Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitteilung eines Insolvenzschuldners über seinen temporären Aufenthaltsort stellt keine Offenbarung derÄnderung seines eigenen Wohnsitzes dar. Abgrenzung der Mitteilung eines Insolvenzschuldners über seinen temporären Aufenthaltsort von einer Offenbarung der Änderung seines eigenen Wohnsitzes. Anforderungen an die Präklusion eines Versagungsgrundes für die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren

 

Normenkette

InsO § 3 Abs. 1 S. 1, § 290 Abs. 1 Nr. 5

 

Nachgehend

LG Berlin (Beschluss vom 10.11.2011; Aktenzeichen 85 T 332/11)

 

Tenor

wird der Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

1.

Auf Grund bei Gericht am 25.08.2009 eingegangenen Eigenantrags der Schuldnerin mit dem Ziel der Erlangung der Restschuldbefreiung von Verbindlichkeiten i.H.v. rund 420.000 EUR, von denen rund 300.000 EUR aus einer früheren selbständigen Betätigung der Schuldnerin als ausgebildete Einzelhandelskauffrau im Geschäftszweig des Handels mit xxx stammen, wurde mit Beschluss vom 14.10.2009 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

Auf dem Antragsformular gab die Schuldnerin als ihre Anschrift an „xxx Berlin” und benannte als Vermieter einen Herrn xxx, der sie im Termin zur ersten Gläubigerversammlung am 7.1.2010 auch zu vertreten suchte. Mehrere Zustellungen, so die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und die Ladung zum auf den 25.03.2010 anberaumten Anhörungstermin konnten der Schuldnerin nicht unter der Anschrift xxx zugestellt werden (Bl. 67 und 110 d.A.). Seitens des Gerichts eingeholte Auskünfte des Landeseinwohneramts vom 13.11.2009, 11.3.2010 und 22.7.2011 (letztere mit identischem Ein- und Auszugsdatum 15.07.2009) weisen die Schuldnerin als melderechtlich unbekannt aus (Bl. 68, 111 und 234 d.A.). Die Gerichtsakte beinhaltet keine Mitteilung der Schuldnerin über eine geänderte Wohnanschrift bis zu ihrer Einvernahme am 25.3.2010 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (Bl. 116-118 d.A.). Mit der Insolvenzverwalterin korrespondierte die Schuldnerin bis zum 14.4.2010 unter Angabe der Anschrift in der Berliner xxx als Absenderadresse.

Die Insolvenzverwalterin händigte ihrem von der Schuldnerin als Bevollmächtigten bezeichneten Ehemann am 22.9.2009 ein Merkblatt aus, das – je nach verwendeter Druckversion – unter Ziffer 1. bzw. 4. den Hinweis enthält, dass der Schuldner jeden Wechsel des Wohnsitzes unverzüglich dem Gericht und dem Verwalter / Treuhänder anzuzeigen hat (Bl. 236 – 241 d.A.).

2.

Der Antragsteller ist Insolvenzgläubiger einer zur Tabelle festgestellten Mietzinsforderung, die aus der Vermietung eines in Trier belegenen Gewerbeobjekts herrührt, in dem die Schuldnerin bis zum März 2009 als selbständig Tätige eine Boutique betrieb.

3.

Die Schuldnerin macht – zusammengefasst – folgendes geltend:

  1. Im April 2009 sei sie nach Berlin gezogen und habe dort unter der genannten Anschrift in der xxx eine kleine Wohnung zur Untermiete bei dem ihr persönlich bekannten xxx bezogen. Die Räume seien möbliert gewesen; persönliche Dinge wie z.B. Kleidung habe sie mitgebracht. Nachdem sich ihre Bemühungen um die Aufnahme einer Anstellung bei der Fa. xxx in Berlin zerschlagen und ihre gesundheitlichen Probleme zugenommen hätten, habe sie sich zunächst häufiger zu Besuch bei ihren Eltern in Trier aufgehalten, um im September 2009 dort wieder ihren Lebensmittelpunkt zu bilden.
  2. In Trier, xxx, sei sie, spätestens seit November 2009, gelegentlich als Aushilfe in einem Modegeschäft tätig geworden, das von ihrer Schwiegermutter betrieben werde. Die daraus erzielten Einkünfte habe sie – insoweit unstreitig – mit Schreiben vom 20.2.2010 betreffend den Zeitraum November 2009 bis Februar 2010 (Bl. 119 d.A.) und 3.10.2010 betreffend den Zeitraum März bis September 2010 (Bl. 233 d.A.) der Insolvenzverwalterin mitgeteilt. Nach ihren Erklärungen schwanken diese Einkünfte zwischen 250 und 605 EUR monatlich.

4.

Im Schlusstermin am 30.5.2011 hat der Gläubiger unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 19.5.2011, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 189 – 194 d.A.) beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Diesem Antrag ist die Schuldnerin entgegengetreten.

Er stützt seinen Antrag darauf, die Schuldnerin habe unrichtige Angaben im Zusammenhang mit folgendem gemacht:

  1. Die von der Schuldnerin im Antrag angegebene Anschrift xxx, Berlin sei unrichtig. Sie habe dort nie gelebt, da es sich um einen rein gewerblich genutzten Bürokomplex handele. Der durch den Hauptmieter xxx angemietete Raum weise eine Größe von 15 Quadratmeter auf und – insoweit unstreitig – dort befinde sich ein von diesem betriebener „Adressservice” mit 2 Briefkästen, die mit insgesamt 55 Namen beschriftet seien. Eine Nutzung des Raums zu Wohnzwecken sei zudem unzulässig.
  2. Auch die Angaben der Schuldnerin zu den angeblich für ihre Aushilfstätigkeit im Trierer Modegeschäft erzielten Einkünften seien offenkundig unzutreffend: So sei das neue Ladenlokal von der Schuldnerin unmit...

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