Leitsatz (amtlich)

1. Die Bank kann sich nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen, wenn in der Widerrufsbelehrung eines Kreditvertrages nach der Frist eine hochgestellte Zahl auf eine am unteren Seitenrand des Formulars abgedruckte Fußnote mit folgendem Text verweist:

"Bitte Frist im Einzelfall prüfen."

2. Zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts, wenn der Kreditnehmer den Kreditvertrag mehr als 5 Jahre nach dessen Abschluss widerruft.

3. Zu den gegenseitigen Ansprüchen nach wirksamem Widerruf eines Realkreditvertrages durch den Kreditnehmer, wenn § 357a BGB noch keine Anwendung findet.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 346; BGB a.F. §§ 355, 495 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 2; BGB-InfoV § 14 Abs. 1 Fassung: 2004-12-07, § 16

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 27.10.2014; Aktenzeichen 10 O 3952/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.07.2016; Aktenzeichen XI ZR 564/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 27.10.2014 abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.015,55 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.07.2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die weiter gehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Kläger 65 % und die Beklagte 35 %.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

7. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.815,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrags und über einen Anspruch der Kläger auf teilweise Rückzahlung des zur Ablösung des Darlehens an die Beklagte geleisteten Betrages.

Die Kläger vereinbarten mit der Beklagten am 09.04.2008 ein Darlehen mit anfänglichem Festzins über einen Nennbetrag von 50.000,00 EUR. Die bis zum 30.04.2013 unveränderliche Verzinsung betrug nominal 6,00 % und effektiv 6,17 %. Die Tilgung sollte durch monatliche Raten in Höhe von 3 % jährlich zuzüglich der ersparten Zinsen erfolgen. Die jährliche Leistungsrate (Zinsen und Tilgung) sollte 4.500,00 EUR betragen, die in jeweils am Monatsende fälligen monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 375,00 EUR erbracht werden sollte. Zinsen sollten erstmals an dem auf die erste Auszahlung folgenden Zahlungstermin, Tilgungsbeiträge erstmals am 30.04.2008 gezahlt werden. Als Sicherheiten sollten mehrere Grundschulden bestellt werden. Den Klägern wurde am 09.04.2008 eine von ihnen unterschriebene Widerrufsbelehrung ausgehändigt, wegen deren Inhalt und äußerer Gestaltung auf die Anlage K2 Bezug genommen wird. Eine monatliche Annuität in Höhe von 375,00 EUR leisteten die Kläger letztmals am 30.04.2013.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.06.2013 erklärten die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrags. Auf der Basis einer Berechnung der Beklagten vom 19.12.2013 zahlten die Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 40.625,33 EUR an die Beklagte.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Widerruf des Darlehensvertrags sei wirksam und der Beklagten hätte lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 34.809,73 EUR zugestanden.

Die Kläger haben beantragt:

Die Beklagte zahlt an die Kläger zur gesamten Hand 5.815,60 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2013.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihre Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß. Ein Widerrufsrecht der Kläger sei überdies verwirkt. Schließlich sei die Berechnung der Klageforderung nicht schlüssig.

Wegen des darüber hinausgehenden erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des am 27.10.2014 verkündeten Endurteils des LG Nürnberg-Fürth sowie auf die dort genannten Unterlagen Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das LG Nürnberg-Fürth die Klage abgewiesen. Der erst im Jahr 2014 erklärte Widerruf sei verfristet gewesen und habe den Darlehensvertrag nicht in ein Rückabwicklungsverhältnis umwandeln können.

Gegen dieses, ihrer Prozessbevollmächtigten am 7.11.2014 zugestellte Urteil haben die Kläger mit am 26.11.2014 per Telefax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten am 02.12.2014 begründet.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kläger beantragen:

1. Das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 27.10.2014 (Az.: 10 O 3952/14) wird aufgehoben.

2. Die Beklagte zahlt an die Kläger zur gesamten Hand 5.815,60 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2013.

Die Beklagte beantragt, di...

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