Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Leitsatz (amtlich)
Die anwaltliche Berufspflicht, während der Dauer der Zulassung eine Haftpflichtversicherung zu unterhalten, ist auch dann verletzt, wenn zeitweilig ein Versicherungsschutz nicht besteht. Da durch einen Widerruf der Zulassung nur künftig drohenden Vermögensschäden begegnet werden kann, kommt jedoch trotz Bestehens einer „Versicherungslücke” ein Widerruf nicht (mehr) in Betracht, wenn der Rechtsanwalt nachweist, daß jedenfalls für die Zukunft wieder voller Versicherungsschutz besteht.
Normenkette
BRAO § 51 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 2 Nr. 9
Verfahrensgang
Tenor
Die Antragsgegnerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen und der Antragstellerin die ihr entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist seit 1994 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schreiben vom 11. Mai 1999 teilte die G. Firmen- und Privat-Service AG der Antragsgegnerin mit, daß der Versicherungsschutz der Antragstellerin seit dem 14. Februar 1999 unterbrochen sei.
Mit Verfügung vom 9. November 1999 hat die Antragsgegnerin die Zulassung der Antragstellerin zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO wegen Nichtunterhaltung der vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung widerrufen und zugleich die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet. Mit Beschluß vom 8. Mai 2000 hat der Anwaltsgerichtshof die Anträge der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt.
Während des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20. Juli 2000 die Widerrufsverfügung vom 9. November 1999 mit der Begründung aufgehoben, die Antragstellerin habe nunmehr, wie erforderlich, nachgewiesen, daß seit dem 14. Februar 1999 „lückenloser” Versicherungsschutz bestehe. Die Beteiligten haben das Verfahren für erledigt erklärt.
II.
Nachdem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 91 a ZPO, § 13 a FGG zu entscheiden. Dabei entspricht es billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie ohne Erledigung der Hauptsache unterlegen wäre.
1. Der Anwaltsgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Zwar sei nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, daß die Antragstellerin seit dem 9. Februar 2000 wieder eine Haftpflichtversicherung unterhalte. Dies habe jedoch auf den Widerruf der Zulassung keinen Einfluß, da sie nach wie vor nicht nachgewiesen habe, daß auch für die Zeit vom 14. Februar 1999 bis zum 8. Februar 2000 der gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherungsschutz bestanden habe.
Dem ist nicht zu folgen.
2. § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO, der den Rechtsanwalt dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten, dient dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Dieses soll darauf vertrauen können, daß eventuelle Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt im Rahmen des vorgeschriebenen Versicherungsschutzes ohne weiteres durchsetzbar sind (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 137, 200, 203 f). Diese Pflicht zur dauernden Unterhaltung einer Haftpflichtversicherung ist auch dann verletzt, wenn nur zeitweilig ein Versicherungsschutz nicht besteht. Beruht dies auf einem Verschulden des Rechtsanwalts, so liegt darin eine Berufspflichtverletzung nach §§ 43, 113 Abs. 1 BRAO, die mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen geahndet werden kann (Senatsbeschluß vom 29. Januar 1996 – AnwZ (B) 47/95 – BRAK-Mitt. 1996, 121 f).
Bei Auslegung und Anwendung der mit § 51 BRAO in Zusammenhang stehenden Widerrufsbestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO, die ebenfalls dem Schutz des rechtsuchenden Publikums dient, ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch einen Widerruf der Zulassung nur künftig drohenden Vermögensschäden begegnet werden kann, hingegen dadurch nicht solche Vermögensschäden verhindert werden können, die auf einer bereits in der Vergangenheit liegenden Anwaltstätigkeit und dem dabei fehlenden Versicherungsschutz beruhen. Deshalb war es, nachdem die Antragstellerin nachgewiesen hatte, daß sie jedenfalls seit dem 9. Februar 2000 wieder eine Haftpflichtversicherung unterhält, nicht (mehr) geboten, der Rechtsanwältin die (weitere) Berufsausübung zu untersagen. Dies sieht der Anwaltsgerichtshof im Ergebnis ersichtlich nicht anders, weil er betont hat, daß die Antragstellerin wegen des nunmehr wiederhergestellten Versicherungsschutzes nicht daran gehindert sei, erneut ihre Zulassung bei der Antragsgegnerin zu beantragen. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist jedoch dieser Umstand auch bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigen, ob ein ergangener Widerrufsbescheid wegen Beseitigung des Widerrufsgrundes aufzuheben ist (ebenso Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 14 Rn. 78; allgemein zum Beurteilungszeitpunkt bei der Frage der Aufrechterhaltung der Zulassungsrücknahme: Senatsbeschlüsse BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150).
Unterschriften
Deppert, Basdorf, Schlick, Otten, Salditt, Schott, Wosgien
Fundstellen
Haufe-Index 625181 |
BB 2001, 1869 |
DStR 2002, 1328 |
NJW 2001, 3131 |
NWB 2001, 3068 |
BGHR 2001, 810 |
BGHR |
EBE/BGH 2001, 250 |
EWiR 2001, 913 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 1190 |
MDR 2001, 1137 |
MittRKKöln 2001, 257 |