Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Ersten Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. März 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde im Jahre 1977 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und ist inzwischen Fachanwalt für Steuerrecht. Durch Verfügung vom 2. September 1999 hat die Antragsgegnerin die Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO n.F. wegen Vermögensverfalls widerrufen. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts.
II.
Das nach § 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gerät der Rechtsanwalt in Vermögensverfall, ist seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO n.F.). Ein Vermögensverfall wird nach dieser Vorschrift vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht (§ 26 Abs. 2 InsO) oder vom Vollstreckungsgericht (§ 915 ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist.
a) Diese Vermutung kommt hier zur Geltung; denn der Antragsteller ist in drei Zwangsvollstreckungsverfahren im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts eingetragen. Davon abgesehen hatten im Zeitpunkt des Widerrufs Gläubiger Vollstreckungsaufträge wegen Forderungen im Gesamtbetrag von mehr als 3.250.000 DM erteilt.
b) Der Antragsteller macht geltend, seine aktuelle finanzielle Situation sei dadurch hervorgerufen worden, daß er im Zusammenhang mit der Finanzierung eines größeren Bauvorhabens, an dem er sich beteiligt habe, von einer Versicherungsgesellschaft sowie einem Kreditinstitut vorsätzlich geschädigt worden sei. Der Kläger hat gegen beide Parteien Klagen in Millionenhöhe erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Es kommt indessen nicht darauf an, ob aufgrund dieses Sachverhalts anzunehmen ist, daß der Rechtsanwalt unverschuldet in Vermögensverfall geraten ist. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient allein dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist daher nach dieser Bestimmung auch dann zu entziehen, wenn der Rechtsanwalt ohne Verschulden in die ihn belastende Vermögenslage geraten ist (BGH, Beschluß vom 21. Juni 1999 – AnwZ (B) 88/98, BRAK-Mitt. 1999, 270, 271).
2. Der Antragsteller hat auch nicht hinreichend dargetan, daß die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht gefährdet sind.
Vermögensverfall führt bei einem Rechtsanwalt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen seiner Mandanten. Eine solche Gefährdung läßt sich nur äußerst selten mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Der Antragsteller hat vorgetragen, er bearbeite allein steuerrechtliche Mandate und komme bei dieser Tätigkeit mit Mandantengeldern nicht in Berührung. Eine entsprechende Selbstbeschränkung wird indessen nach außen nicht erkennbar; sie ist zudem nicht überprüfbar und kann von dem Rechtsanwalt jederzeit aufgegeben werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist allein deshalb, weil der Rechtsanwalt bisher keine Mandantengelder in Empfang genommen hat, eine Gefährdung der Vermögensinteressen seiner Auftraggeber nicht auszuschließen (BGH, Beschluß vom 27. Mai 1991 – AnwZ (B) 9/91, BRAK-Mitt. 1991, 227; vom 7. Oktober 1991 – AnwZ (B) 26/91; vom 14. Februar 2000 – AnwZ (B) 13/99).
3. Sind im Laufe des gerichtlichen Verfahrens die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung nachträglich zweifelsfrei entfallen, so ist dies nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Entscheidung noch zu berücksichtigen. Der Rechtsanwalt muß dazu im einzelnen belegen, daß er die gegen ihn gerichteten Forderungen getilgt hat oder in einer Weise zu erfüllen vermag, die seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse wieder als geordnet erscheinen läßt. Entsprechende Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht dargetan.
In den Rechtsstreitigkeiten, die er gegen die Bank und die Versicherungsgesellschaft führt, sind bisher keine Urteile ergangen. Der den Prozessen zugrunde liegende Sachverhalt ist komplex; die im Zusammenhang damit auftretenden Rechtsfragen werden in Rechtsprechung und Schrifttum ersichtlich nicht einheitlich behandelt. Höchstrichterliche Entscheidungen dazu liegen offenbar nicht vor. Ob und in welchem Umfang Urteile zugunsten des Rechtsanwalts ergehen werden, ist derzeit nicht absehbar. Auch der zuletzt eingereichte Schriftsatz enthält die notwendigen Angaben nicht. Er belegt lediglich, daß inzwischen einzelne im Verhältnis zum Gesamtbetrag nicht wesentliche Forderungen getilgt worden sind und mit einigen Gläubigern Stillhalteabkommen geschlossen wurden. Danach bleibt es gegenwärtig ungeklärt, ob, wann und auf welche Weise der Antragsteller in der Lage sein wird, die titulierten Ansprüche in Zukunft zu befriedigen. In Anbetracht dessen können seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse derzeit nicht als geordnet angesehen werden.
Unterschriften
Deppert, Fischer, Terno, Otten, Frey, Wosgien, Schott
Fundstellen
Haufe-Index 584864 |
BGHR 2001, 668 |