Leitsatz (amtlich)

1. Ein Geschäftsführerdienstvertrag endet mit dem Widerruf der Organstellung nur dann, wenn ein wichtiger Kündigungsgrund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt und die Kündigung frist- (§ 626 Abs. 2 BGB) und formgerecht erklärt wird.

2. Nicht jede Vertragspflichtverletzung des Dienstnehmers vermag die außerordentliche Kündigung eines Dienstvertrages nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Der Pflichtverstoß muss vielmehr unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles so schwerwiegend sein, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. bei befristeten Verträgen bis zum Fristablauf für den Dienstherren unzumutbar ist.

3. Schadensersatz wegen Nichterteilung eines Zeugnisses i.S.v. § 630 BGB setzt Verzug des Dienstherren mit der Erteilung des Zeugnisses voraus.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2, § 630; GmbHG § 38 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen 3 O 12591/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I vom 4.8.2011 (Az.: 3 O 12591/08) im Kostenpunkt aufgehoben und ansonsten abgeändert wie folgt:

a) Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 6.9.2006 zum 6.9.2006, sondern zum 31.12.2007 geendet hat.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger (einschließlich des erstinstanzlich zuerkannten Betrages) 266.720 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 16.670 EUR vom 16.9.2006 bis 16.10.2006, aus 33.340 EUR vom 17.10.2006 bis 15.11.2006, aus 50.010 EUR vom 16.11.2006 bis 15.12.2006, aus 66.680 EUR vom 16.12.2006 bis 15.1.2007, aus 83.350 EUR vom 16.1. 2007 bis 15.2.2007, aus 100.020 EUR vom 16.2.2007 bis 15.3.2007, aus 116.690 EUR vom 16.3.2007 bis 16.4.2007, aus 133.360 EUR vom 17.4.2007 bis 15.5.2007, aus 150.030 EUR vom 16.5.2007 bis 15.6.2007, aus 166.700 EUR vom 16.6.2007 bis 16.7.2007, aus 183.370 EUR vom 17.7.2007 bis 16.8.2007, aus 200.040 EUR vom 17.8. 2007 bis 15.9.2007, aus 216.710 EUR vom 16.9.2007 bis 15.10.2007, aus 233.380 EUR vom 16.10.2007 bis 15.11.2007, aus 250.050 EUR vom 16.11.2007 bis 15.12.2007 sowie aus 266.720 EUR seit dem 16.12.2007 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 58 Prozent und die Beklagte 42 Prozent.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit seiner Abberufung als deren Geschäftsführer geltend.

Einzige Gesellschafterin der Beklagten ist das Bankhaus H. KG a.A.. Im Jahr 2004 wurde der Kläger zum alleinigen Geschäftsführer der Beklagten bestellt. In diesem Zusammenhang schlossen die Parteien unter dem 15./24.3.2004 einen Geschäftsführeranstellungsvertrag, der u.a. folgende Regelungen enthält.

(§ 3 Abs. 1) " Als Vergütung enthält der Geschäftsführer ein festes monatliches Grundgehalt i.H.v. Euro 15.420 brutto (...). Das Gehalt wird nach Abzug der gesetzlichen Abgaben jeweils zum 15. eines Kalendermonats ausgezahlt ..."

(§ 3 Abs. 3) "Die Gesellschaft wird dem Geschäftsführer jährlich einen Bonus zahlen, sofern dieser sich in einem ungekündigten Vertragsverhältnis befindet. Die Rahmenbedingungen enthält die beigefügte Zusatzvereinbarung. Auf die Bonuszahlung besteht dann ein Anspruch, wenn die getroffenen Zielvereinbarungen von der Gesellschaft gemäß Businessplan vom Februar 2004 erreicht werden ... Die Auszahlung des Bonus erfolgt in dem Monat, der auf den Monat folgt, in dem die Gesellschafterversammlung über das vorangegangene Geschäftsjahr beschließt."

(§ 5 Abs. 1) "Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer für die Dauer dieses Vertrags einen angemessenen Dienstwagen im Rahmen eines Full-Service-Leasingvertrags mit einer Rate von bis zu Euro 1.250p. M. inkl. MWSt zur Verfügung, der auch zu Privatfahrten benutzt werden kann. Dieser Betrag erhöht Ihr Bruttomonatsgehalt ... Die Versteuerung des geldwerten Vorteils trägt der Geschäftsführer."

(§ 9 Abs. 1) "Der Geschäftsführer verpflichtet sich, über alle im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden geschäftlichen und betrieblichen Angelegenheiten, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Stillschweigen zu bewahren ..."

(§ 10 Abs. 1) "Dieser Vertrag tritt mit Wirkung vom 1.10.2004, ggf. früher, in Kraft und ist zunächst bis zum 31.12.2007 befristet. Eine mögliche Weiterbeschäftigung werden wir spätestens sechs Monate vor Ablauf der Vertragsdauer vereinbaren. Der Vertrag wird dann auf unbestimmte Zeit geschlossen."

(§ 10 Abs. 2) "Jede Partei kann den Vert...

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