Entscheidungsstichwort (Thema)

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ)

 

Leitsatz (amtlich)

Für die unbezifferte Kostengrundentscheidung in dem Urteil eines französischen Gerichts (Cour d'Appel) darf die Vollstreckungsklausel nicht erteilt werden, weil es an der von Art. 31 EuGVÜ vorausgesetzten Bestimmtheit des Titels fehlt (Bestätigung von OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.10.1995 – 3 W 160/95).

 

Verfahrensgang

LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 13.08.2003; Aktenzeichen 4 O 263/03)

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in der Vollstreckungsklausel vom 24.9.2003 die Worte „… die Prozesskosten und …” wegfallen.

II. Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf einen Betrag in der Gebührenstufe von 50.000,01 Euro bis 65.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die 2. Zivilkammer der Cour d'Appel (OLG) de Colmar hat durch (Berufungs-)Urteil vom 16.11.2001 (in Fotokopie Bl. 37 ff. d.A.) das Versäumnisurteil desselben Gerichts vom 23.10.1998 bestätigt, mit welchem die Antragsgegner verurteilt worden sind, an die Antragsteller Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vorvertrages über den Kauf einer Immobilie i.H.v. 300.000 FF sowie einen weiteren Betrag von 20.000 FF gem. Art. 700 des Nouveau code de procédure civile (Ncpc) zu zahlen; darüber hinaus enthält das vorbezeichnete Erkenntnis vom 16.11.2001 die Verurteilung der Antragsgegner zur Zahlung eines zusätzlichen Schadensersatzes von 20.000 FF gem. Art. 700 Ncpc sowie zu den Prozesskosten (dépens).

Entsprechend dem Begehren der Antragsteller hat die Vorsitzende der 4. Zivilkammer des LG Landau in der Pfalz am 13.8.2003 angeordnet, dass das Urteil der Cour d'Appel de Colmar vom 16.11.2001 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat daraufhin am 24.9.2003 die Vollstreckungsklausel erteilt.

Gegen den ihnen am 26.9.2003 zugestellten Beschluss der Kammervorsitzenden richtet sich die am 20.10.2003 beim OLG eingegangene Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie geltend machen, dass der notariell beurkundete Vertrag, wegen dessen Nichterfüllung sie die Cour d'Appel de Colmar zu Schadensersatz verurteilt hat, von ihnen aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen angefochten werde; Folge dieser Anfechtung sei, dass aus dem französischen Titel nicht vollstreckt werden dürfe.

II.1.a) Das Rechtsmittel ist gem. Art. 36 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1a, 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der EG auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG) statthaft. Es ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 11 Abs. 3 AVAG beim OLG eingelegt worden und entspricht der von § 11 Abs. 1 S. 1 AVAG bestimmten Form.

Die von der Kammervorsitzenden in der Begründung ihrer Entscheidung zitierte Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVO) ist auf den vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbar; denn die genannte Verordnung erfasst gem. ihrem Art. 66 das vor ihrem In-Kraft-Treten am 1.3.2002 (Art. 76 EuGVO) erlassene französische Urteil nicht.

b) Zwar liegt dem Beschwerdeverfahren gem. §§ 11 ff. AVAG das Modell der zivilprozessualen Beschwerde zugrunde (§§ 567 ff. ZPO). Gleichwohl muss vor der Entscheidung des Senats keine Abhilfeentscheidung des LG (vgl. § 572 Abs. 1 ZPO) herbeigeführt werden, da eine Befugnis für das die Vollstreckung zulassende Gericht zur Abhilfe einer gegen seine Entscheidung gerichteten Beschwerde nach allgemeiner Ansicht nicht besteht (BT-Drucks. 11/351, 22; Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., § 11 AVAG Rz. 4; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 EuGVO Rz. 10; OLG München NJW 1975, 504).

c) Die Entscheidung des Senats ergeht in voller Besetzung des Spruchkörpers, weil die Vorsitzende der Zivilkammer den angefochtenen Beschluss gem. § 3 Abs. 3 AVAG nicht als erstinstanzliche „Einzelrichterin” i.S.v. § 568 ZPO erlassen hat (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.11.2003 – 3 W 149/03; OLG Stuttgart v. 6.9.2002 – 5 W 25/02, OLGReport Stuttgart 2003, 102; OLG Köln IPrax 2003, 354).

2. In der Sache führt die Beschwerde nur zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg.

Die Vorsitzende der 4. Zivilkammer des LG Landau in der Pfalz hat das Urteil der Cour d'Appel de Colmar vom 16.11.2001 – mit Ausnahme der Verurteilung der Antragsgegner zu den Prozesskosten (dazu unten e)) – zu Recht für vollstreckbar erklärt.

Im Einzelnen gilt dazu Folg...

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