Entscheidungsstichwort (Thema)

Internetnutzung im Mobilfunkvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anbieterin eines Mobilfunkvertrages verletzt ihre Nebenpflicht aus dem Dauerschuldverhältnis, das Vermögen ihres Kunden zu schützen, indem sie ihm im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses Mobilfunkvertrag durch gesonderten Vertrag ein Mobiltelefon mit einer Navigationssoftware verkauft, ohne nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die automatisch startende Kartenaktualisierung bei seinem Vertrag, der sich nach ihrer Nutzungsempfehlung nur bis 0,5 MB rechnet, wegen sonst entstehender besonders hoher Kosten unbedingt abgebrochen werden müsse.

Sie ist deshalb nach Treu und Glauben gehindert, Kosten für eine Internetnutzung im Umfang von 589 MB (hier: ca. 11.500 EUR) geltend zu machen.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 19.11.2010; Aktenzeichen 2 O 139/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 19.11.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Kiel teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35,93 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.7.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien verband ein im Juli 2005 geschlossener Mobilfunkvertrag, nach dem der Beklagte im Rahmen der Internetnutzung für das Abrufen einer Datenblockgröße von 10 KB je 0,19 ct brutto sowie einen Stundennutzungspreis von 0,02 ct brutto zu zahlen hatte. Sie streiten um Ansprüche der Klägerin i.H.v. 11.498,05 EUR aus einer Rechnung vom 13.1.2009 für die Zeit vom 1. bis zum 20.12.2008. Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist überwiegend begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 ZPO i.V.m. § 546 ZPO), soweit das LG der Klägerin aus der Rechnung vom 13.1.2009 über 11.498,05 EUR für die Zeit vom 1. bis zum 20.12.2008 mehr als 35,93 EUR zuerkannt hat.

1. Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin ist der mit dem Beklagten im Juli 2005 geschlossene Vertrag über die Lieferung von Telekommunikationsdienstleistungen des Netzbetreibers X, nach dem der Beklagte im Rahmen der Internetnutzung für das Abrufen einer Datenblockgröße von 10 KB je 0,19 ct brutto sowie einen Stundennutzungspreis von 0,02 ct brutto zu zahlen hatte. Der Vertrag ist ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB in Form eines Dauerschuldverhältnisses. Dieses unterscheidet sich von den auf eine einmalige Leistung gerichteten Schuldverhältnissen dadurch, dass aus ihm während seiner Laufzeit ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 314 Rz. 2). Leistungspflichten sind die Erbringung der Telefondienstleistungen und die Zahlung der Vergütung. Das Schuldverhältnis schafft daneben eine von Treu und Glauben beherrschte Sonderverbindung, für die § 241 Abs. 2 BGB bestimmt, dass das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann. Schutzgegenstand ist das Integritätsinteresse des anderen Teils, d.h. sein personen- und vermögensrechtlicher status quo. Umfang und Inhalt der Rücksichtnahmepflichten hängen vom Vertragszweck, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs ab (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 241 Rz. 6 f.). Nebenpflicht im Rahmen eines Mobilfunkvertrages ist die Pflicht beider Vertragspartner, für eine möglichst reibungslose und transparente Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu sorgen, und die Fürsorgepflicht, möglichst Schäden von der anderen Seite abzuwenden. Die Verletzung von Nebenpflichten kann dazu führen, dass dem Gläubiger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ein Anspruch auf das vereinbarte Nutzungsentgelt nicht zusteht, weil dem der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen steht (LG Münster, Urt. v. 18.1.2011 - 6 S 93/10 -, K&R 2011, 359, zitiert nach juris; AG Frankfurt, Urt. v. 2.11.2007 - 32 C 1949/07 -, CR 2008, 225, zitiert nach juris).

2. Es kann unterstellt werden, dass der Beklagte am 20.12.2008 das Internet in dem von der Klägerin behaupteten Umfang - Datentransfer von 589 MB - genutzt hat. Es kann ferner unterstellt werden, dass diese Nutzung entgegen der Behauptung des Beklagten nicht "selbsttätig" durch das Mobiltelefon geschehen ist, sondern dadurch, dass der Beklagte an einer bestimmten Stelle der Installation der Navigationssoftware auf den Hinweis, dass nunmehr die Kartenaktualisierung automatisch starte, zwischen den - mangels Kenntnis des Bildschirms vom Senat unterstellten - Auswahlantworten "Fortfahren oder Abbruch" die Möglichkeit "Fortfahren" gewählt hat. Der Beklagte hat dafür jedoch nich...

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