Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Geltendmachung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
Leitsatz (amtlich)
Eine Rechtsbeschwerde ist nicht wegen des Verfahrensfehlers einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, den Verstoß im Rahmen eines vorinstanzlichen Rechtsmittels zu rügen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2, § 295
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 04.09.2009; Aktenzeichen 5 T 576/08) |
AG Münster (Beschluss vom 17.07.2008; Aktenzeichen 72 IN 131/03) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Münster vom 4.9.2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Eigenantrag am 17.2.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Schlusstermin vom 16.5.2006 beantragte das Finanzamt unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 10.4.2006 und Berichte des Insolvenzverwalters, dem - bei diesem Termin nicht anwesenden - Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Eine von dem Schuldner nach Erhalt des Terminprotokolls und des Schriftsatzes des Finanzamts bis Mitte Juni 2007 angekündigte Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
Rz. 2
Das AG hat dem Schuldner durch Beschluss vom 17.7.2008 die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Schuldner gegen die Versagung der Restschuldbefreiung.
II.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Finanzamt habe einen hinreichend substantiierten Versagungsantrag gestellt. Einer Glaubhaftmachung der Versagungsgründe habe es nicht bedurft, weil der Schuldner im Schlusstermin nicht erschienen sei und das tatsächliche Vorbringen des Gläubigers nicht bestritten habe. Ein Bestreiten des Schuldners nach Beendigung des Schlusstermins sei unbeachtlich. Der Schuldner habe Mitwirkungspflichten verletzt, weil er einen sich im Februar 2004 ergebenden pfändbaren Betrag von 275 EUR nur verzögert und zum Teil an den Insolvenzverwalter abgeführt habe. Da der Insolvenzverwalter unter ausführlicher Darlegung des Geschehensablaufs im Einzelnen vorgetragen habe, dass der Schuldner einen Restbetrag von 137,50 EUR nicht beglichen habe, seien das schlichte Bestreiten des Schuldners und die pauschale Behauptung, Zahlung geleistet zu haben, nicht zu berücksichtigen. Ferner habe der Schuldner keine ordnungsgemäße Abrechnung für den Zeitraum seiner Selbständigkeit erteilt. Insoweit habe der Schuldner selbst eingeräumt, nur einen Teil der Belege eingereicht zu haben. Vor diesem Hintergrund überzeuge es nicht, wenn der Schuldner sich nunmehr darauf berufe, sämtliche Belege übermittelt zu haben.
III.
Rz. 4
Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Rz. 5
1. Ohne Erfolg beruft sich der Schuldner auf eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts aus § 103 Abs. 1 GG.
Rz. 6
a) Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht, so dass nicht zweifelhaft ist, dass sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das BVerfG unterliegen würde. Für die Zulassung wegen eines Rechtsfehlers sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde führen würden (BGHZ 154, 288 [296 f.]).
Rz. 7
b) Soweit der Schuldner beanstandet, er sei weder zu dem Schlusstermin geladen noch durch Mitteilung einer Abschrift von dem Versagungsantrag des Finanzamts unterrichtet worden, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Er fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfGE 73, 322 [325]; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 295 Rz. 5; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 2. Aufl., § 295 Rz. 6; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 295 Rz. 29).
Rz. 8
c) Der Schuldner hat zu dem Versagungsantrag und vermeintlichen Gehörsverletzungen entgegen seiner schriftsätzlichen Ankündigung ggü. dem AG bis Mitte Juni 2007 keine Stellungnahme abgegeben, so dass insoweit bereits ein Verfahrensfehler ausscheidet. Auch im Beschwerderechtszug hat sich der Schuldner nicht auf die mit der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Gehörsverstöße berufen. Ist noch ein Rechtsmittel gegen die auf der gerügten Verletzung beruhende Entscheidung gegeben, das (auch) zur Überprüfung dieser Verletzung führen kann, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 107, 395 [410]). Bei dieser Sachlage scheidet eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG aus.
Rz. 9
2. Soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, der Schuldner habe nicht substantiiert vorgetragen, den Restbetrag von 137,50 EUR an den Insolvenzverwalter überwiesen zu haben, handelt es sich um eine aus dem beiderseitigen Vorbringen gewonnene tatrichterliche Würdigung, die mit Rücksicht auf die verfahrensrechtlichen Erklärungspflichten des Schuldners keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG erkennen lässt. Gleiches gilt für die weitere Feststellung des Beschwerdegerichts, der Schuldner habe für den Zeitraum seiner Selbständigkeit keine ordnungsgemäße Abrechnung erteilt. Das Beschwerdegericht durfte davon ausgehen, dass dem Schuldner ausweislich seiner eigenen Erklärungen die Unvollständigkeit der von ihm eingereichten Belege bewusst war.
Rz. 10
3. Soweit das Beschwerdegericht dem Schuldner anlastet, einen Kooperationsvertrag nicht vorgelegt zu haben, handelt es sich entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen um keinen nachgeschobenen Versagungsgrund. Das Finanzamt hat seinen Versagungsantrag auf die Berichte des Insolvenzverwalters gestützt, aus denen hervorgeht, dass der Verwalter den Schuldner ohne Erfolg um die Vorlage dieser Unterlagen ersucht hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2347363 |
NJW 2010, 8 |
EBE/BGH 2010 |
FA 2010, 241 |
WM 2010, 1722 |
MDR 2010, 948 |
NZI 2010, 5 |
NZI 2010, 692 |
ZInsO 2010, 1156 |
Mitt. 2010, 494 |