Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Mitwirkung an einer Vaterschaftsbestimmung weder Kindschaftssache, Annex einer Kindschaftssache oder ein ihr vorgeschaltetes Verfahren, noch sonstige Familiensache. Keine Möglichkeit der Verbindung der Klage auf Mitwirkung an einer Vaterschaftsbestimmung mit der Vaterschaftsklage, auch nicht im Wege des Haupt- und Hilfsantrags. Prozesstrennung auch noch durch das Revisionsgericht, wenn zwei Ansprüche entgegen einem bestehenden Verbindungsverbot in einer Klage verbunden worden sind, und zwar auch dann, wenn die Ansprüche als Haupt- und Hilfsantrag geltend gemacht worden sind
Leitsatz (amtlich)
Zur Prozesstrennung haupt- und hilfsweise erhobener Klagen in der Revisionsinstanz, wenn über diese wegen des gesetzlichen Verbindungsverbots des § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO in den Vorinstanzen nicht einheitlich hätte verhandelt und entschieden werden dürfen.
Normenkette
ZPO § 145 Abs. 1, §§ 260, 640c Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Das Revisionsverfahren wird, soweit es den Hilfsantrag des Klägers betrifft, gem. § 145 Abs. 1 ZPO von Amts wegen abgetrennt und unter dem Aktenzeichen - XII ZR 190/06 - fortgeführt.
Gründe
I.
[1] Der Kläger hatte mit Jugendamtsurkunde vom 16.1.1984 anerkannt, Vater des am 12.9.1983 geborenen Beklagten zu 2) zu sein. Mit dessen Mutter, der Beklagten zu 1), war und ist er nicht verheiratet.
[2] Inzwischen bezweifelt der Kläger seine biologische Vaterschaft und begehrt mit seiner Klage in erster Linie, die Beklagten entsprechend einer von ihnen inzwischen widerrufenen Einverständniserklärung zur Mitwirkung an einer Abstammungsbegutachtung zu verurteilen. Hilfsweise begehrt er mit seiner insoweit nur gegen den Beklagten zu 2) erhobenen Klage, festzustellen, dass er nicht dessen Vater sei.
[3] Das AG hat die Klage abgewiesen. Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1987 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
II.
[4] Die Prozesstrennung ist wegen des Verbindungsverbots des § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend erforderlich. Sie kann und muss, wenn dies in den Vorinstanzen versäumt wurde, auch noch im Revisionsverfahren erfolgen.
[5] 1. Der Hilfsantrag ist Gegenstand einer Vaterschaftsanfechtungsklage gem. § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl., § 640 Rz. 23) und somit einer Kindschaftssache i.S.d. § 640 ZPO. Nach § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO kann mit einer solchen Statusklage eine Klage anderer Art nicht verbunden werden. Als einzige Ausnahmen sieht das Gesetz eine Verbindung mit einer Klage auf Regelunterhalt (§§ 640c Abs. 1 Satz 3, 653 Abs. 1 ZPO), und einer einstweiligen Anordnung gem. § 641d ZPO vor.
[6] Dies gilt auch, wenn die Klagen - wie hier - im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag erhoben sind (vgl. Senatsbeschluss vom 8.7.1981 - IVb ARZ 532/81 - FamRZ 1981, 1047 zum Zusammentreffen einer Familiensache mit einer Nichtfamiliensache).
[7] 2. Die Klage auf Mitwirkung an einer Abstammungsbegutachtung ist eine Klage anderer Art i.S.d. § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO.
[8] a) Sie ist insb. keine Kindschaftssache i.S.d. § 640 ZPO, wie sich aus der zweifelsfreien Definition (Senatsbeschluss vom 19.10.1983 - IVb ARZ 35/83 - FamRZ 1984, 36) und der abschließenden Aufzählung der Verfahrensgegenstände in § 640 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO ergibt (vgl. Zöller/Philippi a.a.O. § 640 Rz. 1; LG Berlin FamRZ 1978, 835, 836 unter Hinweis auf KG, Beschl. v. 1.2.1978 - 18 U 6/78 -, unveröffentlicht). Dies gilt insb., soweit sich die Klage hier auch gegen die Beklagte zu 1 richtet. Denn die Mutter des Kindes ist im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht Beklagte, sondern nur beizuladen und kann allenfalls Streithelferin des Klägers oder des beklagten Kindes sein (§ 640e Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO).
[9] Die Klage auf Mitwirkung an einer Vaterschaftsbegutachtung kann auch nicht als Annex einer Kindschaftssache oder als ein ihr vorgeschaltetes Verfahren angesehen werden. Es mag zwar zutreffen, dass sämtliche im vorliegenden Rechtsstreit vom Kläger erhobenen Ansprüche sich im Wesentlichen auf einen und denselben Sachverhalt stützen und dass infolge dessen prozesswirtschaftliche Gründe für ihre gemeinsame Behandlung in einem Verfahren sprechen könnten. Auch dann verbietet es sich aber, über Ansprüche, die (de lege lata) kraft ausdrücklicher Vorschrift nicht im Statusverfahren erhoben werden dürfen, zugleich mit einer Statusklage in einem und demselben Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.1954 - IV ZR 147/53 - [unveröffentlicht] Umdr. S. 6: Verbot der Verbindung der Anfechtung einer anerkannten Vaterschaft mit einer Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Anerkenntnisurkunde).
[10] b) Dem steht nicht entgegen, dass die vom Kläger in erster Linie begehrte Einholung eines außergerichtlichen Abstammungsgutachtens ohnehin für die Feststellung des von ihm vorgetragenen Vaterschaftsanfechtungsgrundes erforderlich sei und beide Klageanträge daher in engem Zusammenhang stünden, wie die Revision mit ihrer Gegenvorstellung gegen den Hinweisbeschluss des Senats vorträgt. Ist zunächst ein Erfolg des Hauptantrages erforderlich, um - bei entsprechendem Ergebnis des Abstammungsgutachtens - die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage begründet erscheinen zu lassen, wie der Kläger meint, erweist sich diese Argumentation als widersprüchlich. Denn für den Fall des Erfolgs des Hauptantrages gilt der Hilfsantrag gerade nicht als gestellt.
[11] c) Eine Ausnahme von dem strikten Verbindungsverbot des § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO ist hier auch nicht aus anderen Gründen zuzulassen.
[12] Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, dass diese Regelung das Kindschaftsverfahren (auch) von Verzögerungen durch der Verhandlungsmaxime unterliegende Ansprüche freihalten soll (vgl. Zöller/Philippi a.a.O. § 640c Rz. 1). Soweit sie allerdings geltend macht, eine solche Verzögerung könne hier gerade nicht eintreten, weil in dem Moment, in dem die Kindschaftssache zur Entscheidung anfalle, der damit verbundene Hauptantrag bereits "abgearbeitet" sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn auch die Verzögerung des Beginns der richterlichen Befassung mit der Kindschaftssache läuft dem Anliegen einer Beschleunigung zuwider.
[13] Abgesehen davon wäre allein zur Verfahrensbeschleunigung ein Verbindungsverbot nicht erforderlich gewesen. Selbst bei dem grundsätzlich vorgesehenen Verbund von Ehescheidung und Folgesachen können diese abgetrennt werden, um Verzögerungen zu vermeiden, § 628 Satz 1 ZPO.
[14] Daraus folgt zugleich, dass das Verbindungsverbot des § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht allein der Verfahrensbeschleunigung dienen soll. Es soll auch und vor allem die Schwierigkeiten vermeiden, die sich durch eine Verbindung unterschiedlicher Prozessarten ergäben (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2001 - VIII ZR 75/00, BGHZ 149, 222, 227 = BGHReport 2002, 249 m. Anm. Schultz = MDR 2002, 406; BGHZ 53, 11, 17).
[15] Insbesondere die Verbindung einer Kindschaftssache mit einer anderen Sache würde der Praxis aber erhebliche Schwierigkeiten bereiten, die hier nur beispielhaft und keineswegs erschöpfend angedeutet werden sollen, nämlich anhand folgender Fragen:
- ob eine in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkte Partei in einem Rechtsstreit teils prozessfähig sein kann (§ 640b Satz 1 ZPO), teils nicht (§ 52 ZPO);
- ob die vorgeschriebene Kostenentscheidung teilweise für vorläufig vollstreckbar erklärt werden kann und teilweise nicht (§ 704 Abs. 2 ZPO);
- ob die in Kindschaftssachen grundsätzlich gebotene Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 Abs. 2 ZPO; vgl. Zöller/Philippi a.a.O. § 121 Rz. 6) ggf. auf diesen Teil des Rechtsstreits zu beschränken ist;
- ob die in der Nicht-Kindschaftssache beweisbelastete Partei auch dann noch als beweisfällig anzusehen ist, wenn die behauptete Tatsache zugleich für die Kindschaftssache entscheidungserheblich und dort von Amts wegen zu ermitteln ist.
[16] d) Es kommt auch nicht mehr darauf an, dass eine Verbindung der beiden Klagen - abgesehen von dem speziellen Verbindungsverbot des § 640c Abs. 1 ZPO - hier auch schon deshalb unzulässig ist, weil sie gegen das allgemeine Verbot der Verbindung einer Familiensache mit einer Nichtfamiliensache verstößt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.11.1978 - IV ARZ 73/78 - FamRZ 1979, 215). Der Hauptantrag ist jedenfalls auch nicht Gegenstand einer anderen Familiensache als einer Kindschaftssache i.S.d. § 23b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 11, 13 bis 15 GVG (vgl. Zöller/Philippi a.a.O. § 640 Rz. 1; LG Berlin a.a.O.). Ein Anspruch, der - wie hier - auf eine rein vertragliche Grundlage gestützt wird, gehört nicht zu den Familiensachen (vgl. Zöller/Philippi a.a.O. § 621 Rz. 46). Ob ein Rechtsstreit Familiensache ist, richtet sich nach der Begründung des geltend gemachten Anspruchs (Senatsbeschluss vom 9.7.1989 - IVb ARZ 527/80 - FamRZ 1980, 988).
[17] Für die Frage der Zulässigkeit der hier zum OLG eingelegten Berufung ist dies allerdings ohne Belang. Zwar wäre für den Hauptantrag die allgemeine Zivilabteilung des AG zuständig gewesen, gegen deren Entscheidung dann Berufung zum LG hätte eingelegt werden müssen. Da hier aber das FamG entschieden hat, ergibt sich die Rechtsmittelzuständigkeit des OLG aus § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG (formelle Anknüpfung). Zur Entscheidung über das Rechtsmittel war folglich auch der Familiensenat des OLG berufen (vgl. Musielak/Wittschier ZPO 5. Aufl., § 119 GVG Rz. 9 f.).
[18] 3. Darin, dass die Vorinstanzen gegen § 640c ZPO verstoßen und die Verfahren nicht von Amts wegen nach § 145 ZPO getrennt, sondern über die Anfechtungsklage und über die Klage auf Mitwirkung an einer Vaterschaftsbegutachtung einheitlich verhandelt und entschieden haben, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1974 - IV ZR 68/73 - FamRZ 1974, 249, 250).
[19] Wie allerdings in der Rechtsmittelinstanz zu verfahren ist, wenn verschiedenartige Klagen unzulässigerweise verbunden waren und darüber einheitlich entschieden wurde, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.1954a.a.O.).
[20] a) Eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO ist jedenfalls in jedem Stadium des Verfahrens möglich (vgl. Stein/Jonas/Leipold 22. Aufl., § 145 Rz. 16; Baumbach/Lauterbach/Hartmann 64. Aufl., § 145 Rz. 4). Dass sie jedenfalls auch noch in zweiter Instanz erfolgen kann, hat der BGH bereits entschieden (Beschluss vom 20.12.1978 - IV ARZ 74/78 - NJW 1979, 78 ff.) und dies damit begründet, § 145 ZPO gehöre zu den allgemeinen Verfahrensvorschriften und gelte in gleicher Weise für die erste wie für die zweite Instanz. Danach obliege die Anordnung der Trennung dem "Gericht"; das sei das jeweilige Prozessgericht. Nichts anderes gilt für die Revisionsinstanz, da die Vorschriften des ersten Buches der Zivilprozessordnung - und somit auch § 145 ZPO - unmittelbar auch für das Revisionsverfahren gelten (vgl. Musielak/Ball ZPO a.a.O. § 555 Rz. 1).
[21] b) Das Reichsgericht hatte schon sehr früh (RG RGZ 5, 165, 167) den Grundsatz bestätigt, dass Klagen, die nicht in derselben Prozessart zulässig sind, nicht in demselben Prozesse verhandelt werden dürfen und dies von Amts wegen zu beachten ist. Gleichwohl hat es in einem einheitlichen Revisionsverfahren das Berufungsurteil insoweit abgeändert, als es auf die Berufung des Beklagten die vermögensrechtliche Klage als in diesem Verfahren (Ehesache) unzulässig abwies, im Übrigen aber das Berufungsurteil bestätigte.
[22] c) Der BGH (Urteil vom 24.5.1954a.a.O. S. 7) hat dies für bedenklich gehalten, weil mit gleichem Recht statt der vermögensrechtlichen Klage auch die Statusklage als unzulässig hätte abgewiesen werden können. Statt dessen hat er grundsätzlich eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO für geboten erachtet - dies jedenfalls für den Fall, dass die beiden verschiedenartigen Ansprüche gleichrangig nebeneinander erhoben sind. Eine solche Prozesstrennung hat er aber in dem damaligen Revisionsverfahren weder selbst vorgenommen, noch hat er das Berufungsurteil aufgehoben, die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem die Prozesstrennung überlassen. An der zuletzt genannten Lösung sah er sich gehindert, weil die Statusklage in dem von ihm zu beurteilenden Fall erst in zweiter Instanz erhoben worden war, so dass der Charakter des Rechtsstreits im ersten Rechtszug eindeutig als ordentliches Verfahren bestimmt gewesen sei. Mit Rücksicht darauf hat er die Statusklage abändernd als unzulässig abgewiesen.
[23] d) Daran hat der nunmehr für Familiensachen zuständige Senat indes nicht festgehalten. Jedenfalls im Falle einer Berufung, mit der ein Verbundurteil über prozessordnungswidrig verbundene verschiedenartige Klagen bzw. Anträge insgesamt angefochten wird, hat er eine Prozesstrennung für erforderlich gehalten und eine Abweisung des nicht in den Verbund gehörenden Antrags als unzulässig für nicht gerechtfertigt gehalten (Senatsurteil vom 19.3.1997 - XII ZR 277/95 - FamRZ 1997, 811, 812; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 1994, 773).
[24] e) Allerdings wird die Auffassung vertreten, eine Trennung in letzter Instanz sei nicht erforderlich, wenn diese über die getrennten Prozesse dennoch zugleich zu entscheiden hätte (Wieczorek ZPO 2. Aufl., § 260 Anm. C IV c 1). Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Für eine Prozesstrennung auch in einem solchen Fall spricht bereits, dass hier andernfalls ungeklärt bliebe, ob über die Revision in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung zu verhandeln wäre, oder etwa zunächst über den Hauptantrag öffentlich und sodann über den Hilfsantrag nichtöffentlich. Welche Bedeutung dieser Frage zukommt, ist bereits daraus ersichtlich, dass ein Verstoß im Berufungsverfahren einen absoluten Revisionsgrund darstellen würde, § 547 Nr. 6 ZPO.
[25] Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hier dahingestellt bleiben kann, ob das Berufungsgericht im vorliegenden Fall einen solchen Verstoß begangen hat, indem es über die Sache insgesamt in öffentlicher Sitzung verhandelt hat. Selbst wenn dies der Fall ist, ist das angefochtene Urteil nicht wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes aufzuheben. Denn einen solchen nicht der Amtsprüfung unterliegenden Verfahrensmangel darf das Revisionsgericht nur berücksichtigen, wenn er nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 ZPO gerügt worden ist, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO (vgl. Zöller/Gummer a.a.O. 25. Aufl., § 547 Rz. 9). Daran fehlt es hier.
[26] 4. Ob eine Prozesstrennung aber auch dann vorzunehmen ist, wenn Ansprüche verschiedener Prozessarten in einem Eventualverhältnis geltend gemacht werden, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
[27] Zum Teil wird die Auffassung vertreten, ein nur hilfsweise erhobener Anspruch sei bei unzulässiger Verbindung, sobald über ihn zu entscheiden ist, als unzulässig abzuweisen (Wieczorek a.a.O. § 260 Anm. C IV c; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 16. Aufl., § 96 Rz. 17). Dies gelte jedenfalls dann, wenn er sich durch Prozesstrennung verselbständigt habe, weil er nach wie vor unter der Bedingung der Abweisung des Hauptantrags (in dem nunmehr anderen Verfahren) stehe, ein bedingter selbständiger Antrag aber unzulässig sei. Allerdings könne die Abweisung - etwa auf richterlichen Hinweis - durch Fallenlassen der Bedingung vermieden werden (so Stein/Jonas/Schumann a.a.O. 21. Aufl., § 260 Rz. 53).
[28] Für den Fall prozesswidriger Verbindung einer Familiensache und einer Nichtfamiliensache hat der IV. Zivilsenat die Auffassung vertreten, eine Abtrennung komme nur in Betracht, wenn über jeden abgetrennten Anspruch auch einzeln entschieden werden könne. Soweit dies nicht zutreffe und eine einheitliche Entscheidung geboten sei, komme eine Prozesstrennung nicht in Betracht. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn die Klagen oder Anträge in einem Eventualverhältnis stünden, denn dann habe keiner dieser Ansprüche ein völlig selbständiges prozessuales Schicksal. Über den Hilfsantrag dürfe das Rechtsmittelgericht erst entscheiden, wenn der Kläger mit seinem Hauptantrag nicht durchdringe, und hinsichtlich des Hauptantrages dürfe es das Rechtsmittel nicht (etwa durch Teilurteil) zurückweisen, bevor es nicht über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch entschieden habe (vgl. BGH, Beschl. v. 8.11.1978a.a.O. S. 216 unter Hinweis auf BGHZ 22, 272, 276 f.; a.A. - Zulässigkeit eines den Hauptantrag abweisenden Teilurteils - BGH, Urt. v. 1.4.1971 - VII ZR 297/69 - JR 1971, 331 f. m. zust. Anm. Bähr a.a.O. 332 f.).
[29] Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall unzulässiger Verbindung einer allgemeinen Zivilklage mit einer Kindschaftssache schließt sich der Senat der von Stein/Jonas/Schumann (a.a.O. 21. Aufl., § 260 Rz. 53) vertretenen Auffassung an. Denn die in BGHZ 22, 272, 276 f. aufgestellten Grundsätze, die (innerhalb derselben Verfahrensart) eine einheitliche Entscheidung gebieten, gelten gerade nicht, wenn § 640c Abs. 1 Satz 1 ZPO eine einheitliche Verhandlung und Entscheidung untersagt. Letztere kann der Kläger auch nicht dadurch erzwingen, dass er seine verschiedenartigen Klagen unzulässigerweise in ein Eventualverhältnis stellt. Die in einem solchen Fall gebotene Prozesstrennung nach § 145 ZPO stellt dann lediglich den Zustand wieder her, der bei ordnungsgemäßer Klageerhebung in getrennten Prozessen von Anfang an bestanden hätte. Auch dann hätte nämlich keiner der in diesen Prozessen gesondert verfolgten Ansprüche unter einer Bedingung (Ausgang eines anderen Verfahrens) geltend gemacht werden können; eine solche bedingt erhobene Klage ist unzulässig (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald a.a.O. § 96 Rz. 22; MünchKomm/ZPO/Lüke 2. Aufl., § 260 Rz. 13; OLG Frankfurt FamRZ 1978, 432, 433).
[30] Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die von Stein/Jonas/Schumann (a.a.O. 21. Aufl., § 260 Rz. 53) aufgezeigte Möglichkeit, einer Abweisung als unzulässig durch Fallenlassen der Bedingung zu entgehen, in der Revisionsinstanz nicht mehr besteht. In der Revisionsinstanz kann ein Hilfsantrag nicht mehr zum Hauptantrag erhoben werden, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revision nicht statthaft ist (BGHZ 28, 136, 137m. zust. Anm. Fischer LM § 561 ZPO Nr. 20; BFHE 137, 478; Wieczorek/Schütze/Prütting ZPO 3. Aufl., § 559 Rz. 34; Gottwald, Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz S. 371; a.A. Schiller, Die Klageänderung in der Revisionsinstanz in Zivilsachen S. 60, 180 f.). Insoweit handelt es sich nämlich um eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung, weil die zuvor nur alternativ geltend gemachten Klagebegehren nunmehr kumulativ verfolgt werden. Das übersieht Schiller (a.a.O. S. 180) bei seiner Argumentation, der Beklagte habe sich bereits in den Tatsacheninstanzen gegen den Hilfsantrag verteidigen können und mit einem rechtskräftigen Urteil darüber rechnen müssen. Mit einer Verurteilung sowohl auf den Haupt- als auch auf den Hilfsantrag hin brauchte er nicht zu rechnen.
[31] Das Revisionsgericht kann einer Partei nicht mehr zusprechen, als sie in der Berufungsinstanz zuletzt beantragt hatte. Das begehrt der Kläger aber hier, wenn er seinen bisherigen Hilfsantrag zum (weiteren) Hauptantrag erhebt. Die Zulässigkeit eines solchen Begehrens kann auch nicht davon abhängen, in welchem Umfang es begründet wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 1681143 |
BGHZ 2007, 152 |
BGHR 2007, 255 |
MDR 2007, 466 |
FF 2007, 60 |
FamRB 2007, 138 |