Verfahrensgang

Notariat Ehingen (Entscheidung vom 13.06.2012; Aktenzeichen I GRG 607/2012)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Grundbuchamts Ehingen vom 13.06.2012 (I GRG 607/2012) aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, dem Antragsteller Einsicht in das Grundbuch vom Ehingen/Donau betreffend das Grundstück ... in E... zu gestatten, bzgl. der zur Ergänzung einer Eintragung in Bezug genommen Urkunden beschränkt sich die Einsicht auf solche, mit welchen Rechtsgeschäfte zwischen Mitgliedern der ... ... beurkundet wurden (zwischen ..., ..., ... oder ...).

  • 2.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  • 3.

    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000.- EUR.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller recherchiert als Reporter einer großen deutschen Tageszeitung mögliche Vermögensübertagungen zwischen Angehörigen der Unternehmerfamilie ... vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des eingetragenen Kaufmanns ... . Er weist auf Presseberichte des "Tagesspiegels" vom 12.06.2012 und des "Spiegels" vom 11.06.2012 sowie eigene Recherchen über "strittige" Grundstücksgeschäfte in Österreich zwischen ... ... und seinen Kindern hin. In diesem Zusammenhang gehe er auch einem Hinweis des "Manager Magazins" nach, der explizit davon spreche, dass das Eigentum am Wohnhaus von ... ... in E... "vor geraumer Zeit" auf dessen Ehefrau übertragen worden sei.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hält der Antragsteller ein Grundbucheinsichtsrecht für ausreichend dargelegt. Angesichts des konkreten Verdachts und wegen der Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auch auf tausende von Arbeitnehmern überwiege das Informationsrecht der Öffentlichkeit und der Presse das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Mitglieder der ... ....

Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Einsicht in das genannte Grundbuch mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller könne sich wegen der begehrten Auskunft auch an den Insolvenzverwalter wenden.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1.

Die nach §§ 71 ff. GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller ist die aus dem Tenor ersichtliche Grundbucheinsicht nach § 12 Abs. 1 GBO i.V.m. § 46 GBV zu gewähren. Das Einsichtsrecht in die Grundakten ist nach §§ 12 Abs. 1 S. 2 GBO, 46 GBV auf solche Urkunden beschränkt, auf die zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist und durch die Rechtsgeschäfte zwischen Mitgliedern der ... ... (... ..., ... ..., ... ..., ... ...) beurkundet werden. Diese Beschränkung folgt dem Beschwerdeantrag ("Grundbuchsachen zu ....") und damit dem Umfang des Informationsanliegens, das mit dem Verdacht der Vornahme anfechtbarer Rechtsgeschäfte unter den Mitgliedern der ... ... begründet wird.

2.

Über den ursprünglichen, dem allgemeinen Rechtsverkehr mit Grundstücken dienenden Regelungszweck hinaus, vermag auch ein schutzwürdiges Interesse der Presse daran, von den für ein bestimmtes Grundstück vorgenommenen Eintragungen Kenntnis zu erlangen, das nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO für die Gestattung der Einsicht erforderliche berechtigte Interesse zu begründen (BVerfG NJW 2001, 503; BGH NJW-RR 2011, 1651 m.w.N. aus dem Schrifttum). Ein solches Interesse besteht auch hier, weil das Einsichtsgesuch auf die Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen über eine Grundstücksübertragung unter Familienangehörigen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Übertragenden zielt und somit der von dem Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 2 GG) erfassten publizistischen Vorbereitungstätigkeit zuzuordnen ist (BVerfGE 50, 234, 240).

Schutzwürdige Belange der im Grundbuch Eingetragenen stehen einer Einsichtnahme nicht entgegen, obwohl auch ihnen aufgrund der im Grundbuch enthaltenen personenbezogenen Daten über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (informationelle Selbstbestimmung) Verfassungsrang zukommt. Das Interesse der Presse erweist sich als gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Eingetragenen dann als vorrangig, wenn es sich um eine Frage handelt, die für die Öffentlichkeit von Interesse ist und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient (BVerfG a.a.O). Daran können im Hinblick auf das öffentliche Interesse, insbesondere auch auf das Interesse der betroffenen Arbeitnehmer, an dem Gesamtkomplex Insolvenz der ... Unternehmensgruppe und der Frage einer anfechtbaren Schmälerung der Insolvenzmasse keine Zweifel bestehen. Dafür, dass die aus den Nachforschungen möglicherweise resultierende Berichterstattung lediglich dazu dienen könnte, eine in der Öffentlichkeit vorhandene Neugierde und Sensationslust zu befriedigen, bestehen keine Anhaltspunkte (vgl. BGH a.a.O.).

Wie in dem vom Bundesgerichtshof (BGH NJW-RR 2011, 1651) entschiedenen Fall ist auch hier nicht ers...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge