Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofes vom 18. September 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsgegner die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 90.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist 1954 in Warschau geboren und hat dort Rechtswissenschaften studiert, die er 1980 mit dem Titel „Magister der Rechte” abschloß. Im Dezember 1981 kam er in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist deutscher Volkszugehörigkeit und hat als Heimatvertriebener im Sinne des BVFG einen Vertriebenenausweis (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BVFG) erhalten. Ihm ist 1985 die Genehmigung, den Magistertitel in der Bundesrepublik zu führen, 1989 auch die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung auf dem Gebiet des polnischen Rechts erteilt worden. Die Anerkennung der Magisterprüfung als gleichwertig mit der ersten juristischen Staatsprüfung ist zunächst durch das Verwaltungsgericht rechtskräftig abgelehnt worden, jedoch 1995 durch das Justizministerium Nordrhein-Westfalen erfolgt. Der Antragsteller hat seit 1996 den juristischen Vorbereitungsdienst absolviert, die zweite juristische Staatsprüfung hat er bisher nicht mit Erfolg abgelegt. Seit 1986 war der Antragsteller mehrere Jahre in verschiedenen Rechtsanwaltskanzleien tätig.
Seinen Antrag, ihn als Rechtsanwalt nach § 4 Abs. 1 Rechtsanwaltsgesetz (RAG) zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht F. und bei dem Landgericht F. zuzulassen, hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 7. Juli 2000 zurückgewiesen. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof durch den Beschluß vom 18. September 2000 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Er erfüllt nicht die Zulassungsvoraussetzungen nach § 4 BRAO, da er bisher die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit Erfolg abgelegt und damit die Befähigung zum Richteramt nicht erlangt (oder die weiteren alternativ dort aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen erfüllt) hat. Eine Zuerkennung der Befähigung zum Richteramt nach § 112 DRiG i. V. m. § 92 Abs. 2, 3 Bundesvertriebenengesetz kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die in Polen abgelegte Magisterprüfung lediglich dem ersten, nicht aber dem zweiten Staatsexamen als gleichwertig anerkannt wurde.
Der Antragsteller hat die anwaltliche Befähigung auch nicht nach Art. 21 Abs. 8 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Rechtsanwaltsgesetzes (RAG) der ehemaligen DDR vom 13. September 1990 (GBl. I S. 1504) erworben. Danach kann zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden, wer spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 2. September 1994 in der DDR ein umfassendes Hochschulstudium mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen hatte und auf mindestens zwei Jahre juristische Praxis in der Rechtspflege oder einem rechtsberatenden Beruf verweisen konnte.
Der Antragsteller hat weder ein Hochschulstudium in der DDR noch einen Abschluß als Diplom-Jurist erlangt. Allerdings hat der Senat dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG entsprechend diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß diese Voraussetzung von einem in der ehemaligen DDR Ansässigen auch durch ein umfassendes juristisches Hochschulstudium im Ausland, das von der DDR aufgrund einer Äquivalenzvereinbarung anerkannt war, erfüllt sein kann (Senatsbeschluß vom 30. Oktober 1995 – AnwZ (B) 26/95, BRAK-Mitt. 1996, 84, 85). Eine solche Äquivalenzvereinbarung bestand zwischen der ehemaligen DDR und der Volksrepublik Polen (Übereinkommen vom 21.12.1979 über die Anerkennung von Studien, Diplomen und Graden im Hochschulbereich in den Staaten der europäischen Region (GBl. 1983 II Nr. 1 S. 7, vgl. auch BT-Drucks. 12/4077, Rats-Slg. S. 10f, inzwischen durch Gesetz vom 2.9.1994 (BGBl. II S. 2321) auch in der Bundesrepublik ratifiziert). Denn ein von einem früheren DDR-Bürger im sozialistischen Ausland erworbener rechtswissenschaftlicher, von der DDR als gleichwertig anerkannter Abschluß hatte nach der Gesetzeslage und Rechtspraxis in der DDR vor Erlaß des RAG den Zugang zu juristischen Berufen in der DDR eröffnet. Mit dem Erlaß des RAG sollte dieser Personenkreis nicht ausgeklammert werden, ihre Belange wurden von allen Beteiligten des Gesetzgebungsverfahrens als gesichert angesehen (aaO, S. 84).
Eine weitere Ausdehnung der Ausnahmeregelung des § 4 RAG über diesen Personenkreis hinaus hat der Senat bereits im Fall eines russischen Staatsangehörigen, der einen Abschluß an einer staatlichen Universität der ehemaligen UDSSR erworben hatte und der seit 1987 in der ehemaligen DDR lebte, abgelehnt (Senatsbeschluß vom 4. Mai 1998 – AnwZ (B) 3/98, BRAK-Mitt. 1999, 90 f.). Sie kommt auch für den Antragsteller nicht in Betracht. Die Regelung der Zugangsberechtigung von Personen, die – wie der Antragsteller – zu keinem Zeitpunkt Bürger der ehemaligen DDR oder dort auch nur wohnhaft gewesen waren, lag außerhalb der Intentionen der DDR als Gesetzgeber des RAG. Ersichtlich ist aber auch bei den Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes als Folge des Einigungsvertrags nicht erwogen worden, die Zugangsvoraussetzungen zum Anwaltsberuf für Vertriebene mit juristischen Abschlüssen etwa in Polen entsprechend § 4 RAG zu erleichtern. Eine Gleichbehandlung dieses Personenkreises ist auch nicht nach Art. 3, 12 GG geboten. Mit § 4 RAG sollte der besonderen historischen Situation, des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik, Rechnung getragen, der Besitzstand der Rechtsanwaltschaft der DDR gewahrt und für eine Übergangszeit der Zugang zur Rechtsanwaltschaft mit dem Abschluß als Diplom-Jurist gewährleistet werden (Treffkorn, Zum Rechtsanwaltsgesetz der DDR, DtZ 1990, 308). Von dieser besonderen Situation war der Antragsteller ebensowenig betroffen wie Juristen in den alten Bundesländern. Ihm war der Zugang zur Rechtsanwaltschaft durch die Möglichkeit des Erwerbs der Befähigung zum Richteramt nach § 5 DRiG nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik eröffnet. Soweit sich möglicherweise Härten dadurch ergeben haben, daß der Antragsteller die Anerkennung seiner in Polen abgelegten Magisterprüfung als gleichwertig mit dem ersten juristischen Staatsexamen erst 1995 erreicht hat, kann dem jedenfalls nicht durch die Anwendung des § 4 RAG mit einem ganz anderen persönlichen Geltungsbereich abgeholfen werden. Der besonderen Situation der Vertreibung ist durch die Regelungen des Bundesvertriebenengesetzes Rechnung getragen, eine Vergleichbarkeit dieser Situation mit der der DDR-Juristen infolge der Wiedervereinigung ist nicht gegeben.
Unterschriften
Hirsch, Fischer, Ganter, Otten, Schott, Wüllrich, Frey
Fundstellen
Haufe-Index 651869 |
BGHR 2002, 132 |