Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers zur Abgabe, Übernahme oder Vorlage im Betreuungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung über eine Abgabe, eine Übernahme des Verfahrens oder eine Vorlage an das obere Gericht ist in Betreuungsverfahren allein dem Richter vorbehalten.

 

Normenkette

FGG § 46 Abs. 1 S. 1, § 65a Abs. 1 S. 1; RPflG § 14 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Daun (Aktenzeichen 9 SmA 5/08)

AG Eschwege (Aktenzeichen 10 XVII 659/06)

 

Tenor

Das Verfahren kann derzeit nicht an das AG Daun abgegeben werden.

 

Gründe

Das OLG Zweibrücken (und nicht das OLG Koblenz) ist für die Entscheidung über die Abgabe des Verfahrens gem. §§ 65a Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1, 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, § 4 Abs. 3 Nr. 2a GerOrgG Rheinland-Pfalz zuständig. Es entscheidet den Abgabestreit dahin, dass das Verfahren derzeit nicht vom AG Daun zu übernehmen ist.

Nach §§ 65a Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 1 Satz 1 FGG kann ein Betreuungsverfahren aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgegeben werden. Ist dieses zur Übernahme nicht bereit, entscheidet das für den Abgabestreit zuständige Gericht (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen einer Abgabe trotz des Wohnsitzwechsels der Betroffenen noch nicht erfüllt.

Zunächst weist der Senat darauf hin, dass der Rechtspfleger des AG Eschwege grundsätzlich nicht befugt ist, den Abgabestreit vorzulegen (vgl. Senat, etwa Beschl. v. 10.5.2005 - 2 AR 20/05 = FGPrax 2005, 216; BayObLGZ 1992, 268 [269] sowie 353 ff.; OLG Düsseldorf RPfleger 1997, 426 und 1998, 103 (25. Zivilsenat); KG RPfleger 1996, 400; Damrau/Zimmermann, BtG, § 14 RPflG Rz. 11; Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FG, 15. Aufl., § 65a Rz. 9; a.A.: OLG Hamm OLGZ 1994, 343; OLG Köln FamRZ 2001, 939; OLG Düsseldorf RPfleger 1994, 244 (3. Zivilsenat)). Denn aus den Gesetzgebungsmaterialien zu dem Betreuungsgesetz ergibt sich, dass Richtervorbehalte für bestimmte in den Regelungen des FGG vorgesehene Verrichtungen deshalb nicht ausdrücklich aufgenommen worden sind, weil der Gesetzgeber es als selbstverständlich erachtet hat, dass der nach materiellem Recht für die Hauptsacheentscheidung zuständige Funktionsträger auch die verfahrensrechtlichen Nebenentscheidungen zu treffen hat (vgl. BT-Drucks. 11/4528, 165). Eine Vorlage durch den Rechtspfleger ist demnach nur dann eine genügende Grundlage für die Entscheidung über einen Abgabestreit oder ein Verfahren über die Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn es sich in der Hauptsache um einen den Rechtspfleger übertragene Angelegenheit handelt (vgl. Senat a.a.O.).

Dafür ist für den vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen. Zwar war der Rechtspfleger nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht grundsätzlich auch in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen befugt, über die Abgabe bzw. die Übernahme des Verfahrens zu befinden und auch eine Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts herbeizuführen (§ 3 Nr. 2a RPflG a.F.). Das galt aber schon nach altem Recht nicht für Sachen, die dem Richter vorbehalten waren (vgl. BayObLG a.a.O.). Das am 1.1.1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz hat indessen die Übertragung von Geschäften an den Rechtspfleger stark eingeschränkt (vgl. BT-Drucks. a.a.O. S. 163 ff.; BayObLGZ a.a.O.; Damrau/Zimmermann a.a.O. Rz. 2-4). Auf dieser Grundlage ist vom Richter laufend, spätestens bei Ablauf der bei Bestellung des Betreuers bestimmten Frist zu prüfen, ob die Betreuung aufgehoben oder verlängert werden muss (§§ 69 Abs. 1 Nr. 5, 69i Abs. 6 Satz 1 FGG, § 1896 BGB, § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG). Des Weiteren hat der Richter ständig zu überwachen, ob Umstände bekannt geworden sind, die eine Entlassung des Betreuers erfordern (§ 1908b Abs. 1 und 5 BGB, § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPFLG).

Ausgehend hiervon sind in jeder Betreuungssache laufend auch dem Richter vorbehaltene Angelegenheiten zu erledigen. Deshalb ist dem Richter auch allein die Entscheidung über eine Abgabe, eine Übernahme des Verfahrens oder eine Vorlage an das obere Gericht vorbehalten (vgl. BayObLGZ a.a.O.; KG a.a.O.; Keidel/Kayser a.a.O., jeweils m.w.N.), obwohl ihm nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG im Zusammenhang mit einer Abgabe des Verfahrens (§ 65a FGG; Art. 9 § 5 Abs. 2 Satz 3 BtG) nicht ausdrücklich die Entscheidung vorbehalten ist. Denn nur dadurch ist gewährleistet, dass nicht der Rechtspfleger dem Richter, wenn auch unbewusst, möglicherweise unmittelbar vor einer anstehenden richterlichen Entscheidung die Sache durch eine Abgabeentscheidung entzieht. Seit dem Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes ist dem Rechtspfleger weder die Abgabe bzw. die Entscheidung über die Übernahme einer Betreuungssache noch die Vorlage eines diesbezüglichen Abgabestreites an das Obergericht übertragen. Eine dem zuwider getroffene Verfügung ist unwirksam (§ 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch das 3. Gesetz zur Änderung des Rechtspflegergesetzes vom 6.8.1998. Zwar war mit dieser Gesetzesänderung eine Stärkung der Stellung des ...

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