Verfahrensgang

LG Osnabrück (Beschluss vom 24.06.2008; Aktenzeichen 12 O 1532/08)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.10.2009; Aktenzeichen IX ZB 248/08)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Osnabrück vom 24.6.2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beklagte begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einspruchsfrist nach Erlass eines Vollstreckungsbescheids.

Der Beklagte war als Steuerberater tätig. Sein Büro betrieb er in einem mit der Hausnummer 5 gekennzeichneten Anbau des Wohnhauses mit der Hausnummer 3, in dem er mit seiner Ehefrau lebt. Die Büroräume hatte er bis zur Aufgabe seiner Tätigkeit zum 31.10.2007 von seiner Ehefrau gemietet. Nach Einstellung seiner Berufstätigkeit entfernte der Beklagte sein Kanzleischild sowie sein Namensschild von Klingel und Briefkasten (Briefschlitz in der Eingangstür). Dem "für das Gebiet zuständigen Briefträger" teilte er mit, dass er sein Büro geschlossen habe und dass für ihn bestimmte Post in den Briefkasten der Hausnummer 3 eingeworfen werden möge.

Der Kläger erwirkte zunächst den Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten, der am 9.1.2008 in den Briefkasten des Anbaus mit der Hausnummer 5 eingelegt wurde. Am 5.2.2008 erging ein Vollstreckungsbescheid, der am 9.2.2008 "in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten" eingelegt wurde.

Am 9.6.2008 ging der mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Einspruch des Beklagten beim AG Hagen - Mahnabteilung - ein.

Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, umfassend dafür Sorge zu tragen, dass nach Aufgabe seiner Tätigkeit und Schließung seines Büros keine an ihn gerichtete Post mehr in den Briefkasten des ehemaligen Büros gelangte.

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der sich u.a. auf die Rechtsprechung des BGH zur Ersatzzustellung bei Wohnungen gem. § 182 ZPO a.F. bezieht.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das LG hat die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist mit zutreffenden Gründen, auf die Bezug genommen wird, abgelehnt. Der Vollstreckungsbescheid ist dem Beklagten durch Einlegen in den Briefkasten der zuvor von dem Beklagten genutzten Geschäftsräume gem. § 180 Satz 1 ZPO wirksam zugestellt worden.

Eine Zustellung durch Einlegen in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten gem. § 180 Satz 1 ZPO setzt zunächst voraus, dass der Geschäftsraum tatsächlich auch von dem Adressaten genutzt wird. Es handelt sich nicht mehr um einen Geschäftsraum im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Inhaber die Räumlichkeiten nicht mehr für seine Geschäftszwecke nutzt. Diesbezüglicher Aufgabewille und Aufgabeakt müssen erkennbar sein. Dabei sind jedoch strengere Anforderungen zu stellen als bei einer Wohnungsaufgabe. Im Fall der Wohnungsaufgabe müssen Aufgabewille und Aufgabeakte nach ständiger Rechtsprechung des BGH, wenn auch nicht gerade für den Absender eines zuzustellenden Schriftstücks oder den mit der Zustellung beauftragten Postbediensteten, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein (vgl. BGH NJW-RR 2005, 415 [415] m.w.N.).

Diese Maßstäbe lassen sich aber nicht uneingeschränkt auf die Aufgabe von Geschäftsräumen übertragen. Vielmehr sind jedenfalls dann, wenn die Geschäftsräume, die der bisherige Inhaber nicht mehr nutzt, im Anschluss daran leer stehen, an die Erkennbarkeit der Nutzungsaufgabe erhöhte Anforderungen zu stellen. Von dem - bisherigen - Inhaber der Geschäftsräume ist zu verlangen, dass er in geeigneter Weise sicherstellt, dass an ihn als Geschäftsinhaber gerichteter Schriftverkehr nicht in den Briefkasten der leer stehenden Räume eingelegt wird und dadurch unbemerkt bleibt. Dies kann, je nach den örtlichen Umständen, durch Zukleben des Briefschlitzes, Anbringen eines Hinweisschildes oder Stellen eines Nachsendeantrags geschehen; unterbleiben alle diese Maßnahmen, spricht einiges dafür, dass der ehemalige Inhaber der Geschäftsräume es geradezu darauf anlegt, an ihn gerichtete Post nicht zu erhalten. Das bloße Entfernen des Namensschildes genügt hingegen nicht, weil grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass der jeweils tätige Zusteller mit den bisherigen örtlichen Gegebenheiten vertraut war. Nach diesen Maßstäben bestehen an einer wirksamen Zustellung nach § 180 Satz 1 ZPO keine durchgreifenden Zweifel.

Der Beklagte war dementsprechend auch nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Einspruchsfrist einzuhalten. Vielmehr hat er dadurch, dass er die Geschäftsräume aufgegeben hat, ohne dies hinreichend kenntlich zu machen, selbst die Ursache für seine verspätete Kenntnisnahme von dem Vollstreckungsbescheid gesetzt. Es kommt hinzu, dass es für den in dem angrenzenden Hauptgebäude wohnenden Beklagten hier besonders einfach gewesen wäre, einen Hinweis an dem Briefschlitz anzubringen, dass die Post im Briefkasten des Hauptgebäudes eingeworf...

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