Tenor
Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2000 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Wert: 7.500 DM.
Gründe
1. Das Oberlandesgericht hat die Erstbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – vom 14. Dezember 1999, durch den der Antrag des Antragstellers auf Abänderung der in dem Verbundurteil vom 15. Juli 1997 getroffenen Sorgerechtsentscheidung zurückgewiesen wurde, zu Recht als unzulässig verworfen, weil für die am 14. Januar 2000 eingelegte Beschwerde erst am 17. Februar 2000 und damit verspätet (§§ 621 e Abs. 1 und Abs. 3, 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist gestellt worden ist.
2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist abgelehnt. Denn der Antragsteller war nicht ohne ihm zuzurechnendes Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin S. an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO).
a) Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob Rechtsanwältin S. ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der „Vorfristbehandlung” der Sache am 11. Februar 2000 genügt hat, als sie – ohne sich die Akten vorlegen zu lassen – ihrer Angestellten K. den Auftrag erteilte, Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu beantragen. Da die Eintragung einer Vorfrist bewirken soll, daß dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit verbleibt (vgl. BGH Beschluß vom 6. Juli 1994 – VIII ZB 26/94 = NJW 1994, 2551, 2552 m.w.N.), kann diese Warnfunktion der Vorfrist nur eingreifen, wenn die Akte dem Rechtsanwalt vorgelegt wird. Hätte Rechtsanwältin S. sich den Vorgang – wie es nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 in ihrer Kanzlei an sich am Vorfrist- und Fristentag geschieht – am 11. Februar 2000 vorlegen lassen und die Vorlage zum Anlaß genommen, den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich anhand der Handakten zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1997 – XII ZB 195/96 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 24), dann hätte sie, selbst bei Vornahme dieser Prüfung erst am nächsten (Arbeits-)Tag, dem 14. Februar 2000 (vgl. hierzu BGH Beschluß vom 5. Oktober 1999 – VI ZB 22/99 = NJW 2000, 365, 366), bemerkt, daß die Beschwerdebegründungsfrist bereits an diesem Tag (14. Februar 2000) ablief. Der Fristverlängerungsantrag hätte sodann noch rechtzeitig am 14. Februar 2000 gestellt werden können.
b) Unabhängig hiervon ist aber jedenfalls im Zusammenhang mit der Fristeneintragung und -überwachung ein Organisationsverschulden in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht ausgeräumt. Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag der Rechtsanwältin selbst und der eidesstattlichen Versicherung ihrer Angestellten H. ist diese seit August/September 1999 sowohl montags- und dienstagsvormittags als auch in sonstigen Fällen bei Abwesenheit ihrer Kollegin K. für die Fristnotierung im Kalender zuständig. Frau H. war indessen 1999 und auch noch im Januar 2000, als sie am Donnerstag, dem 20. Januar 2000, den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in der vorliegenden Sache fälschlich nicht auf den 14. Februar, sondern auf den 21. Februar 2000 im Kalender eintrug, noch Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, darf ein Rechtsanwalt jedoch mit der Notierung und Überwachung der Fristen grundsätzlich nur voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen, keinesfalls hingegen noch auszubildende Kräfte (vgl. Senatsbeschluß vom 8. Juli 1992 – XII ZB 55/92 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 27; BGH Beschlüsse vom 20. Juni 1978 – VI ZB 7/78 = VersR 1978, 959, 960; vom 22. Dezember 1970 – VI ZB 15/70 = VersR 1971, 372; auch Beschluß vom 21. September 2000 – IX ZB 67/00; sowie Büttner, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 7 Rdn. 62 a.E.). Diesen fehlt zumindest die notwendige Erfahrung. Auch im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, daß der Auszubildenden H. bei der unrichtigen Fristeintragung ein Fehler unterlaufen ist, der – trotz ihrer behaupteten Kenntnisse im Fristenwesen – auf mangelnde praktische Erfahrung zurückzuführen war. Es liegt nämlich nicht fern anzunehmen, daß die Angestellte nicht, wie von ihr nachträglich vermutet, bei der Fristeneintragung im Kalender um eine Woche „verrutscht” ist, sondern daß sie die von Rechtsanwältin S. auf der am 20. Januar 2000 in der Kanzlei eingegangenen gerichtlichen Eingangsbestätigung angebrachte Verfügung „Begr.frist notieren”, zu der die Auszubildende selbst den Vermerk „1 Monat” hinzugefügt hatte, bei der Eintragung in den Kalender zum Anlaß genommen hat, den Monatsablauf vom 20. Januar 2000 an zu berechnen und auf diese Weise als Fristablauf den (Montag) 21. Februar 2000 zu notieren.
Hierbei ist im übrigen ein Mangel der Fristenorganisation in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auch insoweit nicht ausgeräumt, als die von Rechtsanwältin S. auf der gerichtlichen Eingangsbestätigung vermerkte Verfügung „Begr.frist notieren” die Vermutung nahelegt, daß die Rechtsmittelbegründungsfrist nach der Kanzleiübung nicht „alsbald bei” oder zumindest „alsbald nach” Einreichung des Rechtsmittels vorläufig eingetragen und dieser Eintrag später anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung überprüft wurde (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 – IX ZB 70/93 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 33 m.w.N.), sondern daß die Begründungsfrist erst aufgrund der gerichtlichen Bestätigung über den Eingang des Rechtsmittels notiert wurde. Hierin läge eine Verletzung der dem Rechtsanwalt obliegenden Organisationspflichten im Hinblick auf die Fristenkontrolle (vgl. BGH Beschluß vom 9. Dezember 1993 aaO).
Es kann dahinstehen, ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von dem Grundsatz zugelassen werden kann, daß die Fristeintragung und -überwachung nicht auf Auszubildende übertragen werden darf. In diesem Fall muß dann jedenfalls eine um so wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder andere geeignete Kräfte gewährleistet sein (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Februar 1972 – III ZR 173/71 = VersR 1972, 557; vom 23. September 1977 – V ZR 39/77 = VersR 1978, 139; vom 21. September 2000 aaO), durch die sichergestellt wird, daß alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Diesem Erfordernis genügt der vorgetragene und glaubhaft gemachte Organisationsablauf in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. nicht. Wie diese selbst und die Angestellten K. und H. übereinstimmend vorgetragen und versichert haben, überprüft die – seit 1994 bei der Prozeßbevollmächtigten tätige, seit 1997 voll ausgebildete Angestellte K. – regelmäßig „mindestens” bzw. „durchschnittlich” einmal wöchentlich die von der Auszubildenden H. vorgenommenen Fristnotierungen. Hierbei kann es sich indessen entweder nur um Stichproben oder nur um Plausibilitätskontrollen allein anhand des Fristenkalenders handeln. Denn andernfalls hätte in dem Zeitraum von gut drei Wochen zwischen der unzutreffenden Fristeintragung am 20. Januar 2000 und dem Ablauf der notierten Vorfrist am 11. Februar 2000 die unrichtige Fristeintragung bemerkt werden müssen. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Kalender reichten aber nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von der Auszubildenden selbständig vorgenommenen Fristeintragungen zu gewährleisten. Hierfür war vielmehr ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit den jeweiligen Akten erforderlich (vgl. BGH Beschluß vom 23. September 1977 aaO), wie ihn – nach ihrem eidesstattlich versicherten Vortrag im Schriftsatz vom 25. Februar 2000 – ersichtlich die Verfahrensbevollmächtigte selbst bei ihren „regelmäßigen” Kontrollen vornahm. Zu den Zeitabständen, in denen diese Kontrollen durchgeführt wurden, hat die Angestellte H. vorgetragen und an Eides Statt versichert, die Verfahrensbevollmächtigte „läßt sich meine am jeweiligen Tag angefertigten Notierungen ca. einmal im Monat vorlegen”. Das reichte, wie der vorliegende Fall deutlich macht, keinesfalls aus, um die Richtigkeit der Fristeintragungen durch eine Auszubildende zu gewährleisten. Der Bundesgerichtshof hat – allerdings unter der Geltung der früheren strengeren Fassung des § 233 ZPO – selbst bei einer bereits voll ausgebildeten, aber noch jungen und noch nicht während eines längeren Zeitraums erprobten Angestellten anwaltliche Kontrollen, die zwei bis dreimal pro Woche stattfanden, nicht ausreichen lassen (vgl. Beschluß vom 23. September 1977 aaO). Selbst wenn nach geltendem Rechtszustand derartig häufige Kontrollen durch den Rechtsanwalt persönlich nicht als erforderlich anzusehen sein dürften, genügten ca. einmal monatlich durchgeführte Überprüfungen jedenfalls nicht zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Das gälte in besonderem Maße dann, wenn, wie vorstehend ausgeführt, in der Kanzlei von Rechtsanwältin S. die Übung bestand, Rechtsmittelbegründungsfristen erst nach Rückgabe der gerichtlichen Eingangsbestätigung im Fristenkalender einzutragen. Denn bei einer solchen Handhabung konnte es geschehen, daß Rechtsmittelbegründungsfristen nur während einer Dauer von etwa drei Wochen statt von einem Monat im Kalender vermerkt waren. Kontrollen in Zeitabständen von „ca. einem Monat” waren unter diesen Umständen nicht geeignet, fehlerhafte Fristnotierungen rechtzeitig und verläßlich aufzudecken.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Weber-Monecke, Wagenitz
Fundstellen
Haufe-Index 511110 |
FuR 2001, 273 |