Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld als Einkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Kindergeld, das von einem der Ehegatten bezogen wird, ist als Einkommen bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Scheidung zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Itzehoe (Beschluss vom 18.09.2006; Aktenzeichen 76 F 229/06)

 

Tenor

Der angefochtene Streitwertbeschluss wird teilweise geändert.

Der Streitwert für die Scheidung wird auf bis zu 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Vorab ist jedoch festzustellen, dass eine Festsetzung des Streitwertes für das Scheidungsverfahren auf den Mindestwert nach § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht etwa durch die jüngste Rechtsprechung des BVerfG ausgeschlossen ist. Entgegen einem häufig zum Ausdruck kommenden offenbaren Fehlverständnis verschiedener Anwälte befasst sich Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05, AnwBl. 2005, 651) ausschließlich mit der Frage, ob eine Streitwertfestsetzung für das Scheidungsverfahren mit dem Mindestbetrag von 2.000 EUR allein auf die Tatsache beiderseitiger Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe gestützt werden kann bzw. in derartigen Fällen - wie in einzelnen Entscheidungen anderer Gerichte angenommen - sogar eine höhere Streitwertfestsetzung ausgeschlossen ist. Die Festsetzung mit dem Mindeststreitwert nach § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG bleibt davon aber in denjenigen Fällen unbenommen, in denen sich nach den Regeln des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG kein höherer Streitwert ergibt.

Im vorliegenden Fall ist aber eine höhere Festsetzung als die vom AG vorgenommene gerechtfertigt. Bei der Wertfestsetzung für ein Scheidungsverfahren ist gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG von dem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen der Eheleute auszugehen. Der Antragsteller hat ein Nettoeinkommen von knapp 1.000 EUR monatlich. Grundsätzlich zutreffend hat das AG vom Nettoeinkommen des Antragstellers im Hinblick auf die Unterhaltspflicht für drei Kinder Abzüge vorgenommen. Da das Einkommen des Antragstellers jedoch nicht ausreicht, den Regelunterhalt für die drei Kinder zu begleichen, und weil auf der anderen Seite das Kindergeld zum Einkommen zu rechnen wäre (OLG Hamm, Beschl. v. 27.1.2006 - 11 WF 333/05, OLGReport Hamm 2006, 241; anders OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.1.2006 - II-3 WF 298/05, OLGReport Düsseldorf 2006, 358 = OLGReport 2006, 358), sieht der Senat hier von einem Abzug wegen der Unterhaltspflicht und von einer Anrechnung des Kindergelds ab, so dass von einem Nettoeinkommen des Antragstellers von 1.000 EUR monatlich auszugehen ist.

Auf Seiten der Antragsgegnerin ist das von ihr bezogene Erziehungsgeld i.H.v. 300 EUR zu berücksichtigen. Zwar hat das Erziehungsgeld keine Lohnersatzfunktion, sondern wird auch an Eltern gezahlt, die zuvor nicht erwerbstätig waren. Weil das Erziehungsgeld weder tatsächliche Einkommenseinbußen ausgleichen noch für den tatsächlichen Betreuungsaufwand entschädigen soll, wird durch den Bezug die Betreuung und Erziehung eines Kindes durch eine nicht oder nicht voll erwerbstätige, sorgeberechtigte Person in der ersten Lebensphase des Kindes allgemein gefördert (BVerfG v. 22.12.1993 - 1 BvR 54/93, FamRZ 1994, 363). Nach übereinstimmender Auffassung ist das Erziehungsgeld deswegen im Regelfall nicht als anrechenbares Einkommen bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen zu berücksichtigen (BGH v. 21.6.2006 - XII ZR 147/04, MDR 2006, 1231 = BGHReport 2006, 1241). Bei der Bemessung des Streitwerts in Ehesachen ist das Erziehungsgeld jedoch zu berücksichtigen, weil es sich nicht um eine Sozialleistung handelt. Denn das Gesetz knüpft hinsichtlich der Gebührenberechnung mit der Bezugnahme auf das Einkommen (und das Vermögen) der Eheleute ersichtlich an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eheleute an. Zum "Nettoeinkommen" gehören daher nur reine staatliche Sozialleistungen wie Sozialhilfe nicht, die Ausdruck fehlender eigener Mittel der Empfänger sind (OLG Celle, Beschl. v. 19.5.2006 - 10 WF 466/05 OLGReport Celle 2006 - noch nicht veröffentlicht - m.w.N.).

Insgesamt haben die Eheleute mithin ein anrechenbares Nettoeinkommen von monatlich etwa 1.300 EUR zur Verfügung gehabt, so dass der Streitwert für die Scheidung auf bis zu 4.000 EUR festzusetzen gewesen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1705379

JurBüro 2007, 32

www.judicialis.de 2006

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