Entscheidungsstichwort (Thema)
Befugnis zum Führen von Fachanwaltsbezeichnungen. Zulässige Beschränkung auf zwei Fachgebiete
Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung, das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen auf zwei Fachgebiete zu beschränken.
Normenkette
BRAO § 43c Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des zweiten Senats des Niedersächsischen AGH v. 11.2.2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1999 Fachanwalt für Familienrecht und seit 2002 auch Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schon 1998 war ihm die Befugnis verliehen worden, die Fachanwaltsbezeichnung für Strafrecht zu führen. Diese Befugnis hat die Antragsgegnerin 2002 widerrufen, nachdem der Antragsteller im Hinblick auf den angestrebten Fachanwalt für Arbeitsrecht auf das Führen dieser Bezeichnung verzichtet hatte. In der Folge hat der Antragsteller beantragt, ihm die Befugnis, die Fachanwaltsbezeichnung für Strafrecht zu führen, erneut zu erteilen. Die Antragsgegnerin hat dies mit Bescheid v. 23.7.2003 unter Hinweis auf § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO, der das Führen der Fachanwaltsbezeichnung auf zwei Rechtsgebiete beschränkt, abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der AGH zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom AGH zugelassenen sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller hält die Beschränkung in § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO für verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße.
II.
Die zugelassene Beschwerde ist zulässig (§ 223 Abs. 3 BRAO), hat jedoch keinen Erfolg.
Nach § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO darf die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nur für zwei Rechtsgebiete verliehen werden. (Eine Beschränkung auf höchstens zwei Fachgebiete findet sich schon in den von einer Kommission der DAV im Februar 1930 erlassenen Richtlinien für die Einführung erster Fachanwaltschaften, - Beschlüsse des gemischten Ausschusses v. 8.2.1930 IV.- AnwBl. 1930, 50) Da der Antragsteller bereits zwei Fachanwaltsbezeichnungen führt, stand der Verleihung einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung die Regelung des § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO entgegen.
Die Bestimmung des § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verfassungswidrig:
Mit der Einrichtung der Fachanwaltschaft, die nunmehr in § 43c BRAO und in der von der Satzungsversammlung auf Grund der Ermächtigung des § 59b Abs. 2 Nr. 2a BRAO erlassenen Fachanwaltsordnung ihre Rechtsgrundlage gefunden hat, steht der Anwaltschaft ein Mittel zur Verfügung, besondere in einem formalisierten Verfahren nachgewiesene Kenntnisse und Erfahrungen auf einem bestimmten Gebiet der Öffentlichkeit kundzutun. Dem in dieser Weise qualifizierten Rechtsanwalt, dem die Fachanwaltsbezeichnung verliehen worden ist, steht damit eine zulässige Werbemöglichkeit zur Verfügung, um neue Mandanten auf sich aufmerksam zu machen. Tatsächlich wird die Fachanwaltsbezeichnung von der rechtsuchenden Bevölkerung auch als Qualifikationsmerkmal verstanden; Fachanwälte verfügen nach empirischen Untersuchungen ggü. den anderen Anwälten im Durchschnitt über höhere Umsätze und Einkommen (Nachweise bei Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, 2. Aufl., § 43 Rz. 10; Hartung/Holl-Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., Einführung FAO Rz. 49 f.). Da die Regelung des § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO den Rechtsanwalt - trotz formaler Erfüllung der Kriterien für die Verleihung einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung - daran hindert, das rechtsuchende Publikum auf diese Qualifikation hinzuweisen, greift sie in das Recht des Anwalts, die Öffentlichkeit in der von ihm gewünschten Weise werbend über die von ihm ausgeübte Tätigkeit zu unterrichten, und damit in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit ein. Denn zu der Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie umfasst daher auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (BVerfG v. 11.2.1992 - 1 BvR 1531/90, BVerfGE 85, 248 [256] = MDR 1992, 719; v. 22.5.1996 - 1 BvR 744/88, 1 BvR 60/89, 1 BvR 1519/91, BVerfGE 94, 372 [389] = BRAK 1996, 219; v. 17.4.2000 - 1 BvR 721/99, MDR 2000, 730, m. Anm. Härting = WRP 2000, 720 [721] = NJW 2000, 3195). Als Berufsausübungsregelung ist sie deshalb nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [219] = MDR 2003, 118; BGH, Beschl. v. 18.2.2005 - AnwZ(B) 3/03; v. 16.10.2000 - AnwZ (B) 65/99, MDR 2001, 479 = BGHReport 2001, 31 = NJW 2001, 1138 [1139] = BRAK 2001, 41 f.).
Die Einschränkung der Werbefreiheit durch die Regelung des § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO ist durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, hierfür geeignet und auch erforderlich.
Mit der Beschränkung auf zwei Fachgebiete soll nach den Gesetzesmaterialien bei dem geforderten hohen Niveau der Kenntnisse eines Fachanwalts die Glaubwürdigkeit eines solchen Fachhinweises gewahrt werden (Bericht der Abgeordneten Eylmann, Kleinert (Hannover) und Wiefelspütz, BT-Drucks. 11/8307, 16, 19). Dass damit gerade der Anwalt betroffen ist, der die für den Erwerb einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung geforderten formalen Kriterien erfüllt und die auf dem weiteren Fachgebiet vorausgesetzten Kenntnisse nachgewiesen hat, bedarf allerdings näherer Begründung:
Da die Fachanwaltsbezeichnung die besondere Qualifikation des Rechtsanwalts für das Fachgebiet ausweisen soll, kann dies von dem rechtsuchenden Publikum nur dahin verstanden werden, dass der Fachanwalt über einen vertieften Wissenstand auf seinem Fachgebiet nicht nur zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fachanwaltsbezeichnung, sondern auch bei seiner späteren Tätigkeit verfügt. Dem entsprechen die Regelungen des § 43c Abs. 4 S. 2 BRAO und des § 15 FAO, nach denen der Fachanwalt zur Fortbildung verpflichtet ist und ein Verstoß gegen die Fortbildungspflicht zum Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung führen kann. Die erforderliche Qualitätssicherung kann aber nicht allein durch die in § 15 FAO vorgesehene 10-stündige Fortbildungsveranstaltung im Jahr (bzw. eine wissenschaftliche Publikation) erreicht werden. Sie setzt vielmehr eine verstärkte Tätigkeit auf dem Fachgebiet und den damit verbundenen Erfahrungsgewinn voraus. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, dass ein Rechtsanwalt die formalen Voraussetzungen für den Erwerb von auch mehr als zwei Fachgebieten erfüllt, entscheidend ist vielmehr eine dauerhafte intensive Befassung mit den Spezialgebieten auch nach der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung. Eine solche intensive Betätigung erscheint aber angesichts des Umfangs und der Komplexität des modernen Rechts nur im begrenzten Umfang möglich. Letztlich folgt schon aus der Natur der Spezialisierung, dass sie nur für einige Tätigkeitsfelder zu leisten ist, die zudem bei den jeweiligen Fachanwaltschaften weit bemessen sind. Mit der Beschränkung der Fachanwaltsbezeichnung auf zwei Fachgebiete wird bezweckt, dass der Rechtsanwalt auf diesen Gebieten vertieft tätig wird und damit die Qualitätsvorstellungen der Öffentlichkeit erfüllt. Die Regelung dient daher der wahrheitsgemäßen Information der Rechtsuchenden, dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant und damit der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, 2. Aufl., § 43c Rz. 14; Jährig, Fachanwaltschaften, S. 71; BGH, Beschl. v. 16.10.2000 - AnwZ(B) 65/99, BRAK 2001, 41; v. 26.5.1997 - AnwZ (B) 67/96, MDR 1997, 987 = BRAK 1997, 172 = NJW 1997, 2522, jeweils zu Tätigkeitsschwerpunkten). Auch im Schrifttum wird die Regelung im Gegensatz zu der zahlenmäßigen Festlegung der Tätigkeitsschwerpunkte nach § 7 Abs. 1 BORA nicht angegriffen oder problematisiert (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., Rz. 32; Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, 2. Aufl., § 43c Rz. 14; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl., § 43c Rz. 13; Hartung/Holl-Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., BRAO, § 43c Rz. 12; Jährig, Fachanwaltschaften, § 43c S. 70 f.). Die Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der zahlenmäßigen Begrenzung der Tätigkeitsschwerpunkte in § 7 Abs. 1 S. 2 BORA teilweise erhoben worden sind (Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., Anh. I 1 Rz. 3, 4; Hartung/Holl-Römermann, BerufsO, 2. Aufl., § 7 Rz. 45 f.; dagegen für Verfassungsmäßigkeit von § 7, BORA, Henssler/Prütting-Eylmann, BRAO, 2. Aufl., § 7 BORA Rz. 2; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 BORA Rz. 4), sind für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung nach § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO schon deshalb nicht erheblich, weil die Fallgestaltungen nicht vergleichbar sind. Die Voraussetzungen für die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten nach § 7 BORA beruhen wesentlich auf einer Selbsteinschätzung der Anwälte, während die Qualifikation als Fachanwalt in einem formalisierten Verfahren überprüft wird. Im Übrigen haben bisher weder der Senat noch das BVerfG die Begrenzung der Tätigkeitsschwerpunkte beanstandet (BVerfG, Beschl. v. 6.7.2001 - 1 BvR 1063/00, BRAK 2001, 225; Beschl. v. 25.4.2001 - 1 BvR 494/00, MDR 2001, 776 = Anw.Bl. 2001, 510; BGH, Beschl. v. 26.5.1997 - AnwZ (B) 67/96, MDR 1997, 987 = BRAK 1997, 172 = NJW 1997, 2522 [2523], noch zur Rechtslage vor Erlass der BORA).
Die gesetzliche Beschränkung zur Führung von Fachanwaltsbezeichnungen auf zwei Fachgebiete ist auch zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet. Unerheblich ist, dass andere Mittel denkbar wären, mit denen eine Qualitätssicherung erreicht werden könnte, insofern hat der Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Es reicht aus, dass sich die vom Gesetzgeber gewählte Möglichkeit als geeignet zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels darstellt (Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl., Art. 12 Rz. 118).
Die Bestimmung des § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Betroffen ist nur die Außendarstellung des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt, der über Fachkenntnisse auf weiteren Gebieten verfügt, ist nicht
gehindert, auch auf diesen Gebieten tätig zu werden. Ihm ist auch nicht verwehrt, auf andere Weise im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für eine solche Tätigkeit zu werben.
Fundstellen
NWB 2005, 3358 |
EBE/BGH 2005, 163 |