Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Streit um Schadensersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung aus einem unentgeltlichen Beratungsvertrag ist der Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1a EuGVVO eröffnet, denn es liegt kein Dienstvertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1b, 2. Spiegelstrich EuGVVO vor.

2. Art. 5 Nr. 1a EuGVVO eröffnet nicht nur an dem Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre einen Gerichtsstand, sondern auch an dem Ort, an dem die Verpflichtung tatsächlich erfüllt wurde. Dieser Ort der tatsächlichen Leistung ist an Hand sinnlich wahrnehmbarer Fakten zu bestimmen, ohne dass es weitergehender kollisionsrechtlicher Betrachtungen bedürfte.

3. Produkthaftungsansprüche, die nicht im Zusammenhang mit kaufvertraglichen Lieferpflichten stehen, sind solche aus einer unerlaubten Handlung i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.

4. In Anlehnung an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Zuid Chemie BV" ist im Rahmen eines Produkthaftungsstreits der Ort, an dem der Schaden durch den gewöhnlichen Gebrauch des Produkts für seinen bestimmungsgemäßen Zweck eingetreten ist, der Erfolgsort i.S.d. Art. 5 EuGVVO.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 16.10.2009; Aktenzeichen 17 KFH O 152/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 gegen das am 16.10.2009 verkündete Zwischenurteil des LG Saarbrücken - 17 KFH O 152/08 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten zu 1 und 2 tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten zu 1 und 2 wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten in zweiter Instanz um die internationale Zuständigkeit des LG Saarbrücken.

Die Klägerin ist eine GmbH, die zusammen mit mit vier weiteren Verzinkereien die S. Verzinkerei bildet. Die Klägerin beschäftigt sich u.a. mit der Verzinkung von Stahlbaukonstruktionen für große Bauvorhaben. Diese Verzinkung dient dem Korrosionsschutz. Bei dem Verzinkungsvorgang werden die von Stahlbauunternehmen erstellten Konstruktionsteile nach einer Vorbehandlung in den Verzinkungskesseln der Klägerin in einem Zinkbad verzinkt.

Bei der Beklagten zu 1 handelt es sich um eine nach belgischem Recht gegründete und eingetragene société anonyme, also um eine Aktiengesellschaft belgischen Rechts, mit Sitz in B.. Sie gehört zum U. Konzern, der bis in das Jahr 2006 weltweit in der Entwicklung, Verarbeitung und im Vertrieb von Zinkprodukten tätig war. Die Beklagte zu 1 behauptet, ihren Geschäftsbereich "z. a." Ende des Jahres 2006 auf die Beklagte zu 2, bei der es sich ebenfalls um eine nach belgischem Recht gegründete und eingetragene société anonyme mit Sitz in B2 handelt, ausgegliedert zu haben, wodurch sämtliche Ansprüche und Forderungen im Hinblick auf die streitgegenständliche Problematik auf die Beklagte zu 2 übergegangen seien.

Die Klägerin setzte ab dem 1.8.2002 bei der Verzinkung die von der Beklagten zu 1 entwickelte und produzierte sog. "G. - Legierung" ein. Die "G. - Legierung" fungierte als ein Bestandteil - neben anderen - der von der Klägerin für den Verzinkungsvorgang verwendeten Zinkbäder. Die G. - Legierung der Beklagten wurde von einer Vertriebsgesellschaft, der Fa. U. M. S. Deutschland GmbH mit Sitz in E., auf dem deutschen Markt vertrieben. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 standen bereits vor der Einführung der "G. - Legierung" in einer laufenden Geschäftsverbindung.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin im Vorfeld der Einführung, in der Einführungsphase und auch noch später im Rahmen der Anwendung der "G. - Legierung" in ihrem Betrieb in S. durch den seinerzeitigen Leiter des Anwendungsbereiches der Beklagten zu 1 - Herrn Dr. R. P. - beratend begleitet wurde, wobei die Parteien jedoch über den Umfang und den Inhalt der Beratung streiten sowie auch darüber, ob die Beratung zu einem eigenständigen Beratungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geführt hat oder ob es sich bei der Beratung nur um eine "Serviceleistung" der Beklagten zu 1 als Herstellerin "G. - Legierung" gegenüber der Klägerin als Kundin handelte.

Ab dem Jahr 2005 trat an verschiedenen, mit der "G. - Legierung" verzinkten Stahlelementen das Phänomen von "LME - Rissen" auf, wobei die Ursache und die Verantwortlichkeit für diese Risse zwischen den Parteien im Streit steht.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 in dem dem Berufungsverfahren zugrunde liegenden Verfahren des LG Saarbrücken - Kammer für Handelssachen - Az. 17 KFH O 152/08 - auf Feststellung der Verpflichtung in Anspruch, sämtliche bereits eingetretenen und zukünftig eintretende Schäden zu ersetzen, die darauf zurückzuführen sind, dass während des Verzinkungsvorgangs einschließlich der gesamten Vorbehandlung, insbesondere durch die in den Verzinkungsbädern der Klägerin auf ihrem Werksgelände im Zeitraum vom 1...

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