Leitsatz (amtlich)

Mit dem Wegfall des Schuldners als Rechtsperson aufgrund Löschung im Handelsregister infolge Vermögenslosigkeit muss den schutzwürdigen Interessen des Gläubigers an der Unterbrechung der Verjährung der Hauptschuld dadurch Rechnung getragen werden, dass hierfür Unterbrechungsmaßnahmen gegen den Bürgen genügen. Hierzu reicht auch eine Vollstreckungshandlung (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB) ggü. dem Bürgen aus, wenn dieser bereits vor Untergang des Hauptschuldners rechtskräftig aus der Bürgschaft verurteilt worden war, was allerdings die Verjährung der Hauptschuld nicht beeinflusst hat.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 224/05)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Versäumnisurteil des LG Saarbrücken, mit dem er als Bürge zur Zahlung von 130.405,97 DM (66.675,52 EUR) zzgl. Nebenforderungen verurteilt worden ist. Diesem lagen Ansprüche aus einem unter dem 2.2.1995 gekündigten Kontokorrentkredit zugrunde, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Firma A. GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger war, gewährt und für den dieser eine betragsmäßig unbeschränkte Bürgschaft übernommen hatte. Die von der Hauptschuldnerin unter dem 1.2.1995 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen wurde durch Beschluss des AG St. Wendel vom 2.5.1995 mangels Masse abgelehnt. Am 6.11.1996 wurde die vermögenslose Hauptschuldnerin im saarländischen Handelsregister gelöscht.

Zahlreiche, seit 1996 eingeleitete Vollstreckungsversuche gegen den Kläger, zuletzt der Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch das AG St. Wendel am 21.10.2003 und der Pfändungsbeschluss des AG St. Wendel vom 17.12.2004 wegen eines Teilbetrages i.H.v. 50.000 EUR blieben erfolglos. Gegen die Hauptschuldnerin verfolgten weder die Beklagte noch deren Rechtsvorgängerin ihre Ansprüche aus dem gekündigten Kontokorrentkredit.

Der Kläger hat im Wege der Vollstreckungsabwehrklage die Einrede der Verjährung der Hauptschuld erhoben und die Herausgabe des Vollstreckungstitels verlangt.

Durch das angefochtene Urteil hat das LG die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

... I. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des LG Saarbrücken vom 4.12.1995 - 1 O 351/95 - ist weder für die Hauptforderung noch für die titulierten Nebenforderungen unzulässig.

1. Dem Kläger steht gegen die titulierte Hauptforderung mangels Verjährung der Hauptschuld keine Einwendung i.S.d. § 767 Abs. 1 ZPO zu.

a) Zwar kann sich der Kläger als Bürge gem. § 768 Abs. 1 i.V.m. § 214 Abs. 1 BGB auf die Einrede der Verjährung der Hauptschuld berufen, denn diese gehört zu den dem Hauptschuldner zustehenden Einreden. Deren Geltendmachung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Bürgschaftsklage vor Vollendung dieser Verjährung erhoben wurde (BGH v. 12.3.1980 - VIII ZR 115/79, MDR 1980, 664 = NJW 1980, 1460 unter II. 4. a. = BGHZ 76, 223 ff.; NJW 1998, 2972, 2973 unter II.1. = BGH v. 9.7.1998 - IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214 ff. = MDR 1998, 1240) oder der Bürge bereits rechtskräftig verurteilt wurde; er kann dann die Verjährungseinrede ggü. dem titulierten Anspruch gem. §§ 768 BGB, 767 ZPO einwenden (BGH v. 5.11.1998 - IX ZR 48/98, NJW 1999, 278, 279 unter I.2.). Dabei kann er sich hierauf sogar dann noch berufen, wenn der Hauptschuldner wegen Vermögenslosigkeit und/oder Löschung im Handelsregister als Rechtsperson untergegangen ist (BGH v. 28.1.2003 - XI ZR 243/02, MDR 2003, 583 = GmbHR 2003, 417 = BGHReport 2003, 438 m. Anm. Klose = NJW 2003, 1250, 1251 unter II.2.; ebenso OLG Düsseldorf v. 30.6.2005 - 10 U 28/05, NJW-RR 2005, 1495 unter II.3.).

b) Im Streitfall kann sich der Kläger jedoch nicht auf die Verjährung der Hauptschuld berufen, da der Lauf der Verjährungsfrist durch die - nach Wegfall der Hauptschuldnerin durch Löschung im Handelsregister zum 6.11.1996 - zwischen dem 1.1.2002 und dem 31.12.2004 ggü. dem Kläger vorgenommenen Vollstreckungshandlungen mehrfach neu begonnen hat, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

aa) Die Hauptschuld - die Ansprüche aus dem unter dem 2.2.1995 gekündigten Kontokorrentkredit der Firma A. GmbH - verjährte ursprünglich in der alten regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren, § 195 BGB a.F. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB lief ab 1.1.2002 die neue - kürzere - regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB n.F., die mit dem 31.12.2004 abgelaufen wäre.

bb) Diese neue regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren begann jedoch zuletzt durch den Erlass des Haftbefehls des AG St. Wendel vom 21.10.2003 (Bl. 118) gegen den Kläger für die gesamte Hauptschuld gem. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB ab dem 22.10.2003 neu zu laufen.

(1) Zwar handelt es sich hier um eine Vollstreckungshandlung ggü. dem Kläger aufgrund der gegen ihn titulierten Bürgschaftsforderung, die eine von der Verbindlichkeit des Hauptschuldners verschiedene, einse...

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