Leitsatz (amtlich)

Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die aus Griechenland stammende Kindesmutter wegen ihrer Absicht, mit dem Kind von ihrem bisherigen Wohnsitz in Deutschland nach Griechenland zu ziehen.

Die Erziehungseignung eines Elternteils ist im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG grundsätzlich losgelöst davon zu beurteilen, welcher Glaubensgemeinschaft er angehört. Allein die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" führt nicht zu Bedenken an der Erziehungsfähigkeit.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Beschluss vom 26.06.2015; Aktenzeichen 225 F 112/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Aachen vom 26.06.2015- 225 F 112/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr gemeinsames, am 10.01.2008 geborenes Kind O B. Die Kindeseltern sind noch verheiratet, aber getrennt lebend; auch während der Ehezeit unterhielten sie zwei Wohnungen, wobei O durchgängig bei der Antragsstellerin lebte. Beide Elternteile sind griechischstämmig, aber mit deutschem Wohnsitz; O spricht griechisch und deutsch und besucht derzeit eine Schule in Deutschland; er hat sich in der Vergangenheit mehrfach über mehrere Monate bei der Familie der Antragstellerin in Griechenland aufgehalten.

Die Antragstellerin hat beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, und hierfür darauf verwiesen, dass sie beabsichtige, nach Griechenland zu ziehen. Ihre derzeitige Situation in Deutschland - sie ist arbeitslos und behauptet, ihre Wohnung sei feucht und mit Schimmel belastet - führe bei ihr zu psychischen Erkrankungen und belaste auch O, der - so behauptet sie weiter - an Atemwegserkrankungen leide. O habe eine enge Bindung an die Großeltern (mütterlicherseits); auch würde sie im Falle eines Umzugs dort in einer der Familie gehörenden Wohnung mietfrei leben können. Zuletzt hält sie ihre beruflichen Aussichten in Griechenland für besser als in Deutschland.

Der Antragsgegner, der mit einem Umzug nach Griechenland nicht einverstanden ist, hat hierzu behauptet, die Aufenthalte in Griechenland seien ohne seine Zustimmung erfolgt; die schulischen Möglichkeiten seien in Deutschland besser, auch sei O in Deutschland krankenversichert, in Griechenland aber nicht. Auch ihm - dem Antragsgegner - sei wichtig, dem Kind einen Bezug zu Griechenland zu erhalten, er hat aber gemeint, dies könne im Rahmen der Urlaubsabwicklung ausreichend erfolgen. Demgegenüber, so hat der Antragsgegner weiter behauptet, würde durch den Umzug nach Griechenland sein - des Antragsgegners - Umgangsrecht erschwert, schon durch den hierfür erforderlichen höheren Zeit- und Finanzbedarf.

Der Antragsgegner hat ferner auf die Zugehörigkeit der Antragstellerin zu den Zeugen Jehovas verwiesen; auch die Großeltern (mütterlicherseits) seien dieser Religion zugehörig. Es sei, so hat er gemeint, eine zwanghafte Heranführung von O an diese Kirche zu befürchten, käme es zum Umzug nach Griechenland.

Mit Beschluss vom 26.06.2015, dem Antragsgegner am 02.07.2015 zugestellt, hat das AG antragsgemäß entschieden und zur Begründung ausgeführt, die - nach § 1671 BGB zu beurteilende - Frage der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei im Sinne der Antragstellerin zu beantworten, weil dies dem Kindeswohl am besten entspreche. Dies folge bereits daraus, dass sich die Eltern nicht über den künftigen Wohnsitz hätten einigen können und der Ausreisewunsch der Antragstellerin zu beachten sei. Die Antragstellerin würde - gleich, ob zu Recht oder nicht - den Verbleib in Deutschland als erhebliche Belastung empfinden. Als Alternative käme daher nur ein Wechsel des Kindes in die väterliche Obhut in Frage, der aber dem Kindeswohl nicht in gleichem Maße entspreche, da die Antragstellerin die Hauptbezugsperson des Kindes sei. Auch sei - in den Grenzen, in denen der Wille des Kindes altersbedingt Berücksichtigung finden könne - O einem Umzug gegenüber positiv aufgeschlossen. Zwar würde, so das AG weiter, ein Umzug die Umgangskontakte erschweren, aber Urlaube und Kontakt über Fernkommunikation blieben möglich. Die wirtschaftliche, politische und soziale Lage Griechenlands sei nicht von einem solchen Gewicht, dass sie kindeswohlschädlichen Charakter annehmen könne; auch sei trotz fehlenden Krankenversicherungsschutzes - der grundsätzlich zu erheblichen Bedenken führe - O frei von konkreten Erkrankungen mit der Notwendigkeit umfangreicher ärztlicher Behandlung. Konkret nachteilige Auswirkungen der Religionszugehörigkeit von Antragstellerin und deren Familie auf die Erziehung des Kindes seien nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die am 31.07.2015 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners, mit welcher dieser die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und - erstmalig in zweiter Instanz - die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn beantragt. Er meint, hinter dem Umzugswunsch stehe mit...

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