Leitsatz (amtlich)
a) Ist auf der Grundlage eines rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses ein Zwangsgeld nach § 35 FamFG beigetrieben worden, so kann die danach erfolgende Erfüllung der gerichtlichen Anordnung die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses und die Rückzahlung des Zwangsgelds nicht begründen.
b) Rechtsgrundlage für die Beitreibung eines nach § 35 Abs. 1 FamFG festgesetzten Zwangsgelds ist die Justizbeitreibungsordnung, nicht die Regelung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.
Normenkette
FamFG §§ 35, 38, 48, 58, 95; ZPO § 775 Nr. 1, § 776; JBeitrO §§ 1-3, 6
Verfahrensgang
Tenor
Der Antragsgegnerin wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K. beigeordnet.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Köln vom 29.12.2016 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Wert: 500 EUR
Gründe
A.
Rz. 1
Zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller war im Scheidungsverbund ein Verfahren über den Versorgungsausgleich anhängig. Mit der Zustellung des Scheidungsantrags am 14.11.2014 gab das AG der Antragsgegnerin auf, binnen drei Wochen das zur Durchführung des Versorgungsausgleichs erforderliche amtliche Formular ausgefüllt und unterschrieben vorzulegen, und wies auf die mögliche Verhängung von Zwangsgeld hin. Nachdem das AG die Antragsgegnerin am 10.1.2015 erfolglos hieran erinnert hatte, setzte es mit Beschluss vom 29.1.2015 gegen die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld von 500 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise für je 50 EUR einen Tag Zwangshaft fest. Außerdem wies es darauf hin, dass die Zwangsmittel nicht vollstreckt würden, wenn die Auflage binnen zwei Wochen erfüllt werde.
Rz. 2
Nachdem die Vorlage des Formulars weiterhin unterblieb, erteilte das AG unter dem 12.5.2015 Vollstreckungsauftrag, aufgrund dessen die Antragsgegnerin am 22.6.2015 das Zwangsgeld sowie Gerichts- und Vollstreckungskosten i.H.v. insgesamt 544,55 EUR bezahlte. Am 19.8.2015 reichte sie den ausgefüllten Fragebogen und am 10.10.2015 die Anlage zu diesem beim AG ein.
Rz. 3
Nach Scheidung mit Durchführung des Versorgungsausgleichs mit Beschluss vom 28.4.2016 (rechtskräftig seit 21.6.2016) hat die Antragsgegnerin am 12.5.2016 beantragt, den Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss aufzuheben und das Zwangsgeld zurückzuerstatten. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren weiter.
B.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 5
Das OLG hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Rz. 6
Die zulässige sofortige Beschwerde sei nicht begründet. Grundlage für die Vereinnahmung des Zwangsgelds durch die Staatskasse sei der Beschluss vom 29.1.2015, der fortbestehe. Eine gesetzliche Grundlage für seine Aufhebung sei nicht gegeben. Der Beschluss sei bestandskräftig, so dass seine Abänderung nicht möglich sei. Die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens lägen ersichtlich nicht vor. Derartige Zwangsgeldbeschlüsse seien nicht allein deshalb aufzuheben, weil der Zweck des Zwangsgelds erreicht sei.
Rz. 7
Die Aufrechterhaltung von Zwang nach Erreichung und/oder endgültiger Verfehlung des Zwecks würde allerdings eine mit dem Zwangsmittel nicht beabsichtigte Sanktion darstellen. Die Zwangswirkung gehe jedoch nur von einem drohenden, nicht aber von einem bereits erledigten Zwangsmittel aus. Die Konsequenz aus dem Charakter als Zwangs- und nicht als Ordnungsmittel sei deshalb nur, die Zwangsvollstreckung aus einem Zwangsmittelbeschluss nicht weiter zu betreiben, wenn der Zweck erreicht oder nicht mehr erreichbar sei. Anders als bei gem. § 888 ZPO verhängten Zwangsgeldern sei dasjenige gem. § 35 FamFG keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern diene allein der Durchsetzung verfahrensleitender Anordnungen, so dass diese Maßnahme nicht zur Disposition der Beteiligten stehe. Auch systematisch unterliege es Bedenken, die §§ 775, 776 ZPO entsprechend auf eine Maßnahme anzuwenden, die nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers außerhalb der Zwangsvollstreckung liege.
Rz. 8
Soweit im Zusammenhang mit § 888 ZPO seitens des Gläubigers auf seine Ansprüche aus dem Vollstreckungstitel verzichtet werde und es daher am materiellen Rechtsgrund für das Verbleiben des Zwangsgelds in der Staatskasse fehle, lasse sich das auf § 35 FamFG nicht übertragen. Denn im Fall des nach § 35 FamFG verhängten Zwangsgelds stelle der Zwangsgeldbeschluss selbst den Rechtsgrund dar, und dieser Beschluss bestehe mangels Rechtsgrundlage für seine Aufhebung fort. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete keine andere Entscheidung. Soweit das Zwangsgeld beigetrieben worden sei, erfolge kein weiterer Eingriff in die Rechte der Bürger. Von einer erledigten Zwangsmaßnahme gingen keine Wirkungen zu Lasten des Bürgers mehr aus.
II.
Rz. 9
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 10
1. Das OLG hat zu Recht das gegen den Beschluss des AG gerichtete Rechtsmittel der Antragsgegnerin als zulässig angesehen. Zwar erreicht der Wert des Beschwerdegegenstands die gem. § 61 Abs. 1 FamFG für vermögensrechtliche Angelegenheiten wie die vorliegende (vgl. OLG Rostock Beschl. v. 28.1.2016 - 1 W 65/14 - juris Rz. 5; OLG Düsseldorf Rpfleger 2012, 683; OLG Zweibrücken FGPrax 2010, 169; Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl., § 61 Rz. 3; Unger/Roßmann in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 61 Rz. 6) geltende Grenze bei einem Zwangsgeld von 500 EUR nicht, und das AG hat die Beschwerde auch nicht zugelassen. Statthaftes Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Aufhebung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses ist aber die sofortige Beschwerde (ebenso im Ergebnis MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl., § 35 Rz. 25; Lorenz FamRZ 2016, 688, 691; anders LG Kassel Beschl. v. 20.12.2010 - 3 T 712/10 - juris Rz. 11), auf die die Vorschriften der §§ 567 ff. ZPO entsprechend anzuwenden sind. Diese sehen eine Mindestbeschwer - i.H.v. mehr als 200 EUR - nur bei Entscheidungen über Kosten vor (§ 567 Abs. 2 ZPO).
Rz. 11
a) Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur nicht nur die Frage streitig, ob ein formell rechtskräftiger Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG aufgehoben und das beigetriebene Zwangsgeld zurückgefordert werden kann, wenn der Verpflichtete die gerichtliche Anordnung erfüllt hat (ablehnend etwa Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 9; Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 35 Rz. 49; Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl., § 35 Rz. 11; im Ergebnis wohl auch Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 21; BeckOK/FamFG/Munzig [Stand: 1.7.2017] § 389 Rz. 23). Soweit dies für möglich gehalten wird, besteht auch Uneinigkeit darüber, auf welchem rechtlichen Weg eine solche Aufhebung erfolgen kann. Während teilweise ein Vorgehen (entsprechend) § 48 Abs. 1 FamFG (LG Kassel Beschl. v. 20.12.2010 - 3 T 712/10 - juris Rz. 10 f.; BeckOK/FamFG/Burschel FamFG § 35 Rz. 32; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 8; Cirullies Rpfleger 2011, 573, 576) vorgeschlagen wird, halten andere eine Aufhebung nach § 48 Abs. 2 FamFG (Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 14) oder aber entsprechend §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO (MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl., § 35 Rz. 25; Lorenz FamRZ 2016, 688, 691) für möglich.
Rz. 12
b) Unabhängig davon ist das statthafte Rechtsmittel gegen den die Aufhebung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses und die Rückzahlung des beigetriebenen Zwangsgelds ablehnenden Beschluss allein die sofortige Beschwerde.
Rz. 13
Ebenso wenig, wie es sich beim Zwangsmittelfestsetzungsbeschluss nach § 35 FamFG um eine Endentscheidung i.S.v. §§ 38 Abs. 1 Satz 1, 58 FamFG handelt (Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 14), stellt der die Aufhebung versagende Beschluss eine Endentscheidung in diesem Sinne dar. Nach der in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG enthaltenen Definition liegt eine Endentscheidung vor, wenn durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird. Mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG anfechtbar sind daher nur Beschlüsse, die ein auf Antrag (§ 23 FamFG) oder von Amts wegen (§ 24 FamFG) eingeleitetes Verfahren insgesamt erledigen oder seine Anhängigkeit hinsichtlich eines der selbständigen Erledigung zugänglichen Teils des Verfahrensgegenstandes (§ 301 ZPO analog) beenden (BGH, Beschl. v. 1.12.2010 - XII ZB 227/10, FamRZ 2011, 282 Rz. 12). Das ist bei einem Zwangsmittelfestsetzungsbeschluss, der der Durchsetzung einer gerichtlichen Anordnung im Vorfeld einer Endentscheidung dient, nicht aber über den Verfahrensgegenstand selbst entscheidet, nicht der Fall (vgl. BGH v. 1.12.2010 - XII ZB 227/10, FamRZ 2011, 282 Rz. 13 f. für eine Abgabeentscheidung nach §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG und BGH v. 29.2.2012 - XII ZB 198/11, FamRZ 2012, 783 Rz. 21 für eine Verfahrenskostenhilfeentscheidung).
Rz. 14
Daher ist die nur gegen Endentscheidungen eröffnete Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG nicht gegeben. Mit dem Antrag auf Aufhebung eines rechtskräftigen Zwangsmittelfestsetzungsbeschlusses verfolgt der Verpflichtete im Ergebnis das gleiche Rechtsschutzziel wie mit der Anfechtung des Zwangsmittelfestsetzungsbeschlusses selbst. Für Letztere hat der Gesetzgeber jedoch in § 35 Abs. 5 FamFG die sofortige Beschwerde vorgesehen, so dass es folgerichtig ist, dass sie auch vorliegend das zulässige Rechtsmittel darstellt. Für ein Vorgehen entsprechend §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO ergäbe sich im Übrigen das Gleiche aus § 793 ZPO.
Rz. 15
2. Rechtsfehlerfrei haben beide Vorinstanzen dem Aufhebungs- und dem Rückzahlungsantrag der Antragsgegnerin nicht stattgegeben.
Rz. 16
a) Die Festsetzung des Zwangsgelds durch das AG ist ebenso wenig rechtlich zu beanstanden wie die nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses erfolgte Beitreibung. Die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit auch nichts.
Rz. 17
aa) Ist aufgrund einer gerichtlichen Anordnung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung durchzusetzen, kann das Gericht gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG gegen den Verpflichteten durch Beschluss ein Zwangsgeld festsetzen. Von dieser Befugnis hat das AG vorliegend Gebrauch gemacht, um gegenüber der Antragsgegnerin die nach § 220 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 FamFG ausgesprochene Anordnung durchzusetzen, der verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht im Versorgungsausgleichsverfahren zu entsprechen.
Rz. 18
Die Bestimmung des § 35 FamFG war hier auch anwendbar. Dem steht § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht entgegen. Denn der Versorgungsausgleich ist weder eine Familienstreitsache i.S.d. § 112 FamFG noch eine Ehesache nach § 121 FamFG. Auch als Folgesache im Scheidungsverbund (§ 137 FamFG) bleiben für das Versorgungsausgleichsverfahren grundsätzlich die allgemeinen und besonderen Vorschriften des Familienverfahrensgesetzes maßgeblich (BGH, Beschl. v. 13.11.2013 - XII ZB 414/13, FamRZ 2014, 109 Rz. 4 m.w.N.).
Rz. 19
bb) Rechtsgrundlage für die Beitreibung des nach § 35 Abs. 1 FamFG festgesetzten Zwangsgelds sind §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 2 Abs. 1 und 3, 3, 6 JBeitrO i.V.m. den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO für anwendbar erklärten Bestimmungen der Zivilprozessordnung (vgl. Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 25; Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl., § 35 Rz. 11; Holzer FamFG § 35 Rz. 15; Jox in Fröschle Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren 3. Aufl., § 35 Rz. 15; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 15; Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 14). Die Regelung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG - die wiederum einen Verweis auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung beinhaltet - ist nicht einschlägig (a.A. Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 9; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl., § 35 Rz. 7), weil es sich beim Zwangsgeld nach § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht um eine Geldforderung in diesem Sinne handelt, sondern um ein eigenständiges Mittel zur Vollstreckung (bzw. Durchsetzung) der gerichtlichen Anordnung.
Rz. 20
b) Dass nach Beitreibung des Zwangsgelds die gerichtliche Anordnung erfüllt worden ist, vermag die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses und damit auch einen Rückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB nicht zu begründen.
Rz. 21
aa) Zutreffend ist allerdings, dass das Zwangsgeld i.S.d. § 35 FamFG als ein Zwangsmittel - anders als etwa das Ordnungsgeld gem. § 89 FamFG - keinen Sanktionscharakter hat, sondern allein der Einwirkung auf den Willen des Verpflichteten dient (vgl. BGH v. 15.3.2017 - XII ZB 245/16, FamRZ 2017, 918 Rz. 10; v. 17.8.2011 - XII ZB 621/10, FamRZ 2011, 1729 Rz. 14) und damit ein reines "Beugemittel" ist (so etwa Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 21).
Rz. 22
Aufgrund dieses Charakters des Zwangsgelds entspricht es der - soweit ersichtlich - übereinstimmenden Auffassung, dass eine (weitere) Beitreibung des festgesetzten Zwangsgelds zu unterbleiben hat, sobald es der Beugewirkung nicht mehr bedarf. Dies ist insb. dann der Fall, wenn der Verpflichtete die gerichtliche Anordnung erfüllt hat. Soweit der das Zwangsgeld festsetzende Beschluss noch nicht rechtskräftig ist, ist er dann auf die sofortige Beschwerde des Verpflichteten nach § 35 Abs. 5 FamFG aufzuheben (vgl. etwa OLG Schleswig SchlHA 2012, 227, 228; OLG Frankfurt FGPrax 2011, 322; Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 21). Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob eine solche Aufhebung - dann entsprechend § 48 Abs. 1 FamFG - auch zu erfolgen hat, wenn der Festsetzungsbeschluss zwar rechtskräftig, aber noch nicht vollstreckt worden ist (bejahend: Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 14; verneinend: Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 21). Jedenfalls ist auch dann von einer (weiteren) Vollstreckung abzusehen (LG Kassel Beschl. v. 20.12.2010 - 3 T 712/10 - juris Rz. 10; Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 21; BeckOK/FamFG/Burschel [Stand: 1.7.2017] § 35 Rz. 32; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 9; Cirullies Rpfleger 2011, 573, 576; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl., § 35 Rz. 7, 11; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 8, 16a; im Ergebnis ebenso: Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 35 Rz. 49 a.E.).
Rz. 23
bb) Anders liegt es trotz der Funktion des Zwangsgelds als Beugemittel jedoch, wenn bei rechtskräftigem Festsetzungsbeschluss das Beitreibungsverfahren vollständig und erfolgreich durchgeführt ist und die gerichtliche Anordnung erst danach erfüllt wird. Dann kann weder eine Aufhebung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses noch eine Rückzahlung des beigetriebenen Zwangsgelds erfolgen (Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 9; Cirullies Rpfleger 2011, 573, 576; Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 35 Rz. 49; Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl., § 35 Rz. 11; im Ergebnis wohl auch Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 21; BeckOK/FamFG/Munzig [Stand: 1.7.2017] § 389 Rz. 23; vgl. auch Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 389 Rz. 27; a.A. Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl., § 35 Rz. 8; Lorenz FamRZ 2016, 688, 691). Denn die für die begehrte Rückzahlung des Zwangsgelds erforderliche Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses (vgl. etwa BVerwG NVwZ 2017, 326 Rz. 16) findet im Gesetz keine Grundlage.
Rz. 24
(1) Eine unmittelbare Anwendung von § 48 FamFG scheidet aus. Der Tatbestand des § 48 Abs. 1 FamFG ist schon mangels Vorliegens einer Endentscheidung nicht gegeben. Für die Anwendung des § 48 Abs. 2 FamFG bleibt bereits kein Raum, weil die Erfüllung einer gerichtlichen Anordnung nicht zu den für eine Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend §§ 578 ff. ZPO genannten Gründen zählt.
Rz. 25
(2) Die Aufhebung des rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses (und die darauf aufbauende Rückzahlung des beigetriebenen Zwangsgelds) kommt aber auch nicht in entsprechender Anwendung von § 48 FamFG oder §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO in Betracht. Denn insoweit liegen die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vor. Eine solche erfordert - neben einer planwidrigen Regelungslücke - die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (st.Rspr., vgl. etwa BGH v. 1.2.2017 - XII ZB 71/16, FamRZ 2017, 603 Rz. 31; v. 24.8.2016 - XII ZB 351/15, FamRZ 2016, 1849 Rz. 19 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Rz. 26
(a) Für § 48 Abs. 2 FamFG gilt das schon deshalb, weil die Erfüllung einer gerichtlichen Anordnung nicht mit den für eine Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend §§ 578 ff. ZPO genannten Gründen vergleichbar ist.
Rz. 27
(b) Gegen eine Vergleichbarkeit mit dem durch § 48 Abs. 1 FamFG geregelten Sachverhalt spricht, dass diese Norm die Durchbrechung der Rechtskraft von (End-)Entscheidungen in Form der Aufhebung oder Abänderung wegen nachträglicher wesentlicher Änderung der zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage auf die Fälle beschränkt, in denen der Entscheidung eine Dauerwirkung zukommt. Anders als unter Geltung des früheren § 18 FGG, der die freie Abänderbarkeit von der unbefristeten Beschwerde unterliegenden Entscheidungen ermöglichte, wenn das Gericht sie nachträglich für ungerechtfertigt erachtete - und nach dem teilweise eine Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses auch nach Beitreibung des Zwangsgelds für möglich gehalten wurde (vgl. etwa OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1698, 1699; OLG Braunschweig FamRZ 2002, 1351; Keidel/Zimmermann FGG, 15. Aufl., § 33 Rz. 24; a.A. wohl BayObLG Rpfleger 1955, 239, 240; differenzierend Jansen FGG, 3. Aufl., § 33 Rz. 55) -, sieht der Gesetzgeber eine allgemeine Abänderungsvorschrift als nicht vereinbar mit der grundsätzlichen Befristung der Rechtsmittel des Familienverfahrensgesetzes an (BT-Drucks. 16/6308, 198). Mit § 48 Abs. 1 FamFG, der funktional § 323 ZPO entspricht (Oberheim in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 48 Rz. 2), wollte er mithin gezielt den Sonderfall der Dauerwirkung regeln.
Rz. 28
Eine solche Dauerwirkung (vgl. zu diesem Begriff etwa MünchKommFamFG/Ulrici § 48 Rz. 7 ff. m.w.N.) kommt dem Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss aber nicht zu. Vielmehr erschöpft sich die Rechtswirkung der einzelnen Zwangsgeldfestsetzung darin, dass sie dem Verpflichteten eine einmalige Zahlungspflicht auferlegt und einmalig ein Zwangsgeld beigetrieben werden kann. Mit der erfolgreichen Beitreibung ist der Festsetzungsbeschluss in seiner rechtlichen Wirkung gleichsam verbraucht (vgl. BayObLG Rpfleger 1955, 239, 240) und der mit dem einzelnen Zwangsmittel beabsichtigte Beugedruck auf den Verpflichteten abschließend ausgeübt.
Rz. 29
(c) Wie das OLG richtig gesehen hat, betreffen die §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung, die der Parteidisposition unterliegt. Demgegenüber geht es beim Zwangsgeld nach § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG allein um die zwangsweise Durchsetzung einer verfahrensleitenden gerichtlichen Anordnung (Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 35 Rz. 2), also von hoheitlichem Handeln. Ob für ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO etwas anderes gilt (vgl. dazu etwa OLG Frankfurt JurBüro 1991, 1554, 1556 f.; LAG Hessen Beschl. v. 13.9.2013 - 12 Ta 393/12 - juris Rz. 10; Lorenz FamRZ 2016, 688 ff. m.w.N.; Gruber in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 888 Rz. 32; Seiler in Thomas/Putzo ZPO, 38. Aufl., § 888 Rz. 15), kann hier dahinstehen.
Rz. 30
Im Gegensatz zu dem von § 775 Nr. 1 ZPO erfassten Sachverhalt fehlt es bei der Erfüllung der gerichtlichen Anordnung nach Beitreibung des nach § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG rechtskräftig festgesetzten Zwangsgelds auch an einer vollstreckungshindernden Entscheidung, wenn die gerichtliche Anordnung nach Beitreibung des rechtskräftig festgesetzten Zwangsgelds erfüllt wird. Vielmehr hat dann die "Vollstreckung" zu dem mit ihr bezweckten Ergebnis geführt. Schließlich geht es in der hier zu entscheidenden Fallgestaltung nicht um eine noch nicht begonnene oder noch laufende Vollstreckung, sondern die Vollstreckung ist - erfolgreich - beendet.
Rz. 31
(d) Für eine entsprechende Anwendung von § 48 FamFG oder §§ 776, 775 Nr. 1 FamFG besteht auch deshalb kein Bedarf, weil sich die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt bestimmt, in dem das Beitreibungsverfahren abgeschlossen ist (vgl. BVerwG NJW 2006, 2280 Rz. 8 zum Zwangsgeld zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Beförderungsverbote nach § 63 Abs. 2 und 3 AufenthG). Umstände, die nach diesem Zeitpunkt auftreten, können mithin nicht zur Aufhebung des formell rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses führen. Dementsprechend erhält auch der Steuerpflichtige ein Zwangsgeld nach § 328 AO nicht zurückgezahlt, das er bei Abgabe der Steuererklärung schon bezahlt hatte (BFH Beschl. v. 7.10.2009 - VII B 28/09 - juris Rz. 9). Nichts anderes gilt im Übrigen für ein in Registersachen rechtskräftig gem. § 389 Abs. 1 FamFG festgesetztes und dann auch beigetriebenes Zwangsgeld bei erst nachträglicher Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung (Bahrenfuss/Steup FamFG 3. Aufl., § 389 Rz. 8; Keidel/Heinemann FamFG 19. Aufl., § 389 Rz. 5; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl., § 389 Rz. 27; wohl auch Prütting/Helms/Holzer FamFG 3. Aufl., § 389 Rz. 7).
Rz. 32
(e) Die Gegenmeinung beruft sich zu Unrecht darauf, dass mit Durchführung der Handlung der Anlass zur Willensbeugung weggefallen sei. Hat es zur Beugung des Willens der Zwangsmaßnahme bedurft, dann fällt deren Rechtfertigung nicht gleichsam nachträglich weg. Vielmehr war der Schuldner eben nicht bereits angesichts der drohenden Maßnahme, sondern erst nach deren Vollzug bereit, die gerichtliche Anordnung zu befolgen.
Rz. 33
Zudem wäre mit einem Zwangsgeld, dessen Rückerhalt sich der Schuldner letztlich gewiss sein könnte, ein gerade in zeitlicher Hinsicht wesentlich geringerer Druck zur Befolgung der Anordnung verbunden. Dass die Rückzahlung eines beigetriebenen Zwangsgelds bei nachträglicher Befolgung ausscheiden muss, verdeutlicht im Übrigen der Blick auf die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG eröffnete Zwangsmaßnahme der Zwangshaft: Ist diese nach § 35 Abs. 3 Satz 3 FamFG i.V.m. §§ 802g Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 802h, 802j Abs. 1 ZPO vollzogen, kommt eine "Rückgewähr" der Haftzeit ebenso wenig in Betracht wie eine Haftentschädigung.
Fundstellen
Haufe-Index 11261853 |
NJW 2017, 12 |
NJW 2017, 3592 |
FamRZ 2017, 1948 |
FuR 2017, 671 |
FGPrax 2017, 284 |
DGVZ 2018, 66 |
JZ 2018, 16 |
MDR 2017, 1264 |
ZInsO 2017, 2221 |
FF 2017, 466 |
FamRB 2017, 460 |
FK 2018, 174 |
NZFam 2017, 969 |
RENO 2018, 19 |