGVÜ – es kommt hier noch das EuGVÜ in der Fassung vom 29.11.1996 zur Anwendung – für die Zulassung der Vollstreckbarkeit formalen Voraussetzungen vor. Da das verfahrenseinleitende Schriftstück der Beklagten, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde und eine nachträgliche Heilung dieses Mangels im vorliegenden Fall nicht eintrat, ist indes die Vollstreckung aus dem fraglichen Urteil nicht zuzulassen, Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ.

Die Ordnungsgemäßheit der Zustellung beurteilt sich nach den Vorschriften des Erststaates (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 23. Aufl., Art. 27 EuGVÜ Rz. 8; Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, Art. 27 Rz. 69; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Art. 27 EuGVÜ Rz. 24). Neben den nationalen Vorschriften des Zivilprozesses sind hier die einschlägigen völkerrechtlichen Verträge zu beachten. Im vorliegenden Fall ist dies das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 14.11.1965 (HZÜ), das sowohl für die Bundesrepublik Deutschland wie für Portugal in Kraft getreten ist (vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverke...

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