Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe
Leitsatz (amtlich)
- Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Wohnungseigentumssachen steht einer Notfrist gleich.
- Wird eine Zustellung ausweislich der Postzustellungsurkunde im Weg der Ersatzzustellung an einen Bediensteten im Geschäftslokal des Zustellungsadressaten vorgenommen, ist sie auch dann unwirksam, wenn der Zustellungsempfänger zwar nicht Bediensteter des Zustellungsadressaten, aber von diesem stillschweigend zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigt ist.
Normenkette
WEG § 45 Abs. 1; FGG § 22 Abs. 1; ZPO §§ 184, 187
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.01.2000; Aktenzeichen 14 T 685/99) |
AG Nürnberg (Beschluss vom 25.05.1998; Aktenzeichen 1 UR II 77/98) |
Tenor
- Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Januar 2000 aufgehoben.
- Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Rechtsbeschwerdeverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen.
- Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 44.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage; der Antragsgegner war vom 1.6.1994 bis zum 31.5.1997 Verwalter.
Die Antragsteller haben unter anderem beantragt, den Antragsgegner zur Herausgabe von Verwaltungsunterlagen zu verpflichten. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 25.5.1998 stattgegeben. Der Beschluß ist dem Antragsgegner laut Postzustellungsurkunde am 29.5.1998 durch Ersatzzustellung an die Bedienstete St.… im Geschäftslokal des Antragsgegners zugestellt worden. Am 8.12.1998 hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und ausgeführt, daß er sodann Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts einlegen werde. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 10.5.1999 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 25.5.1998 verworfen. Der Senat hat diese Entscheidung durch Beschluß vom 9.9.1999 (NZM 2000, 245) aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 10.1.2000 das Wiedereinsetzungsgesuch des Antragsgegners und dessen sofortige Beschwerde erneut verworfen. Dagegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt wiederum zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Aufgrund der uneidlichen Vernehmung der Zeugin St.… stehe fest, daß der Beschluß des Amtsgerichts dem Antragsgegner am 29.5.1998 wirksam zugestellt worden sei. Die Zeugin sei nicht, wie in der Postzustellungsurkunde vermerkt, Bedienstete des Antragsgegners, wohl aber dessen gewillkürte Zustellungsbevollmächtigte gewesen. Die Zeugin habe angegeben, nicht nur Einschreibesendungen, sondern auch Zustellungen öfters für den Antragsgegner, der beim Eintreffen des Postbediensteten in der Regel noch nicht anwesend gewesen sei, entgegengenommen zu haben. Dies sei mindestens einmal in der Woche geschehen. Der Antragsgegner habe sie nicht ausdrücklich gebeten, für ihn Postsendungen entgegenzunehmen, habe aber auch nicht gesagt, daß sie dies nicht tun solle. Sie habe den Antragsgegner nicht gefragt, ob sie Sendungen für ihn entgegennehmen dürfe. Aufgrund dieser Aussage sei davon auszugehen, daß der Zeugin eine schlüssige Vollmacht zur Entgegennahme auch förmlich zuzustellender Sendungen erteilt worden sei. Der Antragsgegner könne sich nicht darauf berufen, der Zeugin keine ausdrückliche Vollmacht erteilt zu haben.
Förmliche Zustellungen könnten auch an einen Bevollmächtigten bewirkt werden. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Bevollmächtigung sei weder aus den gesetzlichen Zustellungsvorschriften noch den materiellrechtlichen Bestimmungen über die Vollmacht begründbar. Gegen die Zulassung einer schlüssigen Bevollmächtigung spräche auch nicht die Bedeutung von Zustellungen, durch die eine Notfrist in Gang gesetzt werden solle und die daher nicht der Dispositionsfreiheit der Beteiligten unterlägen.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der amtsgerichtliche Beschluß wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde im Weg der Ersatzzustellung gemäß §§ 208, 184 ZPO dadurch zugestellt, daß der Postbedienstete, weil er in dem Geschäftslokal des Antragsgegners während der gewöhnlichen Geschäftsstunden keinen Vertretungsberechtigten erreicht habe, die Ausfertigung dort der Bediensteten St.… übergeben hat. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin St.… zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zeugin zu keiner Zeit Bedienstete im Geschäftslokal des Antragsgegners war. Damit ist die Zustellung als Ersatz...