Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht eingebaute Maschinen bei Konkursauftragsentziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach einer Kündigung des Auftrags gem. § 8 Nr. 2 VOB/B wegen Konkurs des Auftragnehmers steht diesem auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kein Vergütungsanspruch für eine zwar hergestellte, aber nicht zur Baustelle gelangte Maschine zu, wenn sich der Auftraggeber von ihrer Beschaffenheit nicht überzeugen konnte und der Einbau der Maschine letztendlich eine Fortsetzung des zu recht gekündigten Vertrags bedeuten würde.
2. Wendet der Auftraggeber gegen eine nach wirksamer Kündigung des Vertrags geltend gemachte Werklohnforderung die mangelnde Aktivlegitimation des Auftragnehmers ein, muss das Gericht den Auftraggeber nur auf einen unzureichenden Vortrag zur fristlosen Vertragskündigung hinweisen, um ihn auch zum Vortrag entsprechender Einwendungen gegen die Abrechnung des Auftragnehmers zu veranlassen. Greift der Auftraggeber diesen Hinweis nicht auf, ist sein Vortrag in der nächsten Instanz hierzu regelmäßig als verspätet anzusehen.
3. Die Zurückweisung einer erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten Hilfsaufrechnung entspricht billigem Ermessen, wenn es sich um neuen Streitstoff handelt, dessen Behandlung die Vernehmung zahlreicher (hier: 23) Zeugen und daneben die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich macht.
Normenkette
VOB/B § 8 Nr. 2; ZPO a.F. § 282 Abs. 1, § 530 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das am 19. Dezember 2000 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen – das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. Februar 2000 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 831.287,14 EUR (= 1.625.856,32 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Juni 1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die in der ersten Instanz entstandenen Kosten hat die Klägerin zu 83 % und der Beklagte zu 17 % zu tragen.
Die in der Berufungsinstanz entstandenen Kosten hat die Klägerin zu 75 % und der Beklagte zu 25 % zu tragen.
Die Kosten der Revisionsinstanz werden der Klägerin zu 60 % und dem Beklagten zu 40 % auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht in Anspruch.
Der Beklagte erteilte am 6. November 1996 einer Firma S. & I. KG (im folgenden: S. KG) den Auftrag, bau- und maschinentechnische Arbeiten an dem Klärwerk in G. auszuführen.
Im Herbst 1997 geriet die S. KG in finanzielle Schwierigkeiten. Sie schloß am 22. Oktober 1997 mit der Klägerin, ihrer Schwestergesellschaft, einen Übernahmevertrag. Die Klägerin sollte danach alle Rechte und Pflichten u.a. aus dem Vertragsverhältnis mit dem Beklagten übernehmen und die S. KG die Zustimmung des Beklagten zur Vertragsübernahme durch die Klägerin herbeiführen. Falls letzteres nicht gelingen sollte, sollte die Klägerin die Arbeiten als Subunternehmerin fortsetzen; im Gegenzug wurden der Klägerin die Forderungen der S. KG gegen den Beklagten abgetreten.
Am 9. Juli 1998 wurde über das Vermögen der S. KG das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 23. Januar 1998 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit der S. KG fristlos. Als Gründe führte sie an, daß über das Vermögen der S. KG Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt worden sei, im übrigen gebe es auch Vollstreckungsmaßnahmen, und die S. KG habe ersichtlich ihre Mitarbeiter entlassen sowie ihren operativen Geschäftsbetrieb eingestellt.
Die Klägerin rechnete zunächst über erbrachte und nicht erbrachte Leistungen aus dem Vertragsverhältnis der S. KG mit dem Beklagten ab und verlangte von diesem für erbrachte Leistungen rund 4,2 Mio. DM und für nicht erbrachte Leistungen unter Abzug ersparter Aufwendungen rund 5,2 Mio. DM. Die geforderte Vergütung für erbrachte Leistungen ergibt sich aus zwei von der Klägerin ausgestellten Rechnungen, die im Berufungsurteil als Rechnung Nr. 160 und Rechnung Nr. 106 bezeichnet werden. Die Rechnung Nr. 160 betrifft bauliche Leistungen und die Rechnung Nr. 106 die maschinentechnische Ausrüstung der Kläranlage, die sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts noch bei der Klägerin befindet.
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Vergütung für nicht erbrachte Leistungen abgewiesen und der Klage im übrigen stattgegeben. Es hat angenommen, der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht in dieser Höhe Werklohn zu. Zwar habe der Beklagte wirksam fristlos gekündigt; auch habe er einer Vertragsübernahme durch die Klägerin nicht zugestimmt; für diesen Fall hätten die S. KG und die Klägerin aber wirksam eine Abtretung der bei der S. KG entstandenen Ansprüche gegen den Beklagten vereinbart. Soweit der Beklagte die Richtigkeit der Schlußrechnung der Klägerin bestritten habe, fehle es an substantiiertem Vorbringen.
Die Klägerin hat ihre gegen die Abweisung der Klage gerichtete Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zurückgenommen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil bis auf einen Abstrich bei der Umsatzsteuer in der Rechnung Nr. 160 bestätigt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat in der Sache zum Teil Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Klägerin aufgrund einer Vertragsübernahme durch den Beklagten Ansprüche erworben habe, jedenfalls habe die S. KG ihre Ansprüche gegen den Beklagten wirksam an die Klägerin abgetreten.
Dies greift die Revision nicht an, Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
II. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin für aus §§ 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1, 6 Nr. 5 VOB/B begründet gehalten. Der Beklagte habe das Vertragsverhältnis nach § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B wirksam gekündigt, weil die S. KG insolvent geworden sei. Dementsprechend seien die bereits erbrachten Leistungen nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 VOB/B abzurechnen. Der Höhe nach ergebe sich aus der Rechnung Nr. 160 unter Berücksichtigung einer Kürzung des Mehrwertsteuersatzes und der Abschlagszahlungen der Beklagten ein Betrag von 1.625.856,32 DM und aus der Rechnung Nr. 106 ein Betrag von 2.519.344,56 DM (insgesamt 4.145.200,88 DM).
Soweit es um die Rechnung Nr. 106, nämlich die von der Klägerin geforderte Vergütung für die maschinentechnische Ausrüstung der Kläranlage geht, hält die Beurteilung des Berufungsgerichts revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand; im übrigen läßt sie hingegen einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Auftrag, den der Beklagte der S. KG erteilt hat, auf bau- und maschinentechnische Arbeiten an dem Klärwerk in G. bezogen. Die maschinentechnische Ausrüstung ist jedoch nicht auf der Baustelle angeliefert worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Auftragnehmer, dem der Auftrag nach § 8 Nr. 3 VOB/B entzogen worden ist, nur den Anteil der vereinbarten Vergütung verlangen, der seinen bisher erbrachten Leistungen entspricht. Aufgrund eines VOB-Vertrages hergestellte, aber nicht an die Baustelle gelieferte Bauteile sind nicht als erbrachte Leistungen anzusehen (BGH, Urt. v. 09.03.1995 – VII ZR 23/93, NJW 1995, 1837, 1838). Dies ergibt sich daraus, daß § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B an den werkvertraglichen Leistungserfolg anknüpft, der bei einem Bauwerk in der Regel nur dann eintritt, wenn die erbrachte Leistung sich im Bauwerk unmittelbar verkörpert. Nach § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B ist der Auftraggeber berechtigt, für die Weiterführung der Arbeiten u.a. die auf die Baustelle gelieferten Bauteile gegen angemessene Vergütung in Anspruch zu nehmen. Daraus ergibt sich, daß angelieferte, aber noch nicht eingebaute Bauteile von der VOB/B nicht als erbrachte Leistung behandelt werden; ein Vergütungsanspruch für sie besteht daher nach dieser Vorschrift im Falle der Kündigung nicht. Das muß erst recht für solche Bauteile gelten, die sich nicht einmal an der Baustelle, sondern noch in der Werkstatt des Auftragnehmers befinden. Bestätigt wird dieses Verständnis durch § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/B. Danach gelten als Leistungen, für die ein Auftragnehmer Abschlagszahlungen fordern kann, nur unter besonderen Voraussetzungen auch die für das Bauvorhaben eigens angefertigten und bereitgestellten Bauteile. Dem ist zu entnehmen, daß ein angefertigtes und bereitgestelltes Bauteil noch keine Bauleistung darstellt und damit auch nicht als erbrachte Leistung angesehen werden kann.
Diese Erwägungen gelten ebenso im Falle des § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B. Ist ein angefertigtes Bauteil keine erbrachte Leistung, dann ist es auch nicht als ausgeführte Leistung i.S. von § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B anzusehen. Für dieses Ergebnis spricht auch die Interessenlage der Vertragsparteien. Sowohl § 8 Nr. 2 VOB/B wie auch § 8 Nr. 3 VOB/B betreffen Fälle, in denen es aus Gründen, die im Verantwortungsbereich des Unternehmers liegen, zu einer Kündigung gekommen ist und in denen deshalb der Unternehmer das Risiko zu tragen hat, daß begonnene Leistungen nicht mehr erbracht werden können und deshalb dafür keine Vergütung zu zahlen ist.
Allerdings kann ausnahmsweise ein Vergütungsanspruch des Werkunternehmers den Geboten von Treu und Glauben entsprechen, insbesondere dann, wenn der Unternehmer keine eigene Verwendungsmöglichkeit für bereits hergestellte Bauteile hat, diese für die Weiterführung des Bauvorhabens uneingeschränkt tauglich wären und ihre Verwendung dem Auftraggeber unter Berücksichtigung aller Umstände auch der Gründe für die Kündigung zumutbar gewesen wäre (BGH, Urt. v. 09.03.1995 aaO).
Diese Voraussetzungen liegen hier nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht vor. Danach war die Kündigung des Beklagten berechtigt, weil die S. KG insolvent geworden war. Die maschinentechnische Einrichtung ist nie zur Baustelle gelangt, der Beklagte hat sie nicht zu Gesicht bekommen und sich kein Bild über ihre Beschaffenheit und Eignung machen können. Wollte man von dem Beklagten bei dieser Sachlage verlangen, auf das Angebot der Klägerin einzugehen, die maschinentechnische Einrichtung doch noch zu liefern und eine entsprechende Vergütung zu beanspruchen, so liefe dies auf eine Fortsetzung des wirksam gekündigten Vertragsverhältnisses hinaus. Dies ist aber dem Beklagten auch nach den Geboten von Treu und Glauben nicht zuzumuten. Die Bezahlung der Rechnung Nr. 106 kann die Klägerin daher nicht beanspruchen; ihre hierauf gerichtete Klage ist deshalb abzuweisen.
2. Das Berufungsgericht hat zu der Rechnung Nr. 160 angenommen, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß die S. KG keine ausreichende Sicherheit geleistet habe. Zwischen der S. KG und dem Beklagten sei eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5 % vereinbart gewesen. Da die S. KG eine Bankbürgschaft von 225.000,– DM gestellt habe, sei sie dieser Verpflichtung nachgekommen.
Insoweit rügt die Revision, daß für die Berechnung der Sicherheitsleistung die Endbeträge der Rechnungen Nr. 160 und 106 zu addieren seien und danach eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120.601,97 DM ausstehe, weshalb der Beklagte berechtigt sei, diesen Betrag einzubehalten.
Diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Ist der Beklagte nicht verpflichtet, die maschinentechnische Einrichtung abzunehmen, so ist er auch nicht berechtigt, eine Sicherheitsleistung zu erhalten, mit der nach seinem eigenen Vortrag eventuelle Gewährleistungsansprüche wegen dieser Position abgesichert werden sollten.
3. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dem Beklagten stünden gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Rechnung Nr. 106 keine Rechte aus §§ 320, 321 BGB zu, die dazu führten, daß der Zahlungsanspruch nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Maschinentechnik zu erfüllen sei, so kommt es auch hierauf nicht an, da die Klägerin die Zahlung der Rechnung Nr. 106 nicht verlangen kann.
4. Das Berufungsgericht hat die inhaltlichen Beanstandungen des Beklagten hinsichtlich beider Rechnungen Nr. 106 und 160 als verspätet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Beklagte habe den Umfang der Arbeiten der Klägerin und die Höhe der Klageforderung in der ersten Instanz unter Verstoß gegen seine Prozeßförderungspflicht nicht bestritten. Dieser Verstoß beruhe auf grober Nachlässigkeit. Der Beklagte habe sich zwar in der ersten Instanz in erster Linie auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin sei zur Geltendmachung der Klageforderung nicht aktivlegitimiert. Spätestens seit dem Hinweis des Landgerichts, es bedürfe eingehenderen Vorbringens zur Kündigung des Beklagten, habe ihm aber klar sein müssen, daß er mit diesem Vorbringen nicht durchdringen werde. Dann habe auch für ihn klar sein müssen, daß zu den streitigen Einzelposten eingehender Sachvortrag erforderlich gewesen sei.
Die Revision rügt, das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung lediglich den Hinweis gegeben, es fehle an hinreichendem Vortrag zur Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Der Beklagte habe deshalb davon ausgehen dürfen, daß sein Bestreiten der Klageforderung und sein Vortrag, die Klägerin habe die Klageforderung nicht nachvollziehbar dargelegt, vom Landgericht als ausreichend angesehen worden sei. Insoweit sei schon das landgerichtliche Urteil eine Überraschungsentscheidung gewesen. Die Zurückweisung des Vortrags des Beklagten in der Berufungsinstanz setze diesen groben Verfahrensfehler des Landgerichts fort und schneide dem Beklagten auch in zweiter Instanz den Anspruch auf rechtliches Gehör ab.
Mit dieser Rüge hat die Revision keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Beklagten nach dem Hinweis des Landgerichts, es fehle an hinreichend substantiiertem Vortrag zur Wirksamkeit der fristlosen Kündigung, habe bewußt sein müssen, daß er mit seinem Angriff gegen die Aktivlegitimation der Klägerin nicht durchdringen werde. Außerdem ergibt sich aus dem Urteil des Landgerichts, daß im Termin, in dem die Rechtslage ausführlich erörtert worden ist, auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, daß die Klägerin den Anspruch auf Vergütung für die erbrachten Leistungen geltend machen könne. Der Beklagte hat jedoch erst in der Berufungsbegründung vorgetragen, welche Beanstandungen er im einzelnen gegen die Abrechnung der Klägerin geltend machen will.
Dieser Vortrag war objektiv verspätet im Sinne der Regelung des § 282 Abs. 1 ZPO a.F.. Nach dieser Bestimmung hat die Partei in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so rechtzeitig vorzubringen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der erstinstanzliche Vortrag des Beklagten schon nicht erkennen ließ, welches Prozeßvorbringen der Klägerin der Beklagte bestreiten wollte. Zwar enthielt die Klageerwiderung die Äußerung, es werde bestritten, daß die Klägerin die von ihr behaupteten und mit der Klage geltend gemachten Leistungen erbracht habe. Diese Äußerung stand jedoch im Zusammenhang mit der Erörterung der Rechtsnachfolge der Klägerin im Verhältnis zur S. KG. Daß überhaupt keine zu vergütenden Leistungen erbracht worden waren, hat der Beklagte weder in der Klageerwiderung noch im weiteren Verlauf des Verfahrens behauptet, sich vielmehr erstmals in der Berufungsbegründung eingehend dazu eingelassen.
Hieraus durfte das Berufungsgericht folgern, daß das Verhalten des Beklagten auf grober Nachlässigkeit beruhte (vgl. Senat, Urt. v. 18.05.1999 – X ZR 105/96, NJW 1999, 3272). Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß es sich um einen komplexen Sachverhalt gehandelt hat. Der Beklagte hat sich erstmals in seinem Schriftsatz vom 29. November 2000 darauf berufen, daß die Zeit für eine eingehende Stellungnahme zur Höhe der Klageforderung nicht ausgereicht habe; das Berufungsgericht hat dies jedoch zu Recht nicht gelten lassen, weil der Beklagte nicht dargelegt habe, daß die rund 10-monatige Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens hierzu nicht ausgereicht habe, und er auch zu keiner Zeit eine Fristverlängerung erbeten habe. Auch unter Berücksichtigung des umfangreichen Prozeßstoffs konnte der Beklagte nicht – ohne sich dem Vorwurf grober Nachlässigkeit auszusetzen – den Versuch unternehmen, das Verfahren mit einem Minimum an Aufwand zu führen (vgl. Senat, Urt. v. 18.05.1999 aaO). Ihm mußte vielmehr klar sein, daß sein allenfalls pauschales Bestreiten der Klageforderung angesichts seines eigenen Vortrags, wonach die Erbringung gewisser Leistungen gar nicht in Abrede gestellt wurde, jedenfalls nicht ausreichend war, auch ohne daß es eines gerichtlichen Hinweises hierauf bedurft hätte.
Auch soweit die Revision sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Zulassung des Vorbringens des Beklagten verzögere das Berufungsverfahren, bleibt ihre Rüge ohne Erfolg. Die Revision greift die Annahme des Berufungsgerichts, der Rechtsstreit sei ohne Zulassung des verspäteten Vorbringens entscheidungsreif gewesen mit der Begründung an, es sei auch über die Hilfsaufrechnungen des Beklagten zu entscheiden gewesen, die das Berufungsgericht mangels Sachdienlichkeit gemäß § 530 Abs. 2 ZPO a.F. nicht zugelassen habe. Es handelt sich bei den mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Forderungen um vier, die das streitgegenständliche Vertragsverhältnis betreffen, und vier weitere, die andere Vertragsverhältnisse betreffen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die bei Zulassung der Hilfsaufrechnung erforderliche Vernehmung von 23 Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens lasse es als nicht sachgerecht erscheinen, den Aufrechnungseinwand des Beklagten im Berufungsrechtszug zuzulassen.
Die Zurückweisung der Hilfsaufrechnung des Beklagten als nicht sachdienlich ist nicht ermessensfehlerhaft. Maßgeblich für die revisionsrechtliche Überprüfung ist, ob der Tatrichter die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (BGH, Urt. v. 04.10.1976 – VIII ZR 139/75, NJW 1977, 49; BGH, Beschl. v. 17.03.1988 – III ZR 170/87, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 – Sachdienlichkeit 2). Die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschreitet das Berufungsgericht dann nicht, wenn es die Sachdienlichkeit verneint, weil die Prüfung des Einwandes die Entscheidung verzögern würde, wenn dieser Einwand auf neuen, bisher nicht erörterten Streitstoff gestützt wird (BGHZ 5, 373, 377 f.; 17, 124, 126; BGH, Urt. v. 07.05. 1987 – VII ZR 158/86, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 – Sachdienlichkeit 1; Beschl. v. 17.03.1988 – III ZR 170/87, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 – Sachdienlichkeit 2).
Davon konnte das Berufungsgericht vorliegend ohne Rechtsfehler ausgehen. Dies gilt zunächst, soweit vier der zur Aufrechnung gestellten Forderungen aus anderen Vertragsverhältnissen herrühren. Insoweit legt auch die Revision nicht dar, daß die Nichtzulassung der Hilfsaufrechnung ermessensfehlerhaft gewesen sei. Im übrigen betreffen die zur Aufrechnung gestellten Forderungen einen behaupteten Schaden des Beklagten, der infolge der fristlosen Kündigung des Auftragsverhältnisses, im wesentlichen durch anderweite Vergabe unerledigter Restarbeiten und Mängelbeseitigungsarbeiten entstanden sein soll. Hierbei handelt es sich um neuen bis dahin nicht erörterten Streitstoff, der hinsichtlich der in erster Linie geltend gemachten Gegenforderung – wie vom Berufungsgericht ausgeführt – die Vernehmung von 23 Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gemacht hätte. Ohne Einbeziehung dieses Streitstoffs war der Rechtsstreit dagegen zur Entscheidung reif. Unter den gegebenen Umständen konnte das Berufungsgericht auch die im Falle der Zulassung der Hilfsaufrechnung eintretende Notwendigkeit einer umfangreichen Beweisaufnahme im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 11.04.1990 – XII ZR 69/88, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 – Sachdienlichkeit 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 und 97 ZPO.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen
BGHR 2003, 470 |
BauR 2003, 877 |
NJW-RR 2003, 738 |
IBR 2003, 192 |
BrBp 2003, 162 |
NZBau 2003, 327 |
FSt 2004, 300 |
JbBauR 2004, 370 |