Leitsatz (amtlich)

1. Führt ein gerichtlich bestellter Sachverständiger eine Ortsbesichtigung durch, ohne die Parteien zu benachrichtigen, begründet dies die Besorgnis der Befangenheit nicht, solange er beide Parteien gleich behandelt und nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstößt.

2. Überschreitet ein Sachverständiger eigenmächtig seinen Gutachterauftrag, indem er Beweisfragen überdehnt oder ihm nicht gestellte Beweisfragen eigenmächtig bearbeitet, ist sein Gutachten insoweit unzulänglich; er bewegt sich außerhalb seines Auftrags, so dass ihm dafür keine Vergütung zusteht.

3. Eine Überschreitung des Gutachterauftrags begründet allein nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen, sondern nur bei weiteren Umständen, die eine Partei in besonderer Weise benachteiligen, so z.B. wenn der Sachverständige mit der überschießenden Begutachtung neue Mängel aufdeckt und damit das Geschäft einer der Parteien des Rechtsstreits betreibt oder der Sachverständige die Überschreitung seines Gutachterauftrags vorgenommen hat in der Absicht, einseitig eine der Parteien zu belasten.

 

Normenkette

ZPO §§ 406, 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 15.03.2012; Aktenzeichen 18 O 598/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.04.2013; Aktenzeichen VII ZB 32/12)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 15.3.2012 - 18 O 598/06, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 23.598,70 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger macht Architektenhonorar für Planungsleistungen und die Vorbereitung der Vergabe gemäß den Leistungsbildern 1 bis 6 des § 15 Abs. 1 HOAI a.F. geltend.

Mit Beweisbeschluss vom 10.10.2007 wurde der Sachverständige E. mit der Prüfung beauftragt, ob die Architektenhonorare unter Anwendung des § 20 HOAI zutreffend ermittelt wurden. Anlässlich seiner Anhörung vom 5.3.2012 äußerte sich der Sachverständige zu der tatsächlichen Bauausführung und präsentierte dem Gericht mehrere Farbfotos vom Bauobjekt des Beklagten. Er erklärte, während eines Spaziergangs die Fotos gemacht zu haben. Daraufhin wurde der Sachverständige vom Beklagtenvertreter noch in dieser Verhandlung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf Ziff. I der Gründe des angefochtenen Beschlusses des LG Stuttgart vom 15.3.2012 und den Vorlagebeschluss vom 16.4.2012 verwiesen. Mit dem Beschluss des LG Stuttgart vom 15.3.2012 wurde das Ablehnungsgesuch des Beklagten teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen für unbegründet erklärt. Bezüglich der Begründung wird auf Ziff. II und III des angegriffenen Beschlusses verwiesen.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten. Der Sachverständige habe seinen Auftrag eigenmächtig überschritten. Dazu habe er das Grundstück des Beklagten betreten müssen. Er habe seine bei der Besichtigung des Grundstücks gemachten Feststellungen in seiner Aussage verwertet. Die Feststellungen hätten die Außenanlagen betroffen, die dem Kläger gar nicht beauftragt worden seien. Der Sachverständige habe die bei der Ortsbesichtigung getroffenen Feststellungen zum Nachteil des Beklagten berücksichtigt. Auch zum Schwimmteich und der Stützmauer an der südlichen Grundstücksgrenze habe der Sachverständige Feststellungen zum Nachteil des Beklagten getroffen. Entgegen der Auffassung des LG komme der tatsächlichen Bauausführung im Hinblick auf den geschuldeten Planungserfolg eine Bedeutung zu. Schon früher sei der Sachverständige bei der Entgegennahme von Plänen und Unterlagen eigenmächtig vorgegangen, was bei der Gesamtbewertung des Ablehnungsgrundes zu berücksichtigen sei.

Mit Beschluss vom 12.6.2012 wurde das Beschwerdeverfahren vom Einzelrichter auf den Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Das Ablehnungsgesuch wurde im Hinblick auf das Betreten des Grundstücks des Beklagten durch den Sachverständigen und das Fotografieren einzelner Gebäudeteile in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht, gestellt. Zu Recht hat aber das LG angenommen, dass ein Ablehnungsgrund hinsichtlich des Sachverständigen E. nicht vorliegt.

Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH BauR 2005, 1205 juris Rz. 12). Ein solcher Grund liegt hier nicht vor.

1. Das Unterlassen der Benachrichtigung beider Parteien von einer Ortsbesichtigung rechtfertigt nicht die Ablehnung eines Sachverständigen (OLG Nürnberg MDR 2007, 237; OLG Dresden NJW-RR 1997, 1354; OLG...

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