Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 16.05.2007; Aktenzeichen 1 HKO 101/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 19.01.2009; Aktenzeichen II ZR 98/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Mühlhausen vom 16.5.2007 - 1 HKO 101/06, abgeändert.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.8.2006 mit dem Inhalt: "Die Gesellschafterversammlung beschließt die Abberufung des Geschäftsführers Herrn V. H.." wird für nichtig erklärt.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.8.2006 mit dem Inhalt: "Die Gesellschafterversammlung bevollmächtigt den stellvertretenden Geschäftsführer Herrn I. E., die Kündigung des Geschäftsführervertrages im Namen der Gesellschafterversammlung auszusprechen." wird für nichtig erklärt.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.8.2006 mit dem Inhalt: "Die Gesellschafterversammlung beschließt, die Einberufung von Herrn I. E. zum Geschäftsführer." wird für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollsteckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist einer von insgesamt sechs Gesellschaftern der aus einer ehemaligen Genossenschaft hervorgegangenen Beklagten. Zumindest bis zu der Gesellschafterversammlung vom 29.8.2006 war er zugleich alleiniger Geschäftsführer der Beklagten.

Am 29.8.2006, dem ersten Arbeitstag des Klägers nach seinem Jahresurlaub, wurde dieser von einem der Mitgesellschafter um 8.00 Uhr zu einer Besprechung gebeten, an der sämtliche Gesellschafter der Beklagten teilnahmen und in deren Verlauf mit den Stimmen der fünf Mitgesellschafter beschlossen wurde, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, den Geschäftsführervertrag des Klägers fristlos und außerordentlich zu kündigen sowie einen neuen Geschäftsführer einzuberufen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Versammlung, Bl. 16 ff. d.A., Bezug genommen.

Die Satzung der Beklagten sieht vor, dass Gesellschafterversammlungen von dem Geschäftsführer einberufen werden (§ 6 Abs. 1, S. 2). Die Gesellschafter können die Einberufung einer ordentlichen oder außerordentlichen Versammlung verlangen und, sofern der Geschäftsführer dem nicht bzw. nicht fristgerecht nachkommt, die Berufung selbst bewirken (§ 6 Abs. 3).

Nach § 6 Abs. 7 der Satzung können Beschlüsse auch außerhalb einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten und mit der Beschlussfassung einverstanden sind.

Gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung der Beklagten ist die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen durch Klageerhebung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat zulässig. Der Lauf der Frist beginnt mit Kenntnisnahme des Beschlusses.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf die Anlage K 1, Bl. 9 ff. d.A., Bezug genommen.

Mit seiner am 22.9.2006 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 22.11.2006 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt, die am 29.8.2006 gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die angegriffenen Beschlüsse seien rechtswidrig zustande gekommen, da er einer Beschlussfassung in der nicht ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt habe.

Ihm sei am 29.8.2006 ohne Bekanntgabe einer Tagesordnung mitgeteilt worden, dass er als Geschäftsführer abberufen und der Geschäftsführervertrag gekündigt werde. Auf die Frage, ob er auf die Ladungsfrist verzichte, habe er sich nicht geäußert. Er sei von dem Ansinnen seiner Mitgesellschafter völlig überrumpelt worden und habe keine Gelegenheit gehabt, sich zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung oder zum Inhalt der Tagesordnung zu äußern, bevor der Mitgesellschafter E. zum Versammlungsleiter bestellt worden und die Gesellschafter zur Abstimmung geschritten seien.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die streitigen Beschlüsse seien ordnungsgemäß zustande gekommen und materiell gerechtfertigt.

Zu Beginn der Veranstaltung am 29.8.2006 habe der Mitgesellschafter M. allen anwesenden Gesellschaftern die Tagesordnungspunkte - Abberufung des Geschäftsführers H., fristlose Kündigung des Geschäftsführervertrages sowie Einberufung eines neuen Geschäftsführers - bekannt gegeben. Auf die ausdrückliche Frage des Mitgesellschafters M., ob der Kläger mit den Tagesordnungspunkten und der Durchführung einer Gesellschafterversammlung unter Verzicht auf jedwede Formen und Fristen einverstanden sei, habe der Kläger sich mit einer einladenden Handbewegung an den Verhandlungstisch gesetzt. Dieses Verhalten hätten die weiteren Gesellschafter nur als Zustimmung des Klägers mit der Abhaltung der Versammlung und der Beschlussfassung verstehen können.

Die Be...

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