Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Anspruch auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den nicht betreuenden Elternteil wegen Umzugs des betreuenden Elternteils. Recht zur Entscheidung über den umzugsbedingten Schulwechsel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nach altem Recht gerichtlich genehmigte Vereinbarung bzw. ein nach neuem Recht gerichtlich gebilligter Vergleich zum Aufenthaltsbestimmungsrecht kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1696 Abs. 1 BGB abgeändert werden. Ein zusätzlicher zeitlicher und finanzieller Aufwand für die Ausübung des Umgangs mit dem Kind infolge eines Umzugs des betreuenden Elternteils mit diesem ist grundsätzlich kein tragender Gesichtspunkt für die Sorgerechtsentscheidung. Diesem Gesichtspunkt ist vielmehr im Einzelfall bei der konkreten Umgangsregelung Rechnung zu tragen, in dessen Rahmen die Gerichte zu prüfen haben, ob der betreuende Elternteil anteilig zur Übernahme des für das Holen und Bringen des Kindes erforderlichen zeitlichen und finanziellen Aufwandes verpflichtet wird, damit es nicht zu einer faktischen Vereitelung des Umgangsrechts kommt.

2. Das einem betreuenden Elternteil allein zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst im Falle eines Umzugs nicht auch das Recht zur Entscheidung über einen (umzugsbedingten) Schulwechsel des Kindes, weil es sich bei der Umschulung nicht um eine Angelegenheit des täglichen Lebens gem. § 1687 Abs. 1 BGB, sondern um eine solche von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1628 BGB handelt.

 

Normenkette

BGB § 1696 Abs. 1, §§ 1628, 1687 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Beschluss vom 29.01.2010; Aktenzeichen 2 F 461/09)

 

Tenor

I. Das Verfahrenskostenhilfegesuch des Kindesvaters wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Merseburg vom 29.1.2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

III. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin streiten um die elterliche Sorge für ihre beiden Kinder.

Die Kindeseltern waren miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe sind das (am 15.5.1998 geb.) Kind L. und das (am 16.1.2002 geb.) Kind I. hervorgegangen. Im Februar 2007 trennten sich die Kindeseltern, indem die Kindesmutter mit den Kindern aus der Ehewohnung in D. bei M. auszog und nach M. verzog. Seitdem befinden sich die Kinder in ihrer alleinigen Obhut.

Nach der Trennung machte der Kindesvater beim Familiengericht ein Sorgerechtsverfahren anhängig (2 F 364/07 AG Merseburg). In jenem Verfahren schlossen die Kindeseltern in der mündlichen Verhandlung vom 3.5.2008 eine - mit Beschluss des Familiengerichts genehmigte - Vereinbarung, mit der das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder auf die Kindesmutter übertragen worden ist (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der - vierzehntägige - Umgang des Kindesvaters mit seinen Kindern wurde in einem anschließenden gerichtlichen Umgangsrechtsverfahren geregelt (2 F 205/08 AG Merseburg). Beide Kinder sind in M. eingeschult.

Als die Kindesmutter dem Kindesvater mit Schreiben vom 4.11.2009 mitteilte, im Verlaufe des Jahres 2010 ihren Wohnsitz von M. in das ca. 120 Kilometer entfernte Dorf W. bei Mg. verlegen zu wollen, und ihn bat, der Umschulung der Kinder zum Ende des Schulhalbjahres zuzustimmen, verweigerte der Kindesvater seine Zustimmung und machte am 30.11. beim Familiengericht das vorliegende Verfahren anhängig, mit dem er eine Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich begehrt, damit die Kinder im Bereich M. bleiben und weiterhin dort zur Schule gehen können. Im Gegenzug reichte die Kindesmutter den Antrag ein, ihr zusätzlich zum Aufenthaltsbestimmungsrecht auch das alleinige Recht zur Entscheidung über den Schulwechsel der Kinder zu übertragen (§ 1628 BGB), weil der Kindesvater dem von ihr avisierten Schulwechsel nicht zugestimmt hat.

Das Familiengericht hat am 7.12.2009 Rechtsanwältin M. zum Verfahrensbeistand der Kinder bestellt. Am 5.1.2010 hat es die beiden Kinder und am 27.1.2010 nochmals das Kind I. persönlich angehört. Am 8.1.2010 hat das Familiengericht mit den Kindeseltern, ihren Verfahrensbevollmächtigten und einer Vertreterin des Jugendamts mündlich verhandelt.

Mit Beschluss vom 29.1.2010 hat das Familiengericht das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das alleinige Recht zur Entscheidung über den Schulwechsel der Kinder auf die Kindesmutter übertragen. Gegen diese - ihm am 5.2.2010 zugestellte - Entscheidung wendet sich der Kindesvater mit der am 26.2.2010 eingereichten Beschwerde, die er sogleich begründet hat und mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts weiterverfolgt sowie eine Übertragung des alleinigen Rechts zur Entscheidung über den Schulwechsel auf sich erstrebt. Parallel dazu hat der Kindesvater ein Verfahrenskostenhilfegesuch angebracht.

II.1. Das Verfahren richtet sich nach dem am 1.9.2009 in Kraft getretenen neuen Verfahrensrecht, da es nach diesem Zeitpunkt anhängig gemacht w...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge