Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Schiedsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Wirksamkeit einer in einem Praxiskauf- und Darlehensvertrag enthaltene Schiedsvereinbarung, hinsichtlich derer das dort vorgesehene Anwaltsschiedsgericht nebst entsprechenden Regeln der genannten Rechtsanwaltskammer nicht existiert, sowie zum Umfang der Geltung der Schiedsvereinbarung in persönlicher und sachlicher Hinsicht

Schiedsvereinbarungen sind nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich weit auszulegen. Dies entspricht dem regelmäßigen Interesse der Parteien an einer umfassenden Streiterledigung vor einem einheitlichen Gericht. Deshalb kann die Auslegung dazu führen, dass bei mehreren Verträgen die Schiedsvereinbarung bezüglich des einen Vertrags sich auch auf den anderen erstreckt. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die Verträge in einem inneren Zusammenhang stehen und als wirtschaftliche Einheit zu werten sind.

 

Normenkette

ZPO §§ 1040, 1029

 

Verfahrensgang

Schiedsgericht Köln (Beschluss vom 23.06.2010)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 14.07.2011; Aktenzeichen III ZB 70/10)

 

Tenor

Der Antrag der Antragsteller auf Aufhebung des Beschlusses des Schiedsgerichts, bestehend aus dem vorsitzenden Schiedsrichter H. M. sowie den beisitzenden Schiedsrichtern Dr. X. T. und Dr. S. L., vom 23.6.2010 und auf Feststellung, dass das Schiedsgericht nicht für die Entscheidung über die mit der Schiedsklage verfolgten Ansprüche zuständig ist, wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schloss mit der aus den Antragstellern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts am 30.11.2003 einen Praxiskauf- und Darlehensvertrag, mit dem er mit Wirkung zum 1.1.2004 seine Rechtsanwaltskanzlei E. Str. 3 in Y. zu einem Kaufpreis von 150.000 EUR veräußerte. Dabei sollten gem. § 4 des Vertrags offene Honorare und Gebühren aus bis zum 1.1.2004 abgerechneten oder beendeten Mandaten dem Antragsgegner zustehen. Nach dem in § 7 des Vertrags vorgesehenen Wettbewerbsverbot verpflichtete sich der Antragsgegner, bis Ende Juni 2009 jegliche Anwaltstätigkeit im Bereich des OLG Köln zu unterlassen, soweit die Tätigkeit nicht der Abwicklung des Vertrags dienen oder als freier Mitarbeiter auf der Basis einer Vereinbarung mit der zwischen den Antragstellern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgen werde.

Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte der Antragsgegner in § 8 des Praxiskauf- und Darlehensvertrags der zwischen den Antragstellern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein mit 5 % verzinsliches Darlehen über 150.000 EUR, hinsichtlich dessen monatliche Tilgungsraten von 2.585 EUR sowie die Fälligkeit des noch offenen Restbetrags und dessen Verzinslichkeit mit 10 % bei einem länger als einen Monat andauernden Verzug mit der Zahlung von zwei Raten festgelegt wurden.

Des Weiteren trafen die Vertragsparteien in § 9 des Praxiskauf- und Darlehensvertrags folgende Vereinbarung:

"Schiedsgericht

Die Parteien regeln Unstimmigkeiten und Unvollständigkeiten dieses Vertrags in partnerschaftlichem Einvernehmen, notfalls durch Mediation eines einvernehmlich bestellten Rechtsanwalts. Danach verbleibende Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Anwaltsschiedsgericht entschieden, dessen Zusammensetzung und Verfahren sich nach den Regeln der Rechtsanwaltskammer N. bestimmen."

Diese Klausel war auf Vorschlag des Antragsgegners aufgenommen worden, der den Antragstellern im Rahmen der Vertragsverhandlungen erklärt hatte, er habe recherchiert, dass ein Anwaltsschiedsgericht bestehe, dessen Zusammensetzung und Verfahren sich nach einem von der Rechtsanwaltskammer N. geschaffenen Regelwerk bestimme.

Ebenfalls am 30.11.2003 schlossen der Antragsgegner und die aus den Antragstellern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen "Vertrag über freie Mitarbeit" des Antragsgegners in der Kanzlei der Antragsteller. Danach sollte der Antragsgegner der Gesellschaft zum Zweck der Akquise, der Realisierung des Goodwill, der Sicherung der laufenden Mandate und der Einführung der Antragsteller in den Mandantenstamm des Antragsgegners mit dem Ziel der höchstmöglichen Umsetzung des Goodwill als freier Mitarbeiter im Rahmen einer Außensozietät bis zum 30.4.2007 zur Verfügung stehen.

Ergänzend hierzu war in § 1 Abs. 7 vorgesehen:

"... Die Parteien sind sich einig, dass Rechte und Pflichten aus diesem Mitarbeitervertrag als weitere Hauptpflichten in Gegenseitigkeit zum Kauf- und Darlehnsvertrag bestehen."

Die an den Antragsgegner für seine freie Mitarbeit zu zahlende Vergütung sollte sich gem. § 2 des Vertrags an dem gegenüber dem Jahr 2003 jährlich erzielten Netto-Mehrumsatz der Kanzlei orientieren. Sofern sich bis zum 30.4.2007 kein Netto-Mehrumsatz von 200.000 EUR ergeben würde, sollte die zwischen den Antragstellern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts berechtigt sein, die entsprechende Differenz in näher bestimmter Höhe gegen die restliche Darlehensforderung...

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