Leitsatz (amtlich)

1) Hat der Operateur den Verdacht, dass die Trokarspitze im Kniegelenk des Operierten verblieben ist, muss er diesem Verdacht umgehend nachgehen. Verzichtet er darauf, begeht er einen groben Behandlungsfehler.

2) Jedenfalls im Falle bedingten Vorsatzes oder gröbster Fahrlässigkeit ist das Verschulden des Schädigers auch bei ärztlichen Behandlungsfehlern mit Blick auf die erforderliche Genugtuung des Patienten schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 2 O 788/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 11. Mai 2018, Az. 2 O 788/17 geändert und werden die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zur Höhe von 1.335,07 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.05.2016 zu zahlen. Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.

2. (...)

 

Gründe

I. Der Kläger hat von den Beklagten Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden begehrt mit dem Vorwurf, sie hätten ihn während bzw. in Folge eines arthroskopischen Knieeingriffs vom 28.01.2015 fehlerhaft behandelt.

Im Rahmen der OP löste sich die Metallspitze des verwendeten Trokars und verblieb unerkannt im Kniegelenk. Erst am Ende des OP-Tages fiel dem Beklagten zu 1) das Fehlen der Spitze auf. Da diese in den Behandlungsräumen nicht aufgefunden werden konnte, machte sich der Beklagte zu 1) eine Notiz, für den Fall dass sich die Spitze intraoperativ gelöst haben sollte. Indessen nahm er keinen Kontakt zu den operierten Patienten auf und veranlasst auch beim Kläger, der sich am 29.01. zum Verbandswechsel und am 05.02. zum Fädenziehen jeweils in der Praxis einfand, keine weitergehende Untersuchung. Er informierte den Kläger auch nicht über den entsprechenden Verdacht. Erst am 26.02., nachdem sich der Kläger wegen extremer Schmerzen im Knie wiedervorgestellt hatte, veranlasste der Beklagte eine Röntgenuntersuchung, die dann den Befund erbrachte, dass die Trokarspitze im Kniegelenk verblieben war. In einer Revisionsoperation ist der Fremdkörper dann entfernt worden.

Der Kläger hat behauptet, die Trokarspitze habe tiefe Riefen im Knorpel des Kniegelenks hinterlassen. Er könne wegen des verbliebenen Dauerschadens seinem Hobby Bergwandern nur sehr eingeschränkt und seinem weiteren Hobby Volleyball spielen gar nicht mehr nachgehen. Längeres Stehen und das Gehen mittlerer Strecken bereite ihm Schmerzen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben, indem es ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten eingeholt hat, und sodann die Beklagten zu 1) und 3) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 12.000 EUR verurteilt sowie die etwaige Ersatzpflicht für zukünftige Schäden festgestellt. Es stelle einen groben Behandlungsfehler, dass der Beklagte zu 1), nachdem er das Fehlen der Trokarspitze bemerkt hatte, keine Untersuchung aller am Tage operierten Patienten veranlasst hatte. Dies habe zu massiven tiefen Verletzungen des Knorpels im Knie geführt. Wegen der Begründung im Einzelnen, der erstinstanzlichen Anträge und der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ist der Ansicht, dass das Landgericht die bei ihm verbliebenen Dauerfolgen zu gering gewichtet habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Nachdem der Kläger ursprünglich auch Berufung hinsichtlich des Beklagten 2) eingelegt hatte, hat er diese vor mündlicher Verhandlung zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm für die aus dem Behandlungsfehler vom 28.1.2015 und danach erlittenen Verletzungen und gesundheitlichen Schäden ein angemessenes Schmerzensgeld zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.5.2016 zu zahlen;

2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 2.994,04 EUR zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagten zu 1 und 3 beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

im Wege der Anschlussberufung beantragen sie weiterhin, das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 11.5.2018, Az. 2O788/17, aufzuheben, soweit mit dem Tenor zu 1) ein Schmerzensgeld von mehr als 7 500 EUR zugesprochen worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen

Sie verteidigen das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung sind zudem der Ansicht, dass ein Schmerzensgeld von 7.500 EUR ausreiche, um den immateriellen Schaden des Klägers auszugleichen und ihm die notwendige Genugtuung angedeihen zu lassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.

II. Die Berufung hat zu einem Teil Erfolg, die Anschlussberufung nicht.

Dem Senat erscheint ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR erforderlich, um den Kläger in den ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge