Leitsatz (amtlich)
Eine erteilte und vorgelegte einfache Vollstreckungsklausel hat das Vollstreckungsgericht nicht dahingehend zu überprüfen, ob eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO erforderlich ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 12.1.2012 - VII ZB 71/09, NJW-RR 2012, 1146; v. 23.5.2012 - VII ZB 31/11, NJW-RR 2012, 1148).
Normenkette
ZPO § 724 Abs. 2, § 726; UVG § 7
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 25.08.2011; Aktenzeichen 5 T 95/10) |
AG Winsen/Luhe (Beschluss vom 20.09.2010; Aktenzeichen 9a M 21355/10) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 25.8.2011 und der Beschluss des AG Winsen/Luhe - Vollstreckungsgericht - vom 20.9.2010 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird das Vollstreckungsgericht angewiesen, den Antrag vom 12.8.2010 auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht wegen Fehlens einer qualifizierten Vollstreckungsklausel zurückzuweisen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Schuldner auferlegt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Gläubiger betreibt aus übergegangenem Recht (§ 7 UVG) aufgrund eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Familiengerichts die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen, da die nach § 724 Abs. 2 ZPO vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilte vollstreckbare Ausfertigung nicht ausreiche. Die Forderung sei nur bedingt tituliert, nämlich unter der Voraussetzung, dass und soweit Unterhaltsvorschüsse erbracht seien. Erforderlich sei daher eine vom Rechtspfleger des Familiengerichts erteilte vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 ZPO.
Rz. 2
Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen (LG Lüneburg, BeckRS 2011, 14461). Mit der zunächst durch die Einzelrichterin zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der Gläubiger die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht begehrt. Die Rechtsbeschwerde hatte wegen Verstoßes gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters Erfolg (BGH, Beschl. v. 5.5.2011 - VII ZB 15/11, BeckRS 2011, 14446). Die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer hat die sofortige Beschwerde mit identischen Ausführungen zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Gläubiger verfolgt seine Anträge in der Beschwerdeinstanz weiter, hilfsweise begehrt er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
II.
Rz. 3
Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, § 726 Abs. 1 ZPO sei auch auf Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse anwendbar. Der Bedingungseintritt und der Umfang der Unterhaltsleistungen des Landes an den Unterhaltsberechtigten seien im Klauselerteilungsverfahren nachzuweisen. Andernfalls laufe der Unterhaltsschuldner Gefahr, doppelt in Anspruch genommen zu werden. Dem Land als Gläubiger sei der Nachweis des gezahlten Unterhalts durch eine Bestätigung der Kreiskasse ohne Weiteres möglich.
Rz. 5
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Der angefochtene Beschluss begegnet bereits deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, auf deren Grundlage eine rechtliche Überprüfung ohne Weiteres möglich wäre. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, jedoch wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO; s. BGH, Beschl. v. 5.6.2012 - VI ZB 76/11, BeckRS 2012, 14910 Rz. 4; v. 23.3.2011 - VII ZB 128/09, NJW 2011, 1679 Rz. 9; v. 20.6.2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648; jeweils m.w.N.). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb ausnahmsweise hingenommen werden, weil sich die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorgänge gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ermitteln lassen.
Rz. 7
b) Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses rechtsfehlerhaft davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger eine gem. § 726 Abs. 1 ZPO qualifizierte Vollstreckungsklausel vorlegt. Dies stand nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts.
Rz. 8
aa) Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt gem. § 724 Abs. 2 ZPO grundsätzlich durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des titelschaffenden Gerichts. Geht dort ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel ein, obliegt es ihm auch zu prüfen, ob der Titel Vollstreckungsbedingungen i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO enthält und es deshalb gem. § 20 Nr. 12 RPflG dem Rechtspfleger vorbehalten ist, eine dann erforderliche qualifizierte Klausel zu erteilen. Gegenstand dieser Prüfung ist der Inhalt des Titels, der in der Regel durch Auslegung zu ermitteln ist. Gelangt die Prüfung durch den Urkundsbeamten zu einem objektiv falschen Ergebnis und erteilt er zu Unrecht eine einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO, so liegt darin eine fehlerhafte Ausübung der ihm nach dem Gesetz übertragenen Aufgaben.
Rz. 9
bb) Der Fehler betrifft aber, wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, lediglich die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel, die grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsorgans gestellt ist. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte. Deshalb ist es nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 12.1.2012 - VII ZR 71/09, NJW-RR 2012, 1146 Rz. 14 ff.; v. 23.5.2012 - VII ZB 31/11, NJW-RR 2012, 1148 Rz. 12, mit Anm. Toussaint, FD-ZVR 2012, 334898; BeckOK ZPO/Ulrici, Stand: 15.7.2012, § 724 Rz. 6, 32; BeckOK ZPO/Riedel, a.a.O., § 829 Rz. 36; s. bereits Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 724 Rz. 14; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 724 Rz. 4, 15; Schuschke in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 Rz. 18; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 16 Rz. 16; Giers in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2010, § 724 ZPO Rz. 5). Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben.
III.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3499566 |
NJW 2012, 8 |
EBE/BGH 2012, 387 |
FamRZ 2013, 127 |
NJW-RR 2013, 437 |
JR 2013, 223 |
JurBüro 2013, 161 |
MittBayNot 2013, 162 |
DGVZ 2013, 33 |
JZ 2013, 70 |
MDR 2013, 174 |
NJ 2013, 129 |
NJ 2013, 4 |
Rpfleger 2013, 161 |
FamRB 2013, 184 |
FoVo 2013, 15 |