Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung von Prozesskostenhilfe. Ungeklärte materiellrechtliche Fragen zu Gewinnzusagen
Leitsatz (redaktionell)
Geht das Gericht selbst davon aus, dass eine schwierige und bislang ungeklärte materiellrechtliche Frage zu entscheiden ist, kann Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden, da die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bereits dann zu bejahren ist, wenn die Entscheidung von schwierigen Rechts- oder Tatfragen abhängt.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 2, § 577 Abs. 5; BGB § 661a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2002 aufgehoben und der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 18. März 2002 abgeändert.
Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt.
Der Antragstellerin wird für die Verfolgung ihrer Rechte im Rechtsbeschwerderechtszug Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt; ihr wird Rechtsanwalt Dr. P. beigeordnet.
Tatbestand
I.
Im März 2001 ging der Antragstellerin ein Versandhandelskatalog der H. & F. bv. zu. Der Sendung lag eine „Beurkundung Notariat Dr. E.” bei, in der es unter anderem hieß:
„Hiermit beurkunde ich die offizielle Ziehung der Gewinn-Berechtigungs-Nummer für den Audi A 8 oder 120.000,– DM in bar in der großen Auto-Ziehung der Firma H. & F. bv.
Ich bestätigte, dass die gewinnberechtigte Nummer AN.712 lautet. Des weiteren bestätigte ich, dass insbesondere Frau U. K. ≪= Antragstellerin≫, Besitzer der Nr. AN.712 ist. …”
Die Antragstellerin macht geltend, in dem Schreiben sei eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB zu sehen. Da es sich bei H. & F. bv. um eine Briefkastenfirma der Antragsgegnerin handele, müsse letztere den Preis leisten.
Die Antragstellerin begehrt für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Prozeßkostenhilfe verweigert. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Gesuch um Prozeßkostenhilfe für die Klage weiter; sie beantragt ferner Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Auslegung des § 661a BGB zugelassen; das war nicht zulässig.
Im Verfahren der Prozeßkostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) – oder dem der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) – nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozeßkostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. BGH, Beschluß vom 21. November 2002 – V ZB 40/02 Umdruck S. 3 f). Um solche Fragen ging es hier nicht; der Senat ist aber an die – rechtsfehlerhafte – Zulassung gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet; der Antragstellerin ist für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung zu bewilligen (§ 577 Abs. 5 ZPO).
- Das Oberlandesgericht hat der Antragstellerin die Prozeßkostenhilfe versagt, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Nach § 661a BGB hafte nur derjenige Unternehmer, der als Versender eines täuschenden Gewinnversprechens nach außen in Erscheinung trete. Dem Vorbringen der Antragstellerin sei nicht zu entnehmen, daß dies bei der Antragsgegnerin der Fall gewesen sei.
- Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Oberlandesgericht hat die Erfolgsaussicht zu Unrecht verneint.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozeßkostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfGE 81, 347, 357 ff; BVerfG NJW 1994, 241, 242 und 2000, 1936, 1937; Senatsbeschluß vom 12. September 2002 – III ZB 43/02 – NJW 2002, 3554; BGH, Beschluß vom 9. September 1997 – IX ZB 92/97 – NJW 1998, 82, vom 26. April 2001 – IX ZB 25/01 – MDR 2001, 1007 und vom 21. November 2002 – V ZB 40/02, Umdruck S. 4). Im Streitfall ist das Oberlandesgericht im Grunde selbst davon ausgegangen, daß eine schwierige, bislang ungeklärte Frage des materiellen Rechts zu entscheiden ist. Denn es hat die Rechtsbeschwerde unter anderem mit der Erwägung zugelassen, der Fall gebe Veranlassung, Grundsätze für die Auslegung des § 661a BGB zu entwickeln und zwar dazu, wer als (Ver-)Sender der Gewinnzusage anzusehen sei. Eine solche grundsätzliche Frage ist nicht in dem summarischen Prozeßkostenhilfeverfahren, sondern im ordentlichen Klageverfahren auf der Grundlage der dort nach vertiefter Erörterung getroffenen Feststellungen zu entscheiden.
c) Die Antragstellerin hat belegt, daß sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann.
III.
Der Antragstellerin ist, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten ihrer Rechtsverfolgung im Rechtsbeschwerderechtszug nicht aufbringen kann, Prozeßkostenhilfe auch für den Rechtsbeschwerderechtszug zu bewilligen. Der Grundsatz, daß für das Prozeßkostenhilfeverfahren Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden kann (BGHZ 91, 311), steht nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 2002 – III ZB 33/02).
Unterschriften
Streck, Schlick, Kapsa, Dörr, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 926183 |
NJOZ 2003, 1117 |