Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für den Kauf eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenes Fahrzeug

 

Normenkette

BGB §§ 31, 249 ff., § 826; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 22.11.2019; Aktenzeichen 41 O 2463/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.11.2021; Aktenzeichen VII ZR 257/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 22.11.2019, Az. 41 O 2463/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.058,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.02.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A 5 Sportback 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer ...81 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 45% und die Beklagte 55%, von den Kosten des Rechtsstreits zweiten Instanz hat der Kläger 48% und die Beklagte 52% zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs geltend.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 03./11.11.2014 (Anlage K 1) den hier streitgegenständlichen gebrauchten Pkw Audi A 5 Sportback 2.0 TDI mit einem km-Stand von 27.500 km zu einem Kaufpreis von 29.970,00 EUR. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger mit dem Fahrzeug 135.803 km zurückgelegt.

Zum Zeitpunkt des Kaufs befand sich in dem Fahrzeug, das von der Beklagten hergestellt ist, ein von der V. AG (VW-AG) entwickelter und produzierter Dieselmotor des Typs EA 189 (EU5) nebst einer Motorsteuerungssoftware, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird. Es wird in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxidoptimierten Modus, geschaltet. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Grundlage der Erteilung der Typgenehmigung sind die Abgasmessungen auf dem Prüfstand.

Die Beklagte hatte, wie sie in der Berufung unbestritten vorgetragen hat, in den Jahren 2005/ 2006 durch ihr Produkt-Strategie-Komitee, welches sich aus Mitgliedern des Vorstands sowie Mitgliedern aus den Fachabteilungen zusammensetzte, beschlossen, dass der von VW entwickelte Motor in bestimmten Fahrzeugen der Beklagten serienmäßig eingebaut wird. Der erste Einsatz erfolgte im Jahr 2007. Die Beklagte erwarb den Motor samt Software als externes Produkt von der VW-AG zur Verwendung in ihren Fahrzeugen. Die Hardware der Motorsteuerungsgeräte erhielt die Beklagte von den Zulieferern B. oder C. Ohne Einflussmöglichkeit von Mitarbeitern der Beklagten wurde die auf das jeweilige Fahrzeug abgestimmte Software ab 2008 auf den automatisierten Fertigungslinien der Beklagten vom Konzernserver der VW-AG heruntergeladen. Die Software war zur Vermeidung von Einflussnahme außerhalb der Entwicklungsverantwortung verriegelt.

Im Auftrag der Beklagten organisierte die Konzernmutter das EG-Typengenehmigungsverfahren. Von Mitarbeitern der VW-AG wurden die entsprechenden Fahrzeuge der Beklagten dem Technischen Dienst vorgestellt. Die Beklagte bekam lediglich die Rechnung und die Protokolle mit den für die Emissions-Typgenehmigungsverfahren erforderlichen Testergebnissen.

Die Verwendung der von der Beklagten als "Umschaltlogik" bezeichneten Steuerungsoftware wurde dem Kraftfahrt-Bundesamt weder von der VW-AG noch von der Beklagten im Rahmen der Tests zur Erreichung der Typgenehmigung offengelegt. Erst am 22.09.2015 veröffentlichte die VW-AG eine Ad-hoc-Mitteilung, mit der Auffälligkeiten bei Fahrzeugen mit dem Motor vom Typ EA 189 eingeräumt wurden. Dem Kraftfahrtbundesamt war es mit den damals zur Verfügung stehenden Tests nicht möglich, die Umschaltlogik zu erkennen.

Nach Bekanntwerden der Softwareproblematik verpflichtete das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten "Umschaltlogik" und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches am 18.07.2016 auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt worden ist.

Mit Anwaltsschreiben vom 14.12.2018 forderten die Prozessbevollmächtigte der Klagepartei die Beklagte vergeblich zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung auf (wobei der...

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